Hamburg. Mit Technik, die das Fahrverhalten analysiert, können Kunden ihre Versicherungsprämien reduzieren. Ein Vorreiter kommt aus Hamburg.

Der Fahrlehrer ist zurück, auch wenn die Prüfung schon bestanden wurde. Wer sich in der Kfz-Versicherung künftig mit Telematik-Tarifen anfreunden will, kann dieses Gefühl schnell bekommen. Der Versicherungsbeitrag richtet sich bei diesen Tarifen nach der eigenen Fahrweise. Zwar sitzt der Fahrlehrer nicht mehr auf dem Beifahrersitz, aber das Gefühl der Kontrolle vermittelt ein kleines Bauteil, das im Auto installiert wird und Kriterien wie Geschwindigkeit oder Bremsverhalten erfasst. Werden bestimmte Werte erreicht, gibt es einen Rabatt von bis zu 40 Prozent auf den Versicherungsbeitrag. Nachzahlungen wegen besonders schlechten Fahrstils sind aber ausgeschlossen. Die ersten jetzt in den Markt kommenden Angebote richten sich vor allem an junge Fahrer. „Sie müssen im Schnitt 73 Prozent mehr für die Versicherung ihres Fahrzeuges bezahlen“, sagt Eva Kollmann vom Vergleichsportal Check24. „In der Spitze sogar 145 Prozent.“

Bei der Hamburger Signal-Iduna können den neuen AppDrive-Tarif bis 30 Jahre alte Fahrer nutzen. „Zusammen mit dem Navigationsspezialisten TomTom haben wir einen Stecker entwickelt, der das Fahrverhalten dokumentiert und analysiert“, sagt Signal-Iduna-Sprecher Edzard Bennmann. Das Bauteil kann selbst am Diagnosestecker des Fahrzeuges montiert werden, und es verbindet sich via Bluetooth mit der App, die auf dem Smartphone installiert wird. Um die junge Zielgruppe auch zu erreichen, wird das Tarifpaket über sijox angeboten, die junge Marke der Signal Iduna.

Auch Konkurrent Axa hat junge Kunden im Blick, aber ein etwas anderes Produkt entwickelt. Es kommt ohne zusätzliche Bauteile aus, benötigt nur eine App auf dem Smartphone, die automatisch erkennt, wenn das Fahrzeug startet. „Wir planen, den Tarif ­DriveCheck noch bis zum Jahresende einzuführen“, sagt Anja Kroll von Axa. Das Angebot richtet sich an Fahrer bis 25 Jahre, die dadurch bis zu 15 Prozent des Beitrags sparen können.

Es ist eher eine Light-Version unter den bisherigen Telematik-Tarifen, denn das Fahrverhalten wie Beschleunigung, Bremsen, Kurvenfahren und Geschwindigkeit wird nur über 600 Kilometer und anhand von mindestens 40 Einzelfahrten überwacht. „Wir sehen das als ­ausreichend an, um den Fahrstil des Kunden beurteilen und für ihn einen Score-Wert zwischen 0 und 100 (hervorragend) ermitteln zu können“, sagt Kroll. Eine Wiederholung dieser Überprüfung sei zunächst nicht vorgesehen.

Die VHV-Versicherungen bieten ihren Telematik-Tarif allen Kunden an. Die Telematik-Box wird in den Zigarettenanzünder gesteckt und ist ebenfalls mit einer App vernetzt. Kunden können sich bis zu 30 Prozent Rabatt erfahren. „Den Rabatt für den ersten Jahresbeitrag ermitteln wir aus den ersten 25 Stunden Fahrtzeit“, sagt Nils Dettmann von der VHV. Danach werde der Rabatt für das jeweilige Folgejahr immer aus den durchschnittlichen Bewertungen eines Vorjahres festgestellt. Die VHV haben zunächst 10.000 Boxen bestellt und setzt damit auf eine hohe Nachfrage. Für die Nutzung müssen die Kunden allerdings 6,99 Euro im Monat bezahlen, was die mögliche Einsparung reduziert. Bei den anderen Tarifen müssen die Kunden bedenken, dass durch die Datenübermittlung der App zusätzliche Kosten entstehen können.

