Hamburg. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 14 Blindgänger gefunden. Die Feuerwehr schätzt die Zahl in Hamburg auf gut 2900.
In der Hansestadt werden derzeit so viele Blindgänger gefunden wie lange nicht mehr. 14 große Bomben entschärfte der Kampfmittelräumdienst im ersten Halbjahr bereits. Im gesamten vergangenen Jahr waren es nur zwölf. Zu „großen Bomben“ werden welche mit mehr als 43,5 Kilogramm Sprengstoff gezählt. Die Feuerwehr schätzt die Zahl der Blindgänger in Hamburg auf gut 2900. Besonders viele lägen im Hamburger Süden in Harburg, auf der Elbinsel Wilhelmsburg und in den Stadtteilen Hammerbrook sowie Rothenburgsort. Allein fünf der 14 im ersten Halbjahr dieses Jahres gefundenen Blindgänger lagen auf einer Ausgleichsfläche für die A 26 im Stadtteil Gut Moor. „Die Gebiete, wo wir heute die Bomben finden, waren vorher Ackerland, die hat einfach nie jemand angefasst“, so der Sprecher.
Die hohe Zahl bedeutet auch deutlich mehr Arbeit für den bei der Feuerwehr angesiedelten Kampfmittelräumdienst. Chef seit 2007 ist Peter Bodes, ein ehemaliger Minentaucher der Bundeswehr. „Der Job ist anspruchsvoller und gefährlicher geworden“, sagt der 61-Jährige, der seit 1989 beim Kampfmitträumdienst arbeitet.
Gezielte Suche nach Fliegerbomben vor zehn Jahren eingestellt
Dass aktuell so viele Blindgänger auftauchen, liege daran, dass momentan so enorm viel gebaut werde. Diese würden hauptsächlich gefunden, wenn Flächen sondiert werden. Gezielt gesucht wird in Hamburg seit rund zehn Jahren nämlich nicht mehr nach vermuteten Fliegerbomben. Die CDU hatte die Bombensuche von einer staatlichen Aufgabe zur Privatsache gemacht, um Kosten zu sparen. Die Kosten für die Sondierungen sind seitdem allerdings stark angestiegen – die Stadt ist Eigentümer besonders vieler abzusuchender Flächen.
Die Privatisierung hat die Arbeit der Kampfmittelräumer noch anspruchsvoller gemacht. Jetzt ist der Kampfmittelräumdienst auch Aufsichtsbehörde, die die privaten Suchfirmen überwacht und jeden Verstoß gegen die komplexen Regeln als Ordnungswidrigkeit ahndet. Das läuft am Ende laut Bodes so gut wie immer auf ein Gerichtsverfahren hinaus.
Kampfmittelräumdienst setzt verstärkt auf Technik
Für die Hamburger wäre die möglichst schnelle Beseitigung der Blindgänger eigentlich wichtig. Fliegerbomben, die im Boden liegen, werden immer gefährlicher. Vor allem diejenigen, die einen chemischen Langzeitzünder haben. Sie sind sprichwörtlich tickende Zeitbomben. In ihnen befinden sich gespannte Schlagbolzen, die jederzeit durch eine kleine Bewegung oder eine chemische Reaktion freigesetzt werden können und die Bombe zünden. 13 Prozent der im Zweiten Weltkrieg auf Hamburg abgeworfenen Bomben hatten einen solchen Zünder. Der Anteil an Blindgängern unter diesen Bomben soll besonders hoch gewesen sein. Laut Feuerwehr muss man mit rund 400 solcher Bomben rechnen, die irgendwo in Hamburg liegen.
Für die Kampfmittelräumer sind die amerikanischen Langzeitzünder eine besondere Herausforderung. In drei Fällen kam es bei Entschärfungen dieses Typs in den vergangenen Jahren zu schweren Unglücken. Wird eine solche Bombe zum Beispiel von Baggern bewegt, kommt eine normale Entschärfung nicht mehr infrage. „Dann wird sie vor Ort gesprengt“, sagt Bodes. Im besten Fall könne man die Hülle durch eine gezielte, kleine Sprengung knacken, um den Zünder freizulegen. Dafür sind aber schwierige Vorbereitungen nötig, die nur an Land gemacht werden können.
Liegt eine Bombe im Wasser oder kann man sie nicht für eine kleine Sprengung präparieren, kommt es zu einer sogenannten High-Order-Sprengung: Die komplette Bombe wird gesprengt. „Wir hatten mehrere dieser Bomben im Wasser unter der Waltershofer Brücke, wo auch eine Gasleitung verläuft“, sagt Bodes. In so einem Fall muss die Bombe dann doch mithilfe von Hebeballons im Wasser bewegt und weggezogen werden. Das macht ein Taucher des Kampfmittelräumdienstes.
Geräte werden von besonders geschütztem Container aus gesteuert
Deshalb setzt man auf ferngesteuerte Geräte, die aus einem besonders geschützten Container gesteuert werden können. Neu ist eine Bohrmaschine, die ferngesteuert Löcher für gezielte Sprengungen in die Bombenhülle bohrt. Ein Wasserschneidegerät, das mit 2400 bar den gesamten Bombenkopf samt Zünder entfernt, gehört ebenfalls zur Ausrüstung. „Wir setzen auf Technik, um in Zukunft so viel wie möglich auf Abstand machen zu können“, sagt Bodes.
Gefährlich bleibt es dennoch. Selbst bei Blindgängern mit einem normalen Aufschlagzünder. Der Grund sind chemische Reaktionen der verbauten Stoffe, die die sensible sogenannte Übertragungsladung auslösen können – und damit die gesamte Bombe.
Bei einem Fund sofort die Polizei rufen
Nicht nur Bombenblindgänger, auch Granaten, Minen oder Patronen aus dem Zweiten Weltkrieg werden in Hamburg immer wieder gefunden. Schon bei dem Verdacht, dass man Munition entdeckt hat, sollte man die Polizei rufen. Diese sperrt den Gefahrenbereich ab, Experten vom Kampfmittelräumdienst begutachten das Fundstück und entscheiden über weitere Maßnahmen. Auf gar keinen Fall sollte man Munition anfassen oder bewegen.
Phosphor aus Kampfmitteln wird immer wieder am Elbstand angespült. Auch hier gilt: Finger weg. Phosphor entzündet sich durch Sauerstoff und ab einer Temperatur von 26 Grad. In der Tasche kann es schnell anfangen zu brennen..