Hamburg. Bei 257 Veranstaltungen zeigt die Hansestadt die Vielfalt und Fülle ihrer Bauten – und wagt zugleich den Blick über den Tellerrand.

Der Sommer wird sehr groß – zumindest für Architektur- und Kunstfreunde. Mit gleich 257 Veranstaltungen lockt die Hansestadt Interessierte des Städtebaus auf die Plätze und in die Museen, in spektakuläre Gebäude und faszinierende Kulturveranstaltungen. Dementsprechend stolz präsentierten die Macher am Dienstag das Programm für die kommenden drei Monate, das unter dem Motto „Ausgang offen – Moderne mit Zukunft“ steht.

Andreas Hoffmann, Geschäftsführer Bucerius Kunst Forum, freut sich auf „die Verwandlung der Stadt in einen Ort des Denkens und der Debatte über Architektur“, die am 7. Mai beginnen wird. Das Bucerius Kunst Forum am Rathausmarkt wird dabei selbst zum Anlauf- und Informationspunkt für den Architektursommer. Noch bis zum 19. Mai ist dort auch die Ausstellung „Welt im Umbruch. Kunst der 20er Jahre“ zu sehen.

Bauhaus-Spuren an Elbe und Alster

Im Hinblick auf den Architektursommer sprach die Senatorin der Stadtentwicklungsbehörde von einem „Jahr der Superlative“: Die Baukultur sei in Hamburg fest verwurzelt und quicklebendig, lobte Dorothee Stapelfeldt (SPD) und verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bauforum, das sich im August mit der Magistralen-Entwicklung befassen wird. Christoph Winkler, Vorstand der Initiative Hamburger Architektursommer, unterstrich das ehrenamtliche Engagement aller Beteiligten: Denn die Büros, Museen und Künstler finanzieren und organisieren ihre Veranstaltungen selbst. „Das ist eine baukulturelle Bürgerinitiative“, stellt Winkler heraus.

Im Bauhaus-Jahr kommt der Hamburger Architektursommer nicht an dem bedeutendsten kulturellen Exportartikel aus Deutschland vorbei. Auf den ersten Blick mag das verwundern, weil sich in der Hansestadt kein Bau der Dessauer Bewegung findet. Trotzdem sind die Spuren des Bauhaus an Elbe und Alster vielfältig. Nach 1945 gab es keine Kunstschule in Deutschland, in der mehr ehemalige Bauhäusler tätig waren als an der Hamburger Landeskunstschule, der heutigen Hochschule für bildende Künste. In der Freien Akademie der Künste am Klosterwall eröffnet am Abend des 9. Mai die Ausstellung „Bauhaus in Hamburg. Künstler, Werke, Spuren“ (bis zum 30. Juni).

Gleich dreizehn Vorträge befassen sich mit Werk und Wirken des Hamburger Gartenarchitekten Leberecht Migge (1881–1935), der Selbstversorgung in genossenschaftlichen Siedlungen propagierte und an großen Siedlungs- und Freiraumplanungen in der Weimarer Republik beteiligt war.

Leben im einstigen Elendsquartier Gängeviertel

In der „VisuleX – Gallery for Photography“ wird das Gängeviertel wieder lebendig – dort werden die faszinierenden Fotos von dem Bauhaus-Architekten Andreas Feininger gezeigt, der zwischen 1929 und 1931 in Hamburg wohnte und das Leben in den einstigen Elendsquartieren einfing (9. Mai bis 27. Juni). In der Handelskammer sind ab dem 10. Mai die Fotos von Jean Molitor zu sehen, der auf der ganzen Welt, von Burundi bis Guatemala, von Thailand bis Tel Aviv, dem Bauhaus-Stil nachspürte und eine gemeinsame Formensprache fand.

Doch der Architektursommer ist in erster Linie eine Hamburgensie – er wurde 1994 an der Elbe erfunden, und viele Metropolen schauen neidisch auf dieses Festival der Architektur. Der Veranstaltungsreigen rückt Gebäude und Streitfragen, Personen und Entwürfe in den Mittelpunkt. Gleich zu neun Veranstaltungen lädt das Kraftwerk Bille, das als Pionier Hammerbrook kulturell entwickeln will.

