Hamburg. Der Nachwuchs zeigte sich deutlich vielschichtiger als zuletzt. Stücke überzeugten durch ihre künstlerische Eigenständigkeit.

Was Bayern München für den Fußball ist, ist Gießen für den Theaternachwuchs. Der Preis des Körber Studio Junge Regie jedenfalls bleibt in Gießen. Arthur Romanowski konnte sich den Produktionskostenzuschuss in Höhe von 10.000 Euro am Sonntagabend im Thalia in der Gaußstraße für „Irgendwas für irgendwen an irgendeinem Tag im Juni“ sichern – und Romanowski studiert ebenso wie Vorjahressiegerin Caroline Creutzburg am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften in der mittelhessischen Stadt. Weitere Parallelen: Sowohl Creutzburg als auch Roma­nowski performen in selbst inszenierten Solostücken. Beide Stücke sind freie Arbeiten. Und beide Stücke überzeugten durch ihre künstlerische Eigenständigkeit – was im Gegenzug allerdings heißt, dass sie es im Stadttheaterapparat schwer haben dürften.

Die Jury, die dieses Jahr aus Schauspielhaus-Dramaturg Christian Tschirner, der Kritikerin Esther Boldt, der Saarbrücker Schauspieldirektorin Bettina Brunnier, dem Wiesbadener Kurator Martin Hammer und dem künstlerischen Leiter des Wiener Schauspielhauses, Tomas Schweigen, bestand, entschied sich also bewusst für widerständiges, schwer kategorisierbares Theater, das seine eigenen Mittel mehrfach um die Ecke denkt. „Ein toller Performer“, lobte Schweigen die Produktion, „unglaubliche Präsenz, Leichtigkeit, Charme, ein Feuerwerk von Einfällen“. Und Tschirner sekundierte: „Ganz großes Drama eines Postdramatikers!“ Aber Vorsicht: „Vielleicht geht es hier nicht nur um ein Problem von Arthur Romanowski, sondern um ein Pro­blem der Gesellschaft: das Gefühl, dass man etwas machen müsste?“, fragte Schweigen.

Vielschichtiger als in den Vorjahren

„Das Gefühl, das man etwas machen müsste“ konnte man zumindest inhaltlich als übergeordnetes Thema dieses Festivals sehen. Entweder politisch, woran zum Beispiel die trägen Hipster in Timon Jansens „Sommergäste“ (Zürcher Hochschule der Künste) wunderschön scheiterten, oder aber, man erstarrt angesichts der Apokalypse, wie in Mira Stadlers „Alles muss glänzen“ (Max Reinhardt Seminar Wien). Ästhetisch aber war dieses Körber Studio Junge Regie deutlich vielschichtiger als in den Vorjahren – von glattem Staatstheatermaterial über klassisches Schauspielertheater bis zu installativen Arbeiten und Tanz-Beatboxing-Opern-Crossover war alles dabei. „Ein guter Jahrgang“, wie es Juryvorsitzende Catarina Felixmüller ausdrückte.

Ein guter Jahrgang, in dem sich die Omnipräsenz postdramatischer Formen langsam aber sicher verfestigte – Gießen und das ähnlich arbeitende Institut in Hildesheim geben beim Körber Studio mittlerweile den Ton an. Immerhin, einen kleinen Trost gab es auch für Hamburg: Der undotierte Publikumspreis ging an Konrad Wolfs Recherche zu Sexualität und Behinderung „Objektiviert uns!“, eine Koproduktion zwischen Salzburger Mozarteum und dem inklusiven Hamburger Klabauter Theater.