Hamburg. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet für die neue Verbindung zwischen Hamburg, Schleswig-Holstein und Kopenhagen.
Die Handelskammer jubelt: Hamburg werde bald "die südlichste Stadt Skandinaviens". Es ist ein europäisches Mega-Projekt, das für Schleswig-Holstein und Hamburg eine enorme Bedeutung hat – und von den Kritikern als Beispiel für überdimensionierte Verkehrsplanung gesehen wird. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat nun sechs Klagen gegen den Fehmarnbelt-Tunnel abgewiesen, der zwischen Dänemark und Deutschland, zwischen Rødby auf Lolland und Fehmarn entstehen soll.
Dabei haben die Richter am Dienstag den Planfeststellungsbeschluss bestätigt. Der Tunnel kann nach jahrelangem Hickhack gebaut werden. Und der deutsch-dänische Staatsvertrag zur festen Fehmarnbeltquerung sei völkerrechtlich bindend, so die Richter. Der Planfeststellungsbeschluss habe der Überprüfung standgehalten, sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Bier in der Urteilsbegründung.
Die Entscheidung des Senats war in dieser Deutlichkeit nicht erwartet worden. Entsprechend groß war die Freude aufseiten der dänischen Bauherren und der deutschen Planer – im prachtvollen Leipziger Gerichtssaal waren durchaus einige Missachtungen des Corona-Distanzgebots zu beobachten. „Das ist ein guter Tag für ein herausragend wichtiges europäisches Verkehrsprojekt“, sagte Bernd Buchholz (FDP), Schleswig-Holsteins Verkehrsminister. Die Kläger, besonders der Nabu und das ostholsteinische Aktionsbündnis, gegen eine feste Fehmarnbeltquerung, waren hingegen enttäuscht.
Handelskammer jubelt auch wegen der S4
Die Unternehmensverbände im Norden (UVNord) wiederum begrüßten den nun anstehenden Bau des Ostseetunnels nach Dänemark begrüßt. „Endlich haben wir eine klare Entscheidung zur Realisierung des Jahrhundertbauwerks über den Fehmarnbelt, auf das die norddeutsche Wirtschaft seit Jahrzehnten sehnsüchtig wartet“, sagte UVNord-Präsident Uli Wachholtz.
Die Hamburger Handelskammer sprach in einer Mitteilung davon, dass der Fehmarnbelttunnel die "notwendigen Kapazitäten für die neue S-Bahn-Linie 4, die zukünftig Hamburg und Bad Oldesloe verbinden wird", schaffe. Die S4 sei ein wichtiger Baustein für die Verkehrswende in der Metropolregion Hamburg.
Die Hamburger CDU-Bürgerschaftsfraktion reagierte erleichtert auf das Urteil. Es sei ein gutes Zeichen für die Metropolregion Hamburg, hieß es in einer Mitteilung.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Konstantin von Notz erklärte indes, die Grünen seien von der "Sinnhaftigkeit des Projekts mit seinen ganz erheblichen ökologischen wie ökonomischen Risiken" weiterhin nicht überzeugt. Vor Gericht sei es nur um die Rechtmäßigkeit der Planungen gegangen.
Der Belttunnel soll die deutsche Insel Fehmarn mit der dänischen Insel Lolland verbinden. 2029 soll er fertig sein. Der voraussichtlich 7,1 Milliarden Euro teure Straßen- und Eisenbahntunnel wird rund 18 Kilometer lang. Die Zugfahrt zwischen Hamburg und Kopenhagen wird deutlich kürzer - statt viereinhalb werden nur noch zweieinhalb Stunden benötigt. Bezahlt wird der Bau vom dänischen Staat. Nutzer müssen eine Tunnelmaut zahlen.
Umweltschützer: Gericht ist Sorgen um Ostsee nicht gefolgt
Der Naturschutzbund Nabu hat mit Enttäuschung auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Fehmarnbelttunnel reagiert. „Wir sind erstmal enttäuscht, dass das Gericht unseren Sorgen um den Schutz von Ostsee, von Schweinswalen und von Meeresenten nicht gefolgt ist“, sagte Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger. Bedenken der Naturschützer seien quasi weggewischt worden, so Krüger. Erleichtert ist der Nabu allerdings darüber, dass die Planungen in einem Punkt noch ergänzt werden müssen: bei streng geschützen Riffen im Bereich der Tunneltrasse muss laut Gericht noch nachgebessert werden. Die Tunnelplaner haben bereits ein ergänzendes Verfahren zugesagt.