Andere große Versicherer halten sich noch zurück. In Märkten wie den USA oder Italien, wo die Tarife schon länger angeboten werden, liegt der Anteil der Nutzer bei zehn Prozent. Die Allianz will erst im nächsten Jahr einen Telematiktarif anbieten. „Insbesondere bei jungen Autofahrern sehen wir eine Zielgruppe, die durch sicherheitsbewusstes Fahren ihre zu zahlenden Prämien reduzieren will“, sagt Alexander Vollert, Vorsitzender des Vorstands der Allianz Versicherungs-AG. Auch die HUK-Coburg und die Itzehoer Versicherungen testen solche Tarife. Experten rechnen damit, dass die HUK folgen wird, wenn die Allianz im nächsten Jahr startet.

Beide Anbieter zusammen haben 18 Millionen Autoversicherungskunden und können den Markt in diesem Bereich dann so richtig in Schwung bringen. „Wir gehen davon aus, dass wir künftig ein Nebeneinander von Telematik- und klassischen-Kfz-Tarifen auf dem deutschen Markt sehen werden“, sagt Vollert. Als erster Versicherer hatte die Sparkassen-Direkt-Versicherung einen Telematik-Tarif eingeführt. Ihre Überwachungsboxen werden fest im Auto installiert, und die Ersparnis liegt bei maximal fünf Prozent.

Im hart umkämpften Markt für Kfz-Versicherungen versprechen sich die Anbieter auch Wettbewerbsvorteile, weil sie den überwachten Fahrern günstigere Tarife anbieten können. Aus Sicht der Versicherer seien möglichst passgenaue Tarife, die das spezifische Schadenrisiko des Kunden abbilden, die ideale Welt, sagt der Versicherungsexperte Werner Rapberger von der Unternehmensberatung Accenture. „Was sie aber sicher nicht wollen, ist, die Prämien insgesamt zu senken.“ Die Kunden sind für die neue Tarifwelt aufgeschlossen: Nach einer repräsentativen Umfrage des TÜV Rheinland würde sich fast die Hälfte (49 Prozent) der Befragten entsprechende Technik ins Auto einbauen lassen, wenn sich damit ihre Versicherungsprämie verringern ließe.

Bei der Signal Iduna führt bereits der Abschluss von AppDrive zu einer Prämienersparnis von 15 Prozent. Weitere 25 Prozent können durch umsichtiges Fahren eingespart werden. „Wie hoch die Ersparnis genau ausfällt, zeigt die App mittels eines Score-Wertes an“, sagt Bennmann. Dazu kommen Tipps, wie das Fahrverhalten weiter optimiert werden kann. „Wer möchte, kann seinen Score über Facebook auch mit Freunden teilen“, sagt Bennmann.

Junge Fahrer werden einen solchen Datenaustausch eher cool finden, die Verbraucherschützer sind dagegen alarmiert. „Wir halten solche Tarife wegen der damit gesammelten Daten für bedenklich“, sagt Kerstin Becker-Ei­selen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Es bestehe die Gefahr, dass klassische Tarife dann teurer werden, wenn überwachungsresistenten Fahrern eine riskantere Fahrweise unterstellt werde.

Die Versicherer verweisen auf einen strengen Datenschutz. „Wir haben auf einen GPS-Sender verzichtet, sodass keine Fahrstrecken erfasst werden“, sagt Bennmann von Signal Iduna. GPS gibt es zwar bei der VHV. „Aber die individuellen Daten stehen nur dem Versicherten zur Verfügung“, sagt VHV-Sprecher Dettmann. „Wir erhalten von einem zertifizierten Dienstleister lediglich einen neutralen Durchschnittswert.“

Verbraucherschützerin Becker-Eiselen hat noch einen anderen Tipp: „Sparen lässt sich auch ohne Überwachung durch einen einfachen Anbietervergleich im Internet.“ In der Regel kann die bestehende Kfz-Versicherung noch bis zum 30. November gekündigt werden, wenn man einen günstigeren Anbieter gefunden hat. Die so realisierte Einsparung ist auf alle Fälle sicher. Ganz unabhängig vom Fahrverhalten.