Hamburg. Elf Säuglinge haben sich offenbar angesteckt. Die Klinik sieht sie aber nicht in Gefahr. Alle Richtlinien seien eingehalten worden.

Für junge Eltern ist es ein Albtraum: Kaum ist ihr Kind geboren, muss es von Hightech-Geräten und Ärzten in grüner Schutzkleidung umgeben auf der Intensivstation eines Krankenhauses ins Leben begleitet werden. Frühchen, die deutlich vor dem Ende von neun Monaten Schwangerschaft auf die Welt kommen, brauchen eine besondere medizinische Versorgung. Und einige dieser schutzbedürftigen Neugeborenen sind in Hamburg einem weiteren Risiko ausgesetzt gewesen.

Im Altonaer Kinderkrankenhaus haben sich mehrere Babys mit Keimen infiziert. Nach Abendblatt-Informationen sind es derzeit insgesamt elf, davon sechs auf der Intensivstation.

Eine besorgte Mutter sagte dem Abendblatt, bei ihren Kindern, die Frühchen seien und Anfang Oktober per Notkaiserschnitt auf die Welt kamen, habe man eine Keimbesiedlung festgestellt. Bei und direkt nach der Geburt waren die Kinder den Umständen entsprechend stabil. Von einem „sehr guten Zustand“ für Frühchen sprachen die Pflegerinnen.

Die Eltern seien in großer Sorge, seit ihnen gesagt worden sei, dass die Keime von einem Kind ausgegangen und auf mehrere andere übertragen worden seien. „Wie kann so etwas in einer besonders betreuten Station passieren?“, fragt die frischgebackene Mutter S. Auf sie hätten die Pflegerinnen überfordert gewirkt. Sie hätten in kürzester Zeit mehrere Kinder gewickelt. Ihre Vermutung: Hygiene-Standards seien nicht eingehalten worden.

Krankenhaus: Alle Hygiene-Richtlinien werden eingehalten

Dem widerspricht das Altonaer Kinderkrankenhaus. Im Abendblatt-Gespräch sagte der Ärztliche Direktor Prof. Ralf Stücker, man könne nicht von einem gefährlichen Krankenhauskeim reden. Es seien unter anderem Klebsiella pneumoniae, Bakterien, die praktisch überall vorkämen. Den betroffenen Kindern gehe es gut. Nach drei bis vier Wochen habe man durch die Hygienemaßnahmen die Besiedlungen mit den Keimen im Griff, und die Kinder könnten entlassen werden. Weitere Ansteckungen gebe es nicht.

Im Übrigen untersuche das Kinderkrankenhaus Altona seine Patienten anders als andere Häuser auch auf nicht multiresistente Keime. Erst dadurch seien diese Keime überhaupt aufgefallen. Alle Hygiene-Richtlinien des Robert-Koch-Instituts würden eingehalten. Auf den Stationen habe es auch keine Unterbesetzungen gegeben.

Eine der betroffenen Mütter sagte, eine Ärztin habe ihr eine Woche nach der Geburt mitgeteilt, dass ihre Kinder mit einem Keim besiedelt seien. Ein weiteres Kind, das mit ihnen in einem Raum lag, sei die Infektionsquelle. „Warum isoliert man nicht dieses Kind, wenn man das wusste?“, habe sie die Ärztin gefragt. Das sei auch normal, habe diese geantwortet. Geschehen sei das dennoch nicht.

Ein Arzt habe den Eltern gegenüber später den Fehler eingeräumt. „Die bekämen den Keim einfach nicht weg, hat er gesagt.“ Die Mutter weiter: „Wir können einfach nicht verstehen, warum man Frühchen dieser Belastung aussetzt.“ Sie sprach von einem Chaos. Der Oberarzt habe ihr aber versichert, man könne eine mögliche Infektion jetzt besser mit Antibiotika behandeln, weil man ja wisse, um welchen Keim es sich handele. Das wollte die Mutter aber nicht als Trost nehmen. „Man kann doch nicht schon die Frühchen mit Antibiotika vollstopfen.“

Bezirksamt Altona spricht von einer "Vorsichtsmaßnahme"

Das Bezirksamt Altona, das nach dem Infektionsschutzgesetz für Krankenhauskeime zuständig ist, teilte dem Abendblatt mit, von einem „Ausbruch“ an Keimen könne man nicht reden. Dass die vorgefundenen Keime überhaupt gemeldet worden seien, war demnach eine Vorsichtsmaßnahme. Es seien auch keine multiresistenten Keime, gegen die Antibiotika meist nichts ausrichten können. „Diese Klebsiellen sprechen sehr gut auf Desinfektionsmittel an“, hieß es.

Das stellt die Eltern nicht zufrieden. S. sagte, sie befürchte anhaltende gesundheitliche Schäden bei ihren Kindern. „Die Sorge und Hilflosigkeit, die wir erleben, möchten wir anderen Eltern in Zukunft ersparen können.“

Für das Altonaer Kinderkrankenhaus versicherte der Ärztliche Direktor Prof. Stücker, dass man nach der Quelle für Keime fahnde. Da man eng mit der Gynäkologie der Asklepios Klinik Altona zusammenarbeite, habe man sich auch dort mit den Ärzten beraten. Man wolle herausfinden, ob die „Probleme“ von dort kommen könnten. Das Hygiene­institut habe bereits sogenannte Abklatschuntersuchungen an Ultraschallgeräten, Wasserhähnen und an Händen der Pflegerinnen gemacht.

Die Aufregung um die Keime ist auch deshalb so groß, weil es zuletzt besorgniserregende Todesfälle gegeben hat. Im Mai infizierten sich fünf Patienten in der Frankfurter Uniklinik mit multiresistenten Keimen, drei starben. Die Intensivstation wurde schnell nach dem Fund der Keime gesperrt. Der Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene, Prof. Volkhard Kempf, sagte später: „Menschen leben schon immer mit Bakterien zusammen und sind schon immer an Infektionskrankheiten erkrankt. Auch Resistenzen gegen Antibiotika gibt es schon immer. Die Situation aber hat sich verschärft, weil wir mehr Patienten mit den Möglichkeiten der Hochleistungsmedizin behandeln. Und solche Patienten brauchen öfter Antibiotika. Deswegen können sich resistente Bakterien im Krankenhaus und gerade in Hochleistungskrankenhäusern leichter durchsetzen.“