Hamburg. Viele Fahrradfahrer verunglücken auf benutzungspflichtigen Radwegen. Schwerpunkt sind ganz bestimmte Straßen.
Enge Bebauung, viel Verkehr: Nirgendwo in Hamburg ist es für Radfahrer so gefährlich wie in Winterhude und Eimsbüttel. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Dennis Thering hervorgeht, erfasste die Polizei in den beliebten Stadtteilen auch 2018 wieder die meisten Verkehrsunfälle mit Radfahrern – in Winterhude waren es 150, in Eimsbüttel 130. Im Vorjahr lag Eimsbüttel noch vor Winterhude. Beide Viertel gelten als Fahrradhochburgen.
Der Unfallatlas des Statistischen Bundesamts (aktuellste Erhebung 2017) zeigt zudem, wo sich Unfälle häufen: in Eimsbüttel etwa am Doormannsweg und am Eppendorfer Weg, in Winterhude an der Barmbeker Straße. Auf dem dritten Platz liegt Rahlstedt (103 Unfälle), mit rund 92.000 Einwohnern der bevölkerungsreichste Stadtteil. Es folgen: Neustadt (99), Bahrenfeld (96), Altona-Altstadt (89), Bramfeld (87), St. Georg (83), Barmbek-Süd (81) und St. Pauli (79).
Deutliche Zunahme an Unfällen
Während in Stadtteilen wie St. Pauli die Zahl der Unfälle spürbar zurückging (minus 14,1 Prozent), verzeichnete die Polizei in anderen Vierteln eine deutliche Zunahme – in Barmbek-Süd etwa um fast 50 Prozent. Unter den sieben Hamburger Bezirken hatten Wandsbek und Harburg mit jeweils mehr als 15 Prozent die höchsten Zuwachsraten.
Auffällig: Während die Zahl aller Verkehrsunfälle 2018 leicht sank – um 0,5 Prozent auf 67.537 –, stieg die Zahl der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt waren, auf 3393 – eine Zunahme um acht Prozent. Hauptverursacher waren in den meisten Fällen (1608) die Autofahrer, gefolgt von den Radlern selbst (1395). Wie in den Vorjahren gingen die mit Abstand meisten Unfälle auf Fehler beim Abbiegen zurück. Die Zahl der verletzten Radler stieg um 8,9 Prozent auf 2523 – es ist der höchste Wert seit mindestens 20 Jahren. 215 Radfahrer wurden schwer verletzt. Zwei kamen ums Leben.
Grund sei der Supersommer
Der Senat führt die Steigerung bei den Unfallzahlen auf die Zunahme des Radverkehrs allgemein und den Supersommer im Besonderen zurück. So wurden bei den Fahrradpegel-Messungen im Vorjahr 23 Prozent mehr Radler erfasst als 2017. CDU-Verkehrsexperte Thering bezeichnete den Anstieg gegenüber dem Abendblatt als „besorgniserregend“. Er zeige auch, „dass der Bau von Radstreifen alleine keine Lösung ist“.
Als Innensenator Andy Grote (SPD) kürzlich die Verkehrsbilanz 2018 vorstellte, wollte er eine positive Botschaft senden: Die Gesamtzahl der Unfälle sei rückläufig, das Risiko, bei einem Verkehrsunfall verletzt zu werden, in Relation zur (wachsenden) Bevölkerung niedrig. Auch die Zahl der Verunglückten stieg mit 1,3 Prozent nur moderat.
Doch der positive Trend spiegelt sich bei den Radfahrern nicht wider – in keinem anderen Bereich fielen die Zuwächse höher aus als bei den Radunfällen. Exakt 3393 Fälle erfasste die Polizei – ein Plus von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch dramatischer stieg die Zahl der verunglückten Radler: 2525 kamen zu Schaden, 207 oder 8,9 Prozent mehr als 2017. Es ist der höchste gemessene Wert seit mindestens 20 Jahren.
