Protest gegen geplante Großunterkünfte in Hamburg wächst. Vertreter von sieben Bürgerinitiativen über Stimmung, Sorgen und Solidarität.

Anja Schümann und Simone Presto – Bürgerinitiative „Gemeinsam in Poppenbüttel“: Anfangs hieß es, dass auf einem Rapsfeld eine Einrichtung für 500 Flüchtlinge entstehen soll. Sorgen, dass es im Verlaufe der Zeit mehr werden könnten, wurden von der Stadt ab­getan. Trotzdem taten Anwohner sich zusammen. Ihre Sorge war nicht unbegründet. Zu den ursprünglich geplanten Modulbauten für 500 Flüchtlinge sind inzwischen erst 170 und dann 300 Wohneinheiten für bis zu 2100 Flüchtlinge hinzugekommen. Zudem sind an der in unmittelbarer Nähe gelegenen Glashütter Landstraße und Rehagen zwei Einrichtungen für bis zu 4200 Flüchtlinge geplant. Wir fürchten, dass der Stadtteil Poppenbüttel durch die Ansiedlung einer so großen Zahl von Flüchtlingen überfordert wird. Es gibt nur zwei Supermärkte. Die Kinderärzte nehmen schon jetzt keine neuen Patienten mehr auf, weil sie überlastet sind. In einem Umkreis von drei Kilometern wird die Zahl der untergebrachten Flüchtlinge sich auf rund 7000 summieren. Zwei Unterkünfte sollen in einem Gebiet ohne Infrastruktur errichtet werden.

Es ist zu erwarten, dass die Bewohner der Einrichtungen sich nach Poppenbüttel wenden werden. Dadurch wird das Ortszentrum, der Poppenbütteler Markt, überlastet. Ich habe mich bei einer Schule und einem Hort erkundigt, wie man sich dort vorbereitet. Da ist nichts geplant.

Wir möchten, dass die geplanten Unterkünfte kleiner werden. Wir halten die Durchmischung eines Stadtteils für eine zentrale Voraussetzung von Integration. Diese wird bei so vielen Flüchtlingen auf engem Raum nicht gelingen.



Christoph Hütteroth – „Lebenswertes Klein Borstel“: In Klein Borstel plant die Stadt die Einrichtung einer Folgeunterkunft für 700 Flüchtlinge. Sie soll auf einem Teilstück des Ohlsdorfer Friedhofs, auf dem Anzuchtgarten, entstehen. Das Problem ist nicht, dass dort Flüchtlinge untergebracht werden sollen. Es geht uns vor allem um die Zahl und um die Dauer der Unterbringung. In dem angrenzenden Neubaugebiet leben nur 800 Menschen. In Klein Borstel insgesamt wohnen rund 3500 Menschen.

Der Stadtteil ist klein und durch Friedhof, S-Bahn-Trasse und Alster von den übrigen Stadtteilen räumlich getrennt. Die Infrastruktur stößt bereits jetzt an die Grenze ihrer Möglichkeiten. In der Albert-Schweitzer-Schule müssen bereits vier Klassen in Containern unterrichtet werden. Unser Problem ist, dass die Stadt mit uns nicht redet und stattdessen ohne jegliche Bürgerbeteiligung vorgeht.

Thomas Laube – „Initiative Zukunft! Ohlstedt“
: Ohlstedt war einer der ersten Stadtteile in Hamburg, in dem im Sommer innerhalb kurzer Zeit Bundeswehrzelte für die Unterbringung von 420 Flüchtlingen aufgestellt wurden. Anfangs gab es noch einige diffuse Ängste. Manche Anwohner erfuhren erst bei der Rückkehr aus dem Urlaub davon, dass auf dem Dorfplatz 60 Zelte aufgestellt wurden – keine fünf Meter von manchen Vorgärten entfernt. Aber dann entwickelte sich bei vielen Bürgern eine äußerst positive Grundstimmung. Die Hilfsbereitschaft der Menschen wuchs täglich. Mittlerweile helfen unter anderem fast 140 Ohlstedter den Flüchtlingen, die deutsche Sprache zu erlernen. In dem Kerndorf leben rund 1500 Menschen.

Neben dem Ohlstedter Platz gibt es aber ein rund 40 Hektar großes, ökologisch wertvolles Gelände in städtischem Besitz. Um dieses Areal wurde seit mehr als 30 Jahren gestritten. Die Stadt hatte mehrfach vor, die Fläche zu bebauen. Dagegen wehrten sich erfolgreich Umweltschützer, bis vor den Bundesgerichtshof. Als Folge existiert ein sogenanntes Stillhalteabkommen zwischen der Stadt und den Klägern, die Fläche bis Ende des Jahres 2020 nicht zu bebauen.