Der Nabu Schleswig-Holstein zeigte sich ebenfalls enttäuscht vom Ausgang des Gerichtsverfahrens: „Dass das Gericht trotz des notwendigen Planergänzungsverfahrens keine Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses erkennt, bedeutet eine Zäsur in der Rechtsprechung“, sagte Nabu-Geschäftsführer Ingo Ludwichowski.
Nicht von einer Zäsur, aber von einem „Meilenstein“ sprach am Dienstag Verkehrsminister Bernd Buchholz. Das Urteil beweise: „Infrastrukturprojekte dieser Größenordnung können in Deutschland funktionieren.“ So ähnlich klang es auch bei der Firma Femern A/S, dem staatseigenen dänischen Tunnelbauträger. „Das ist ein historischer Meilenstein“, sagte Vorstandschef Claus F. Baunkjær. „Der Bau auf dänischer Seite ist in vollem Gang, auch auf deutscher Seite kann es nun losgehen.“ Für den dänischen Teil des Tunnels liegt seit 2015 eine Baugenehmigung vor. Seit Mitte Juni werden Molen gebaut, die den Arbeitshafen vor Wellen schützen sollen.
Scandlines fordert bessere Anbindung an Fährhafen
Die Reederei Scandlines hat derweil eine bessere Straßenanbindung des Fährhafens in Puttgarden auf Fehmarn gefordert. „Die geplante Anbindung ist für uns nur eine marginale Anpassung und weiterhin eine signifikante Herabstufung im Vergleich zu der aktuellen Anbindung und durchaus zugunsten unseres staatlichen Tunnelkonkurrenten“, sagte Scandlines-Chef Søren Poulsgaard Jensen. Die bisherige Lösung könne das Unternehmen nicht akzeptieren und werde sie örtlich wie in der EU anfechten, sagte Jensen.
Erleichtert zeigte sich die Reederei über die in der mündlichen Urteilsbegründung berücksichtigte Schiffssicherheit. „Ohne die schriftliche Urteilsbegründung gelesen zu haben, freut sich Scandlines besonders darüber, dass das Gericht die Schiffssicherheit berücksichtigt und die Transportschuten, mit denen Aushubmaterial nach Dänemark gebracht werden soll, den Scandlines-Fähren Vorfahrt lassen müssen, um den Fährbetrieb während der Bauphase so wenig wie möglich zu beeinträchtigen.“
Tunnel soll Fahrzeit Hamburg-Kopenhagen verkürzen
Der Absenktunnel soll eine Autobahn sowie eine Eisenbahnstrecke mit neuer ICE-Verbindung zwischen Kopenhagen und Hamburg enthalten. Die Fahrzeit zwischen beiden Metropolen soll sich von 4:30 Stunden (mit Bahn und Fähre) auf 2:30 Stunden reduzieren. Die Bauzeit ist mit sechseinhalb Jahren veranschlagt. Die Dänen finanzieren den Tunnel. Allerdings muss die deutsche Seite den Anschluss garantieren, also eine neue Brücke oder einen Tunnel zwischen dem Festland und Fehmarn bauen (Fehmarnsund).
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Und die Bahnstrecke Richtung Hamburg muss ausgebaut werden. Hier fürchten vor allem Anwohner in Hamburg-Wandsbek mehr Belastung durch Lärm sowie das Abholzen von Bäumen. Auf der Strecke ist auch die S4 geplant, die aus Hamburg ostwärts Richtung Ahrensburg führen soll.
Konkret musste das Bundesverwaltungsgericht in drei Verfahren ein Urteil finden.
Umweltschützer und Fährunternehmen wandten sich gegen den deutschen Planfeststellungsbeschluss zur Querung zwischen Fehmarn und Lolland. Weiterhin reichten ein Bauer und die Stadt Fehmarn Klagen ein (Az. BVerwG 9 A 7.19 u.a.). Die Stadt Fehmarn klagte wegen der Erweiterung der Aufgaben ihrer Feuerwehr auf den Tunnel.
Gegner des Fehmarnbelt-Tunnels zweifelten auch die Verkehrsprognosen für den Auto- und Eisenbahntunnel an und rügten, dass die Umweltauswirkungen, zum Beispiel auf Schweinswale und Riffe in der Ostsee, von den Planern nicht korrekt eingeschätzt worden seien.