Hamburg. Die Schauspielerin will sich eigentlich nicht an der MeToo-Debatte beteiligen. Dabei hat sie einiges beizutragen.

Bettina von Arnim, ­geborene Brentano, war „eine, die immer gegen den Strom geschwommen ist“, eine „Rebellin“, die „immer die Freiheit“ wollte. In der gemeinsamen musikalischen Lesung „In einem Weltmeer von Harmonie“ mit dem Pianisten Sebastian Knauer stellt nun die Schauspielerin Hannelore Elsner am Thalia Theater die Frau vor, die den Komponisten Beethoven verehrte, die Autorin und siebenfache Mutter war – und eine „Kämpferin für die Rechte der Frauen“. Grund genug mit Hannelore Elsner über eben dieses sehr aktuelle Thema zu sprechen.

Die Lesung

Im Moment gibt es ja eine neue Debatte über die Rechte der Frauen …

Hannelore Elsner: Es geht hier ja oft gar nicht um die Rechte der Frauen! Ich will dazu eigentlich gar nichts sagen, ich finde die ganze #MeToo-Debatte einfach heuchlerisch, also: die Berichterstattung darüber. Es fängt schon damit an, dass ich dagegen bin, dass die Frauen sich wieder hinstellen sollen und das alles über sich ergehen lassen müssen. Dass man wieder sagen kann: Naja, Filmgeschäft, die werden schon auch ein bisschen …

Sie haben in Ihrer Biografie geschrieben: „Wir jungen Frauen waren umgeben von diesen Papa-Männern, diesen väterlichen Vergewaltigern. Von solchen Männern mussten wir uns damals befreien.“ Wie war das damals?

Elsner: Wie sie da rumgelaufen sind, diese ­Machos mit ihren Bärten und ihren Pfeifen im Gesicht, obwohl sie vielleicht erst 30 waren. Ich musste immer lachen, ganz ehrlich. Ich fühlte mich absolut frei geboren und absolut emanzipiert – schon als ich noch gar nicht wusste, was das ist. Ich glaube, es war nur eine ganz schmale Zeit, in der Frauen so fühlen konnten. Mein oberstes Gebot war: Niemals abhängig sein, ­nie-mals! Ich war nach außen nicht sehr kämpferisch, aber ich hab mich nach innen immer durchgekämpft, ­immer meinen Stolz und meine Würde behalten, egal in welcher Situation ich war, das hab ich wahrscheinlich von meiner bayrischen Oma. Natürlich könnte ich einiges zu dieser ganzen Debatte sagen.

Weil es oft Situationen gab, in denen Sie sagen mussten: Mit mir nicht?

Elsner: Natürlich, was glauben Sie, wie oft ich das gesagt habe! Nicht übertrieben, aber klar. Ich hab halt gesagt: nein ­danke.

So einfach?

Elsner: In meinem Fall: Ja. Wissen Sie, warum Frauen so oft nichts erzählen? Weil ­jeder Satz verfälscht und zurechtgebogen wird. Weil die Frauen sich nicht geschützt fühlen, wenn sie sich bekennen, wenn sie sagen: Ich auch. Mir geht es so auf die Nerven, wie das jetzt hochgepuscht wird. Es wird zu so einem glamourösen Schmuddelding gemacht. Es ist ein sehr ernstes Thema, wird aber nicht ernst genug ­genommen. Es geht hier doch um schwere Übergriffe! Aber ich kann es auch nicht wirklich beurteilen, ich war nie gefährdet. Ich hab halt Nein gesagt und so eine blöde Rolle dann eben vielleicht auch nicht gekriegt, das war mir doch egal.

Muss man sich als Frau nur dagegen entscheiden – und dann passiert nichts ...?

Elsner: Ja, gegen eine Besetzungscouch kann man sich entscheiden. Aber gegen ­Vergewaltigung und Misshandlung eben nicht. Es geht hier doch um die schlimmste Verletzung der Menschenwürde. Um die Missachtung von ­Frauen, um Machtmissbrauch. Durch die merkwürdige Debatte wird vieles verwässert und verharmlost und in die schlüpfrige Filmecke gestellt. Dabei wollen wir uns doch befreien und über Grenzen gehen, oder? Aber das hat nun gar nichts mit #MeToo ­zu tun. Davon ist da ja gar nicht die Rede.

Die Rede ist eher von Frauen, die mächtigen Männern ausgeliefert waren oder sind, gegen ihren Willen.

Elsner: Das alles ist ein gesellschaftliches Problem. Es gibt einfach keine ­Achtung untereinander. Ich weiß nicht, ob das mit Trump wieder angefangen hat, mit seiner ekelhaften Ausdrucksweise. Man will ja gar nicht mehr hinschauen, es ist so obszön, das Ganze. Ehrlich gesagt, wenn mich ­jemand gefragt hätte, ich hätte die Frauen gewarnt, den Finger zu heben. Jetzt stehen sie im Scheinwerferlicht – ­warum stehen nicht die Männer am Pranger?

Jemand wie Harvey Weinstein steht ja jetzt am Pranger. Würden die Frauen sich nicht melden, wäre das nicht so.

Elsner: Das stimmt. Aber man schämt sich, wenn man so etwas erlebt hat. Es reißt immer wieder neue Wunden auf. Diese Gewalt, die in manchen Männern ist, die muss man sich mal ganz genau ­anschauen. Die Ausbeuter sind ja meistens Männer. Die gefährden die ganze Welt – und es tut mir weh, wenn ich das sage. Ich finde es furchtbar! In meiner Umgebung kenne ich solche Männer zum Glück nicht. Es sind fast alles Freunde, Gefährten, Komplizen. Und natürlich habe ich auch gelesen, dass Frauen meiner Generation dazu neigen zu sagen: Na, wenn schon. Das sage ich nicht! Übergriffe müssen ­bestraft und offengelegt werden. ­(Pause.) Jetzt bin ich doch in diese blöde ­Debatte reingerutscht.