Jetzt hat die Stadt allerdings erklärt, sie wolle Teile davon für den Bau einer Zentralen Erstaufnahme (ZEA) nutzen. In der ersten Ausbaustufe sollten dort weitere 2000 Flüchtlinge untergebracht werden. Die Gesamt­fläche lässt daneben noch ganz andere Dimensionen von Massenunterkünften zu. Ohlstedt ist außerordentlich hilfsbereit. Allerdings kann die soziale Balance und Toleranz aus dem Lot geraten, wenn man einen kleinen Stadtteil überfordert. Hier gibt es nur einen Bäcker, zwei Friseure, einen Kiosk und einen Landgasthof. Die Bewegung „Zukunft! Ohlstedt“ hat sich aus der Mitte der Gesellschaft gebildet. Der Gründungsmoment war, dass die Politik begonnen hat, auf Basis des Polizeirechts (SOG) über die Köpfe der Menschen hinweg zu entscheiden. Die Politik bringt das demokratische Grundverständnis und Freiheitsempfinden vieler Bürger vollständig ins Wanken. Nichts ist mehr verlässlich.

Flüchtlingsunterkünfte wie hier in Harburg sind in den vergangenen Monaten an etlichen Ecken der Stadt gebaut worden.
Flüchtlingsunterkünfte wie hier in Harburg sind in den vergangenen Monaten an etlichen Ecken der Stadt gebaut worden. © HA | Michael Rauhe


Klaus Schomacker – Bürgerinitiative Rissen
: In Sülldorf, das ist an der Ortsgrenze Rissen, leben seit vielen Jahren rund 400 Flüchtlinge. Zuletzt war angedacht, die Zahl auf 800 zu erhöhen. Das ist kein Problem. Ein Problem aber ist, dass das Baugebiet Rissen 45, das seit vielen Jahren diskutiert und letztendlich als normales Wohngebiet mit 230 Wohneinheiten für rund 800 Menschen geplant wurde, jetzt über Nacht überdimensional ausgebaut werden soll. Jetzt sollen dort 800 Wohneinheiten für 4000 Flüchtlinge entstehen – und zwar dauerhaft.

Aus unserer Sicht muss schon bei der Planung von Flüchtlingsunterkünften die Integration ihrer Bewohner eine wichtige Rolle spielen. Jeder, auch viele Politiker, bestätigen, dass möglichst kleine Einheiten an unterschiedlichen, dezentralen Standorten der richtige Weg sind. Wir wollen daher die Politik vom Kopf auf die Füße stellen. Es geht eben nicht um Wohnungsbau, sondern im Kern um Integration. Der Wohnungsbau ist nur ein Teil dieser Aufgabe.


André Humbert – „Bürgerinitiative Integration JA! – Getto NEIN!“:
Wir sind für eine sinnvolle Integration, lehnen den Bau von Massenunterkünften jedoch entschieden ab. Dies führt zu einer Gettoisierung. Im Gleisdreieck Mittlerer Landweg in Billwerder ist der Bau von 800 Wohnungen für bis zu 4000 Flüchtlinge geplant. Noch ist die Fläche an einen Bauern verpachtet. Mit dem Bau soll Anfang kommenden Jahres begonnen werden. Es gibt auch schon einen Investor, der mit dem Bau beauftragt wurde – allerdings ohne jegliche Baugenehmigung!

Die rund 4000 Flüchtlinge werden in direkter Nachbarschaft zu 250 angestammten Einwohnern am Mittleren Landweg leben. Es gibt keine ausreichende Infrastruktur, lediglich die S-Bahn-Station Mittlerer Landweg, wo auf dem Park-and-ride-Platz bereits rund 180 Flüchtlinge, überwiegend junge Männer, in Containern untergebracht wurden. Wenn ich zum Einkaufen will, muss ich ins Auto steigen.

Wir wollen die Umsetzung der Planung des Senats verhindern und dann in Gesprächen mit dem Senat und der Politik vor Ort eine gemeinsame Lösung erarbeiten. Uns stört zudem, dass es keine Rolle spielt, dass es sich bei dem Ort für die geplante Flüchtlingsunterkunft um eine wichtige Biotopverbundfläche zwischen zwei Naturschutzgebieten handelt und dass seitens des Senats keine Rücksicht auf die Natur genommen wird.


