Hamburg. Juristen diskutierten bei einem Symposium, zu dem die Opferschutzorganisation Weisser Ring geladen hatte.
„Opferrechte im Strafverfahren – das Opfer als Störenfried?“ Unter dieser provokanten Überschrift diskutierten am Montag Juristen bei einem Symposium, zu dem die Opferschutzorganisation Weisser Ring geladen hatte. „Traumatische Ohnmacht und Hilflosigkeit“ seien „die schwersten Eingriffe, die Opfer empfinden“, sagte der Bundesvorsitzende des Weissen Rings, Jörg Ziercke. Das Opfer dürfe „nicht zum bloßen Objekt des Strafverfahrens gemacht werden“. Starke Opferrechte änderten nichts an den Beschuldigtenrechten. Heinz Schöch, Vorsitzender des Fachbeirats Strafrecht, meinte, das Opfer sei „kein Störenfried, sondern seine Beteiligung ist wesentlicher Bestandteil zur Beweiserhebung und zur Findung eines richtigen Ergebnisses“.
Hamburgs Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich betonte, Aufgabe der Staatsanwaltschaft sei es, an der „Suche nach der Wahrheit und an einer gerechten Urteilsfindung mitzuwirken. Nichts anderes.“ Er habe „Zweifel“, so Fröhlich, ob es richtig sei, auch dem Opfer umfassende Beteiligungsrechte einzuräumen. So gebe es im Einzelfall Prozesse, die „aus dem Ruder laufen“, weil zahllose Opfer ihre Leidensgeschichte erzählten, dies aber teilweise nichts zur Wahrheitsfindung beitrage. Zudem bestehe, wenn den mutmaßlichen Opfern Akteneinsicht gewährt werde, „das Risiko präparierter Zeugen und drohender Beweismittelverlust“.
Rechtsanwältin spricht von „eklatantem Problem“
Rechtsanwältin Claudia Krüger sagte, es gebe für Anwälte von Opfern ein „eklatantes Problem“ bereits bei der Absprache von Hauptverhandlungsterminen. Es müsse in der Strafprozessordnung eine Gleichstellung von notwendiger Verteidigung und notwendigem Beistand des Nebenklägers verankert werden, forderte Krüger. Dass in manchen Prozessen der Nebenklage die Akteneinsicht verwehrt wird, nannte die Anwältin „einen unerträglichen Zustand“, weil so dem Rechtsbeistand die Möglichkeit genommen werde, die Opfer-Interessen von Anbeginn ordentlich zu vertreten.
Opferrechten könne das Strafverfahren „nicht gerecht werden“, meinte dagegen Strafverteidiger Jes Meyer-Lohkamp. Es müsse erst geklärt werden, ob die Zeugen tatsächlich Opfer einer Tat geworden sind. „So gesehen stellen Opferrechte die Unschuldsvermutung infrage. Um Opfern gerecht zu werden, müsste ein eigenes Verwaltungsverfahren außerhalb des Strafverfahrens geschaffen werden.“
Marc Wenske, Richter am Bundesgerichtshof, sagte, das Opfer habe „durch die Opferschutzgesetzgebung alle notwendigen Rechte. Meines Erachtens ist der Gesetzgeber in Teilen seiner Gesetzgebung über das Ziel sogar hinausgeschossen, etwa wenn man sich die Verfahren NSU oder Love Parade anschaut“. Hier gebe es eine „kaum noch handhabbare Vielzahl von Rechtsbeiständen für die Opfer“.