Gefährliche Radwege
Die meisten Unfälle ereigneten sich 2018 demnach auf (benutzungspflichtigen) Radwegen neben oder auf der Straße, wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des CDU-Verkehrsexperten Dennis Thering hervorgeht. In absoluten Zahlen führt hier der Bezirk Nord (676 Unfälle) mit dem unfallträchtigsten Stadtteil Winterhude, gefolgt vom Bezirk Mitte (648), wo mit St. Georg, St. Pauli und Neustadt gleich drei Quartiere mit hohen Zahlen an Radunfällen in Hamburg liegen.
Auf Platz drei liegt Wandsbek, hier schoss 2018 die Zahl von 532 auf 614 Unfälle hoch – eine Zunahme von 15,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Es folgen: Eimsbüttel (588), Altona (570), Harburg (153) und Bergedorf (144). In allen Bezirken – bis auf Bergedorf (minus 1,4 Prozent) – gab es zwischen rund vier und 16 Prozent mehr Radunfälle.
Unfall beim Abbiegen
„Durch den lang anhaltenden Sommer waren viel mehr Radfahrer als im Vorjahr in Hamburg unterwegs“, erklärt Polizeisprecherin Evi Theodoridou den Anstieg. So seien bei den Fahrradpegel-Messungen an den 38 Messstationen 23 Prozent mehr Radler registriert worden als 2017. Überhaupt sieht Hamburg seine Zukunft wie kaum eine andere deutsche Stadt auf zwei Rädern, schon jetzt gibt es hier knapp 1,64 Millionen Fahrräder. Und: Rot-Grün will den Anteil des Radverkehrs von aktuell 15 auf 25 Prozent steigern und bis 2020 ein 280 Kilometer langes Veloroutennetz fertigstellen.
2523 Radfahrer wurden im Vorjahr verletzt – meist durch Autofahrer, häufig durch Fehler beim Abbiegen. Die Zahl der Leichtverletzten stieg deutlich, die der Schwerverletzten ging von 219 auf 215 leicht zurück. Nach Einschätzung der Polizei liegt das auch daran, dass Radfahrer im Verkehr „sichtbarer auftreten“, sich besser schützen – etwa mit Helmen oder Leuchtwesten.
Durch belastbare Zahlen lasse sich dies jedoch nicht belegen, sagt Dirk Lau vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) in Hamburg: „Die Polizei wäre besser beraten mitzuhelfen, den Autoverkehr deutlich stärker zu kontrollieren.“ Dabei gab es im Vorjahr bereits 51 Verkehrsgroßkontrollen, acht mehr als 2017, außerdem 1012 Rotlichtkontrollen (2017: 878).
Tempo 30 nötig
Für Lau führt an einer Reduktion des Autoverkehrs in der Stadt ohnehin kein Weg vorbei. Eine sicherere Infrastruktur für Radler ließe sich etwa durch mehr Tempo 30, mehr Fahrradstraßen, konsequentes Abschleppen falsch geparkter Autos und den Ausbau des Umweltverbunds bewerkstelligen. Damit Radfahrer im Verkehr nicht übersehen werden, müsse die Stadt an den Einmündungen Fahrradbügel und auf den Hauptstraßen breite Radfahrstreifen schaffen. Tatsächlich seien sie häufig viel zu schmal gebaut, sagt CDU-Mann Thering. „Wo es möglich ist, setzen wir uns für gut ausgebaute und gesicherte Radwege neben der Straße ein“, so Thering.
Grünen-Verkehrsexperte Martin Bill verweist auf die zahlreichen neuen Blitzer im Kampf gegen Temposünder. Um das „raue Klima“ im Verkehr zu entschärfen, setze Rot-Grün auf repressive und präventive Maßnahmen wie die gerade gestartete Kampagne „Hamburg gibt Acht“.
Einigkeit herrscht indes bei der Forderung nach Abbiegeassistenten für Neu- und Altlaster. Im Mai war eine junge Mutter an der Osterstraße von einem abbiegenden Laster überrollt worden. Vielleicht hätte mit so einem System einer der zwei tödlichen Radunfälle im Vorjahr verhindert werden können.