Björn Greve – Bürgerinitiative Neugraben Fischbek – „Nein zur Politik! Ja zur Hilfe!“
In Neugraben-Fischbek sollte neben der bereits vorhandenen Zentralen Erstaufnahme in einem Baumarkt eine Großunterkunft für 3000 Flüchtlinge entstehen. Später hieß es, dass noch mehr untergebracht werden sollen. Die Anlage sollte ein Pilotprojekt werden. Nirgends in Deutschland gibt es eine größere Flüchtlingsfolgeunterkunft. In unserem Stadtteil leben fast 27.000 Menschen – mehr als 40 Prozent davon haben einen Migrationshintergrund. Wir haben also kein Problem mit der Integration von Menschen aus anderen Ländern.

Wir fürchten allerdings, dass die Integration von so vielen an einem Ort untergebrachten Flüchtlingen nahezu unmöglich ist. Unser Stadtteil kann maximal 1500 Flüchtlinge verkraften und nicht wie jetzt geplant etwa 5000. Zumal die dauerhafte Unterbringung zwischen zwei Wohngebieten geplant ist, die als soziale Brennpunkte bekannt sind: Neuwiedenthal und Sandbek.

Wir sagen: Das muss verteilt werden, darf nicht alles in einem Stadtteil in den Randbezirken konzentriert sein. Wir wollen integrieren, gar keine Frage. Aber wir sind gegen Großunterkünfte.


Andreas Büttner – Bürgerinitiative „Lebenswertes Lemsahl-Mellingstedt“
: Wir sind eine Gruppe von Bürgern aus Lemsahl-Mellingstedt, die sich nicht grundsätzlich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in ihrer Nachbarschaft wehrt.

Aber wir sind dagegen, dass die Nachbarschaft mit einer zu großen Zahl an Flüchtlingen überfordert wird, eine Integration nicht möglich ist und Lemsahl-Mellingstedt seine besondere und lebenswerte Art als Stadtteil verliert.

Wir haben schon Erfahrungen im Umgang mit Flüchtlingen. Am Fiersbarg gab es bereits vor einigen Jahren eine Flüchtlingsunterkunft. Damals lebten dort 300 bis 500 Menschen. Anfangs hieß es, die Einrichtung soll fünf Jahre bestehen. Dann wurden daraus zehn Jahre. Am Ende waren es 15 Jahre.

Wir befürchten, dass es dieses Mal ähnlich läuft. Ursprünglich war geplant, am Fiersbarg 8 eine Zentrale Erstaufnahmeeinrichtung für 950 Flüchtlinge einzurichten. Inzwischen plant man 1020 Menschen.

Wir wollen erreichen, dass die Zahl der dort untergebrachten Flüchtlinge verbindlich reduziert wird.
André Humbert: Wir erleben, dass das Bezirksamt in Bergedorf keine Entscheidungsbefugnis mehr hat. Es erhält seine Anweisungen direkt vom Senat und muss diese dann umsetzen. Ebenso sind die Bezirksversammlungen teilweise entmachtet und kaum mehr in der Lage, die Meinungen der Bürger vor Ort dem Senat gegenüber deutlich zu machen. Aber das Schlimmste ist: Der Senat redet nicht mit uns, reagiert nicht oder nur sehr spät und unvollständig auf Anfragen und behandelt uns wie unmündige Bürger.
Simone Presto
: Ich halte die Aufforderung des Senats, jeder Bezirk müsse eine acht Hektar große Fläche für die Unterbringung von Flüchtlingen nachweisen, eher für eine betriebswirtschaftliche Größe. Man hat einfach durchgerechnet, ab wann sich die Unterbringung rechnet. Mit Integration hat das wenig zu tun.
Anja Schümann
: Es sind immer die gleichen Abläufe. Die Stadt kommt mit einer relativ kleinen Zahl der Flüchtlinge, die untergebracht werden sollen. Dann werden es nach und nach mehr, und wir Anwohner fühlen uns überrumpelt. Es gibt keine ehrlichen Informationen, oftmals sogar gar keine. Wenn wir dann Informationen einfordern und eigene Vorschläge unterbreiten, gibt es keine sachliche Diskussion. Stattdessen verwenden Behördenvertreter vor allem moralische Beispiele und rücken die Bürger so von Anfang an in ein schlechtes Licht. Man wird gefragt: Wollen Sie die Verantwortung dafür übernehmen, dass ein Kind erfriert? Was wir nicht erfahren, ist, wie die Stadt bei diesen Größenordnungen eine gelungene Integration unterstützen will. Sie verlässt sich stark auf die Bürgerinitiativen in den Stadtteilen.
Andreas Büttner
: Wir haben Angst, dass die Demokratie nach und nach abgeschafft wird. Auch wir haben erleben müssen, dass letztlich nur durch die Klage der Senat zu einem ersten Gespräch bewegt werden konnte.
Simone Presto
: Die Missachtung, die uns von den Behörden entgegenschlägt, ist ärgerlich, verletzend und unverständlich. Wir alle stehen voll im Berufsleben, sind erfahren, machen unsere Jobs und haben Vorschläge, wie wir die Probleme lösen können. Aber man nimmt uns einfach nicht zur Kenntnis. Abgesehen davon hat die Politik doch längst ein Glaubwürdigkeitsproblem. 360.000 Menschen in Hamburg haben einen Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung. Rund 270.000 von ihnen erhalten aber keine Sozialwohnung und müssen in zu teuren und zu kleinen Wohnungen leben. Wie will die Politik diesen Menschen erklären, dass jetzt innerhalb eines Jahres ausschließlich für Flüchtlinge Wohnungen gebaut werden?