Das Stadtteilprojekt Sonnenland in Billstedt verwandelt am 25. Mai die Laubengänge am Sonnenland 18 in einen Aktions- und Begegnungsort. Und eine gemeinsame Tagung der Gustav-Oelsner- und der Fritz-Schumacher-Gesellschaft befasst sich am 9. und 10 Mai mit dem großen Erbe des Reformwohnungsbaus in Altona und Hamburg.

Der Bund Deutscher Architekten plant Erkundungen auf der Veddel. „Architektur geht alle an, die Stadt geht alle an. Deshalb ist der Architektursommer eine große Chance, unsere tägliche Arbeit vorzustellen und zur Diskussion zu stellen“, sagt Daniel Kinz, Vorstand des BDA Hamburg, der zehn Tage die Veddeler Spitze bespielen will. „Damit wollen wir den Diskurs fördern gerade auch an Orten, die nicht unbedingt vor der eigenen Haustür liegen."

Syrische Städte im Archäologischen Museum

Im Rathaus fällt der Blick zurück auf eine Zeit der Fortschrittsfreude: „City Nord – als Hamburg die Bürostadt der Zukunft baute“, heißt die Ausstellung, die vom 27. Mai bis 18. Juni zu sehen ist. Faszinierende Industriefotos von Ursula Becker-Mosbach über den Wiederaufbau Hamburgs zeigt das Levante Haus vom 29. Mai bis 13. Juli.

Auch der City-Hof wird zum Schauplatz: Die Fotografen Nicole Keller und Oliver Schumacher zeigen ihre bereits als Buch veröffentlichten An- und Einblicke des umstrittenen Baudenkmals in der Galerie Multiple Box (Admiralitätsstraße 76) vom 14. bis 27. Juni. Hamburg blickt auch über den Tellerrand: „Syrien – Fragmente einer Reise, Fragmente einer Zeit“ heißt die Ausstellung über syrische Städte aus den Jahren 1953 und 1960. Es ist eine bittere Ironie, dass diese Fotos bis zum 16. Juni im Archäologischen Museum Hamburg zu sehen sind.

Einen eigenen Stil hat die italienische Architektur nach dem Krieg eher unfreiwillig hervorgebracht – das Italienische Kulturinstitut (Hansastraße 6) zeigt ab dem 14. Juni Bilder von 250 unvollendeten öffentliche Bauten. Auch die Ausstellung des Sommers ist untrennbar mit Architektur verbunden: Zwischen dem 27. Juni und dem 6. Oktober ist im Museum für Hamburgische Geschichte die Schau „Neue Heimat – eine sozialdemokratische Utopie und ihre Bauten“ zu sehen. Derzeit läuft die Ausstellung mit großem Erfolg in München.

Iannis Xenakis mit Musik, die als unaufführbar gilt

Auch an die Jüngsten ist gedacht: Vom 15. bis 23 Juli gibt das Klick Kindermuseum in der Hafencity Universität einen Einblick in die Planungen für ein Kinderarchitekturmuseum. Das Gebäude ist noch Zukunftsmusik, aber die Planung läuft schon seit drei Jahren mit Kindern und Jugendlichen vom Osdorfer Born.

Der Architektursommer wäre unvollständig ohne seine künstlerischen Zugänge. Das Künstlerkollektiv Jakob Kollektiv hat den fiktiven Bauhaus-Künstler Jakob K. erfunden und wird diese Figur in verschiedene Veranstaltungen mit Installationen, Performances und Gruppenspaziergängen einschleusen. Einen musikalischen Leckerbissen verspricht das Konzert von SEHW Architekten im Mojo-Club. Am 14. Juni trifft der Techno-Produzent Moritz von Oswald auf das Werk des Architekten und Komponisten Iannis Xenakis, dessen Musik eigentlich als unaufführbar gilt.

Und wer sich fragt, woher das imagebildende Foto des Architektursommers stammt: Es zeigt die Haushälterin Guadalupe Acedo aus dem Film über die Villa von Rem Koolhaas in Bordeaux: Zu sehen ist er am 9. Juni um 11 Uhr im Abaton Kino.