Hamburg. Angehörige erheben schwere Vorwürfe gegen Asklepios. Der Klinikbetreiber sieht keinerlei Behandlungsfehler.
Im Bett sterben zu können, in den letzten Stunden des Lebens gut versorgt zu sein, vom Alltag und der Umwelt entrückt, das ist für die meisten Menschen eine tröstliche Vorstellung. Für Erdal D. war es eine Qual, die 141 Tage anhielt. Krank, aber aufrecht war der 58-Jährige in die Klinik gegangen. Raus wurde er getragen. Tot.
Bei oder nach einer Herzoperation in der Asklepios Klinik St. Georg, die nach den Krankenakten gut gemacht wurde, infizierte sich Erdal D. mit Krankenhauskeimen. Während drei Bypässe sein Herz wieder auf Normalbetrieb bringen sollten, liefen die Ärzte den Folgen der gigantischen Infektion hinterher. Eine Sepsis – im Volksmund Blutvergiftung – brachte ihn um. Erst versagten die Nieren, dann die Lunge, schließlich das Herz. Am 26. Mai 2014 um 20.13 Uhr tat Erdal D. den letzten, von einer Maschine unterstützten Atemzug. Der diensthabende Arzt kreuzte auf dem Totenschein bei Todesart „ungeklärt“ an.
Die Frau von Erdal D. und seine drei Kinder sind bestürzt darüber, wie der Familienvater im buchstäblichen Sinne behandelt wurde. Mit dem Fall befasst sind Gutachter, Anwälte, die Krankenkasse, die 265.000 Euro für die Behandlungen zahlte, sowie die Gesundheitsbehörde. Und die Staatsanwaltschaft Hamburg. Sie ermittelt wegen fahrlässiger Tötung gegen die Verantwortlichen der Asklepios Klinik St. Georg, wie eine Behördensprecherin dem Abendblatt sagte.
Asklepios teilte dem Abendblatt mit, man sei überzeugt, dass das Verfahren eingestellt werde. Das Gutachten, das die Staatsanwaltschaft in Auftrag gegeben habe, zeige „keinerlei Behandlungsfehler bei uns“.
Die Tochter erhebt schwere Vorwürfe. Das Intensivbett soll nicht korrekt aufbereitet worden sein. Daher stamme die Infektion. Die Staatsanwaltschaft steht auch zwei Jahre nach Erdal D.s Tod erst am Anfang eines Puzzles. Die Krankenakte, die Verlegungsreporte, der Obduktionsbericht – alles Dokumente einer dramatischen Patientengeschichte. Die Ermittler haben einen Gutachter beauftragt und beinahe die Akte D. geschlossen. Denn der Medizinprofessor schrieb sinngemäß: Erdal D. war ein Notfall, musste sofort operiert werden, und die Folgen waren angesichts seines schlechten Zustands unvermeidbar.
Doch der Gutachter irrte in Details. Er nannte als Grund für eine zwingende Operation einen akuten Infarkt. Den Infarkt hatte D. allerdings ein Jahr zuvor erlitten. Dann vertauschte er die Krankenhäuser.
Denn Erdal D. ging zu Fuß ins AK Barmbek, ohne Anzeichen für einen Befall mit Keimen. Nach elf Tagen wurde er zur Bypassoperation nach St. Georg verlegt. Er infizierte sich dort mit den Keimen, wurde nach 23 Tagen nach Barmbek gebracht, später erneut nach St. Georg, um schließlich im AK Harburg zu landen. Da hatte er noch 29 Tage zu leben.
Die Infektion mit den Keimen war so drastisch, dass der CRP-Wert, der die Schwere anzeigt, bei Erdal D. hochschnellte. Normal liegt der Wert bei zehn Milligramm pro Liter, schwer infizierte Patienten haben 100. Erdal D. hatte zwei Tage nach der Herz-OP 329,6. In den nächsten Wochen folgten: eine Antibiotika-Therapie, eine Wiederbelebung, mehrere weitere Eingriffe. Außerdem lag sich der Patient laut Krankenakten wund. Asklepios erwidert: „Es gibt keinerlei Belege für Hygienemängel bei der Behandlung und Betreuung des Patienten. Zudem weist der Gutachter darauf hin, dass sämtliche Entzündungen zeit- und fachgerecht behandelt wurden.“
Auf seiner letzten Station im AK Harburg versuchten die Ärzte das Brustbein von Erdal D. teilweise zu entfernen und eine „großflächige chirurgische Wundtoilette“ zu machen.
Die Tochter spricht von katastrophaler Hygiene, von Behandlungsfehlern. Ihr Anwalt Bernd Schwarzlose sagt: „Erdal D. ist von einer Asklepios Klinik zur nächsten und dann für eine aussichtslose Operation ins AK Harburg gebracht worden.“ Die Vorwürfe fokussieren sich auf die Hygiene: „Das Prozedere für das Aufbereiten von Intensivbetten ist genau vorgeschrieben. Betten sind Medizinprodukte wie eine künstliche Hüfte oder ein Herzschrittmacher“, so Schwarzlose. Asklepios könne nicht nachweisen, wie, wann und wo das Bett aufbereitet wurde.
Asklepios teilt mit, man könne die Trauer der Angehörigen sehr gut nachvollziehen. Doch im Gutachten stehe: „Der postoperative Verlauf trat schicksalhaft ein und war nicht die Folge eines Behandlungsfehlers.“