Hamburg. Milliardär steigt aus dem Logistikunternehmen VTG nach nur 26 Monaten aus und darf sich über eine ordentliche Rendite freuen.

Wer Klaus-Michael Kühne einen Lokalpatrioten nennt, liegt sicherlich nicht falsch. Sein langjähriges Investment in den HSV kann man mit Blick auf die doch eher dürftigen sportlichen Leistungen der Fußballprofis – inklusive Abstieg in die 2. Bundesliga – durchaus auch als eine „Herzensangelegenheit“ verstehen. So hatte es sogar der frühere HSV-Vorstandschef Heribert Bruchhagen vor rund einem Jahr formuliert. Und als es 2008 darum ging, den Verkauf der Traditionsreederei Hapag-Lloyd an einen Konkurrenten aus Singapur zu verhindern, ließ Kühne sich ebenfalls nicht lange bitten, beteiligte sich mit viel Geld an einem Hamburger Rettungskonsortium. Das primäre Ziel: Hapag-Lloyd sollte am Ballindamm bleiben. Ein Unterfangen, das von Erfolg gekrönt war – übrigens auch geschäftlich. Im Mai 2016 entschied sich Kühne dann erneut für ein Investment in einen Hamburger Konzern. Er erwarb 20,3 Prozent am Logistikunternehmen VTG.

Rein rechnerisch war sein Engagement beim Vermieter von Eisenbahnwaggons damals rund 160 Millionen Euro wert. Am Montag nun wurde bekannt, dass Kühne seinen damals vom amerikanischen Milliardär Wilbur Ross, der heute US-Handelsminister ist, erworbenen VTG-Anteil weiter veräußert – und zwar zurück in Richtung Amerika. Diesmal an eine Tochter der US-Investmentbank Morgan Stanley, die bereits 29 Prozent an VTG besitzt. Der Wert des Pakets heute: Rund 300 Millionen Euro. Denn der Aktienkurs hat sich seit 2016 nahezu verdoppelt. So kann sich Kühne für sein 26-Monats-Investment über eine hohe Rendite freuen.

Ihm ging es vor allem ums Geld

Bereits beim Erwerb der VTG-Anteile 2016 machte Kühne keinen Hehl daraus, dass es ihm diesmal vor allem ums Geld ging. Lokalpatriotische Töne wie beim HSV oder Hapag-Lloyd suchte man damals vergeblich in den Ausführungen des Kühne-Vertrauten Karl Gernandt. Der Milliardär und sein direktes Umfeld zeigten, worauf es ihnen – bei aller Verbundenheit zu Hamburg – auch stets ankommt: auf ein gutes Geschäft. „Die Beteiligung an der VTG passt perfekt in den strategischen Rahmen unseres Portfolios“, hieß es im Mai 2016 deshalb eher nüchtern von Gernandt gegenüber dem Abendblatt. Und weiter: „Wir investieren nicht in Start-ups oder im Private-Equity-Bereich, sondern dort, wo wir das Geschäftsmodell verstehen und eine ernst zu nehmende Rolle im Aktionärskreis spielen können.“

Warum es nun so plötzlich mit der „ernst zu nehmenden Rolle“ bei VTG vorbei ist, dazu gab es am Montag allerdings weder von Gernandt noch von der Pressestelle der Kühne Holding mit Sitz in Schindellegi (Schweiz) eine Stellungnahme. „Wir wollen uns nicht dazu äußern“, sagte eine Sprecherin der Kühne Holding zum Abendblatt. Warum der gebürtige Hamburger sich nun eher im Stile einer Finanz-Heuschrecke nach gut zwei Jahren aus dem Hamburger Konzern verabschiedet? Kein Kommentar!

Freude bei den Amis ist groß

Das Geschäft mit den Amerikanern ist für Kühne lukrativ und simpel zugleich: Der Morgan-Stanley-Fonds kauft der Kühne Holding ihre Anteile für 53 Euro pro Aktie ab. Zudem bieten die Amerikaner auch den restlichen Aktionären den Kauf ihrer Papiere für 53 Euro pro Stück an. Die Folgen dieses weitreichenden Übernahmeangebots waren am Montagvormittag an den Kurstafeln der deutschen Börsen abzulesen. Innerhalb weniger Sekunden schoss der Kurs der VTG-Aktie von rund 48 auf 56 Euro in die Höhe, um sich am Mittag zwischen 54 und 55 Euro einzupendeln. Der Grund ist klar: Die Aktionäre hoffen, dass die Amerikaner womöglich das Kaufangebot nochmals aufstocken, um sich die Mehrheit an dem 1951 in Hamburg gegründeten Schienenlogistiker (eine Milliarde Euro Umsatz, 80.000 Eisenbahnwaggons, 1500 Mitarbeiter weltweit) zu sichern.

Allzu kompliziert dürfte das ohnehin nicht werden. Denn zusammen mit den 20,3 Prozent von Kühne verfügen die US-Amerikaner bereits über 49,3 Prozent. Der Schritt über die 50-Prozent-Schwelle ist folglich nur noch ein kleiner. Und am angekündigten Verkauf Kühnes für 53 Euro kann es keinen Zweifel mehr geben. Schließlich hat der Milliardär bereits „eine unwiderrufliche Andienungsvereinbarung (Irrevocable Undertaking)“ unterzeichnet, wie es in der Mitteilung des US-Fonds hieß.

Bei den Amerikanern ist die Freude über die Möglichkeit, das eigene Investment auszuweiten, groß. „Wir sind schon länger an VTG beteiligt und das Unternehmen hat sich sehr gut entwickelt“, sagte ein Sprecher von Morgan Stanley Infrastructure Partners dem Abendblatt. Öffentliche Bedenken gegen das Engagement einer doch eher an kurzfristigen Renditen interessierten Investmentbank, wies der Sprecher zurück. „Wir sind ein erfahrener Infrastrukturinvestor, der langfristig denkt und agiert.“ Auch an örtliche oder personelle Veränderungen im Spitzenmanagement des Schienenlogistikers sei nicht gedacht. „Wir bekennen uns klar zum Standort Hamburg und wollen mit dem aktuellen, sehr erfolgreichen Management bei VTG weitermachen.“

Genau dieses Management reagierte erst gegen 17 Uhr mit einer Pressemitteilung auf den Anteilswechsel und die Kaufofferte der Amerikaner. „Das angekündigte Übernahmeangebot ist nicht mit der Gesellschaft abgestimmt“, hieß es dort vom Vorstand mit seinem Vorsitzenden Heiko Fischer. Die Offerte entspreche nicht dem „fundamentalen Wert“ von VTG. Der Vorstand werde den Aktionären die Annahme eines Angebotes zu einem Preis von 53 Euro nicht empfehlen. Auch Klaus-Michael Kühne dürfte die Zeilen gelesen haben, allerdings nur noch mit geringem Interesse. Denn er hat sich gegenüber den Amerikanern schließlich zum Verkauf verpflichtet – für 53 Euro je Aktie.