Warum sagt man nicht: Nehmt die 2000 Sozialwohnungen aus dem Bündnis für das Wohnen und die 5600 Wohnungen und schafft überschaubare, durchmischte Wohngebiete. Wie soll denn ein syrisches Kind die deutsche Sprache erlernen, wenn es unter 2000 arabischen Menschen lebt?
Christoph Hütteroth
: Wir stehen in der Mitte der Gesellschaft und sind überzeugt, dass den Flüchtlingen geholfen werden muss. Aber aus der Not der öffentlichen Verwaltung heraus dürfen keine Gettos entstehen, die langfristig zulasten der Flüchtlinge deren Integration verhindern. Massenunterkünfte sind, auch wenn die Behörden es immer wieder behaupten, nicht notwendig. Einige Anwohner haben geklagt. und in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Recht bekommen. Dem ging voraus, dass wir uns mit einem Brief an alle Entscheider in der Behörde, im Bezirk und der Politik gewandt haben.

Wir haben immer gesagt, wir wollen mit der Politik reden. Eine Reaktion haben wir erst erhalten, nachdem das Verwaltungsgericht entschieden hatte. Stattdessen sagte Hamburgs Flüchtlingskoordinator im Abendblatt, er sehe nicht die Bereitschaft, sich auf Verhandlungen einzulassen. Das hat viele Menschen in Klein Borstel verärgert, weil man uns damit in der Öffentlichkeit diffamiert hat. Wir wollten von Anfang an reden. Aber wir haben erkennen müssen, dass die Behörden und die regierenden Politiker erst dann mit den Bürgern reden, wenn geklagt wird. Das hat man am Beispiel der Sophien­terrassen sehen können. Erst als das Verwaltungs- und das Oberverwaltungsgericht gegen die Stadt entschieden hatten, war man im Bezirksamt zu Gesprächen und zu einem Kompromiss bereit. Was ist das denn für ein Signal an die Bürger: „Wir reden erst mit euch, wenn ihr euch wehrt“?
Thomas Laube
: Die Bürgerbeteiligung und die Informationspolitik der Behörden sind mangelhaft. Beispielsweise wurde am Nachmittag vor dem Aufbau der Zelte auf dem Ohlstedter Platz an einige Anwohner Handzettel mit dem Hinweis verteilt, dass am darauffolgenden Tag ein Pionierbataillon der Bundeswehr praktisch in ihrem Vorgarten 60 Großzelte errichten werde.
Björn Greve
: Ich fürchte, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen, die sich bislang ehrenamtlich um die Aufnahme und Integration von Flüchtlingen kümmern, nachlässt. Der Grad der Frustration steigt von Woche zu Woche.

Egal, mit wem man redet, ob Mitglied einer Regierungspartei oder der Opposition: Hinter vorgehaltener Hand haben viele Menschen ein Problem mit dem Vorgehen des Senats. Vielen Menschen leuchtet ein, dass Integration von Flüchtlingen, die in größeren Unterkünften untergebracht sind, nicht funktionieren wird. Das zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit. Und was macht Hamburg: Es schafft Einrichtungen, in denen mehrere Tausend Menschen auf kleinem Raum zusammenleben müssen. Mir reicht dafür nicht die Begründung, es gebe keine andere Möglichkeit. Dafür ist Politik da: Lösungen für etwas zu finden, was richtig ist. Und nicht etwas Falsches umzusetzen. Wir wollen erreichen, dass die Behörden unsere Bürgerinitiative als Verhandlungspartner ernst nehmen. Leider wurde uns wiederholt signalisiert: Wenn wir nicht mit einem Anwalt aufkreuzen, werden wir nicht ernst genommen.

