Hamburg. Gleichzeitig sank im Vorjahr die Zahl der (extremistischen) Gewaltdelikte deutlich. Warum Täter kein Unrechtsbewusstsein entwickeln.
Ende 2019 erschütterte ein hinterhältiger Anschlag auf Innensenator Andy Grote (SPD) das bürgerliche Hamburg: Grote war am 13. Dezember mit seinem Dienst-BMW auf dem Weg ins Büro, im Fonds sein zwei Jahre alter Sohn, als auf St. Pauli drei Maskierte Steine und Farbbeutel auf die teilgepanzerte Limousine warfen. Die Geschosse schlugen Dellen ins Blech, alle Insassen blieben unverletzt. Kurz darauf bekannte sich eine linksradikale Gruppierung zu der (bis heute nicht aufgeklärten) Tat – nur eine von fast 1400 Straftaten aus dem Phänomenbereich „politisch motivierte Kriminalität“ (PMK) im Vorjahr.
Die schlechte Nachricht zuerst: Die Zahl derartiger Ideologie-Straftaten steigt – von „links“, wie von „rechts“, wie „insgesamt“. Wie aus der Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage des Hamburger CDU-Innenexperten Dennis Gladiator hervorgeht, gab es 2019 rund 24 Prozent mehr politisch motivierte Straftaten, die dem linken Spektrum zugeordnet werden, die absolute Zahl stieg von 396 in 2018 auf 493 in 2019. Bei der „rechten“ Kriminalität verzeichnete der Senat einen Zuwachs von 31 auf 453 Taten, bei 43 davon handelt es sich um Gewaltdelikte (plus 13). 25 Gewalttaten waren rechtsextremistisch motiviert – ein Zuwachs von 127 Prozent gegenüber dem Jahr davor. Im Bereich „links“ erfassten die Behörden indes 33 Gewaltdelikte.
Eine gute Nachricht
Die gute Nachricht: Die Zahl solcher Taten, die sich mitunter gegen Menschen richten, ist gesunken. Deutlich. 2019 gab es mit 143 politisch motivierten Gewaltdelikten 37 weniger als im Jahr davor – ein Rückgang um 20,6 Prozent. Bei den extremistischen Gewaltdelikten (47 Taten) war es sogar ein Minus von 36 Prozent. Doch die Gesamtzahl der PMK-Straftaten stieg von 1206 auf 1367 – ein Zuwachs von 13 Prozent. 85 Fälle konnten allerdings keinem Spektrum zugeordnet werden. Im Bereich „ausländische Ideologie“ verzeichneten die Ermittler einen Rückgang um 19 auf 122 Taten.
Maskierte Täter greifen Innensenator Grote im Auto an:
Auch die Zahl der religiös motivierten Taten sank. 2018 waren es 58, 2019 nur noch 25. Zurück ging auch die ohnehin niedrige Aufklärungsquote – sie fiel von 36,8 Prozent auf 32,6 Prozent. Deutlich besser fällt die Bilanz bei den Gewaltdelikten aus, hier konnten die Ermittler fast die Hälfte der Fälle aufklären. Problematisch für Gladiator: „, da sie glauben, politische Ziele zu verfolgen und dies – völlig zu Unrecht – als Rechtfertigung betrachten.“
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Um die Aktivitäten der rechtsextremistischen Szene im Internet besser verfolgen zu können, hat Grote den Hamburger Verfassungsschutz (LfV) bereits personell aufgerüstet. Im Internet herumirrlichternde Verschwörungstheorien und Hassbotschaften bildeten vermutlich den Nährboden für das tödliche Attentat auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sowie die Anschläge von Halle und Hanau. Oder wie der Senat schreibt: „Die ersten Erfahrungen aus der Arbeit des LfV bestätigen die Bedeutung des Internets und der sozialen Medien für den Austausch und die Agitation der rechtsextremistischen Szene.“