Wie sollte Ihrer Meinung nach Hamburg mit der Flüchtlingskrise umgehen?


Simone Presto:
Der Fokus muss auf dezentralen und durchmischten Quartieren liegen. Der größte Teil der Flüchtlinge sind junge Männer, die ganz andere Vorstellungen von Familie, Erziehung und Frauen haben. Damit wir diese Menschen wirklich integrieren können – und zwar zu ihrem Vorteil –, sind kleine Gruppen notwendig. Man muss ja mit jedem Einzelnen reden und arbeiten. Wie soll das funktionieren, wenn 4000 Flüchtlinge auf einem eng begrenzten Raum leben?
Thomas Laube
: Die Verteilung der Flüchtlingsunterbringung muss zwingend gleichmäßig über ganz Hamburg erfolgen. Dabei sollte sich Hamburg am Königsteiner Schlüssel orientieren, wie er für die Bundesländer gilt. Insofern man die aktuelle Zahl der Schutz­suchenden auf alle 104 Stadtteile verteilt, sind dies im Durchschnitt pro Quartier etwa 400 Flüchtlinge. Dies entspricht der Größe des Ohlstedter Platzes. Dieses Beispiel hat sich bei uns lokal als ein Leuchtturm für ein gutes Miteinander entwickelt. Gleichzeitig wurde die Dorfkultur positiv beeinflusst. Hilfe und echte Integration sind so wirklich machbar.
Björn Greve
: Es kann nicht sein, dass der Senat, die Sozial- und die Innen­behörde entscheiden, und die Bezirkspolitik kein Mitspracherecht hat. Meiner Meinung nach sollten Bezirkspolitiker und Bezirksparlamente nicht nur von oben nach unten vermitteln, sondern ihre Rolle als gewählte Volksvertreter stärker wahrnehmen und den Bürgerwillen entschlossener von unten nach oben tragen. Mir geht es dabei weniger um konkrete Entscheidungs­befugnisse als um Einflussnahme auf Senatsentscheidungen bei derartig großen Projekten mit gesellschaftspolitischer Relevanz.
Andreas Büttner
: Wir müssen zurück zur „Basisdemokratie“. Wir Bürger sind bereit, uns Gedanken zu machen, mitzuhelfen, zu gestalten und zu reden. Ich kann der Politik und den Behörden nur zurufen: „Redet mit uns Initiativen! Dann sind wir gerne bereit, Lösungen aktiv mitzugestalten!“
Christoph Hütteroth
: Gerade bei der Unterbringung von Flüchtlingen ist es wichtig, die konkrete Situation vor Ort genau zu berücksichtigen. Ich denke daher, dass die Kriterien, wie Flüchtlinge untergebracht werden sollen, vor Ort entwickelt werden müssen und nicht irgendwo nach dem Schema F. Bei der Suche nach Vorschlägen haben die Bürgerinitiativen sich bereits in vielen Punkten verständigt. Es geht darum, überhaupt erst einmal ins Gespräch zu kommen. Wir wollen eine offene Diskussion darüber, was geht und was nicht. Wir wollen nicht darüber diskutieren, ob Flüchtlinge in unserer Nachbarschaft leben, sondern darüber, wie viele es sein werden. Diese Diskussion wird aber derzeit von SPD und Grünen verweigert. Und das geht nicht.
Klaus Schomacker:
Warum gibt es eigentlich keine Projektgesellschaft für die Unterbringung von Flüchtlingen, ähnlich wie die Bewerbergesellschaft für Olympia? Wäre es nicht sinnvoll, Geld, Ausstattung und Struktur für die Flüchtlingsunterbringung zu verwenden, anstatt die Olympia-Gesellschaft abzuwickeln? Wir glauben, dass ein einziger Flüchtlingskoordinator, der dann noch nicht einmal direkten Zugang zum Bürgermeister hat, der Größe der Herausforderung nicht gerecht wird. Geld darf bei allen Maßnahmen keine Rolle spielen, denn eine misslungene Integration wird, wie kürzlich eine Studie der Bertelsmann-Stiftung gezeigt hat, enorme Folgekosten haben, die wir heute lediglich auf die nächste Generation verschieben.