Hamburg. 22 größere Quartiere sind geplant oder werden bereits realisiert. Die größte Herausforderung bleiben die Gebiete im Osten.

Nach dem Willen des Senats sollen in Hamburg jedes Jahr mindestens 10.000 neue Wohnungen gebaut werden. Doch wo entstehen diese Quartiere eigentlich? Die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen hat für das Abendblatt eine Übersicht über die geplanten – und zum kleinen Teil auch schon realisierten – Neubauvorhaben erstellt. Demnach werden allein in 22 größeren neuen Quartieren über 68.000 neue Wohneinheiten entstehen, vom Apartment bis zum Einfamilienhaus. Damit dürfte Hamburg die Schallmauer von einer Million Wohneinheiten durchbrechen. Das Amt für Statistik zählte Ende 2016 (letzte aktuelle Zahl) 938.592 Wohneinheiten.

Allerdings gehören zu den Neubauvorhaben auch Projekte, die eher auf Jahrzehnte als auf Jahre angelegt sind, vor allem im Osten der Stadt. „In den Bezirken werden in den kommenden Jahren bis weit in die 2030er-Jahre neue Wohngebiete entstehen. Von Altona über Vogelkamp-Neugraben, den Kleinen Grasbrook, Oberbillwerder, den Hamburger Osten oder Gebiete in Wandsbek bis zum Pergolenviertel“, sagte Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) dem Abendblatt. Der in dem letzten Jahrzehnt sehr stark gestiegenen Nachfrage nach Wohnraum könne man nur nachkommen, wenn auch neue Quartiere wachsen würden, so die Senatorin: „Vor allem geht es um bezahlbares Wohnen. Zugleich bewahren wir Hamburgs Charakter als grüne Stadt am Wasser.“

Oberbillwerder soll Maßstäbe setzen

Hier soll vor allem Oberbillwerder als 105. Stadtteil Maßstäbe setzen. In elf Parkhäusern soll es nur 3500 Plätze geben, im Quartier selbst sollen Autos halten, aber nicht abgestellt werden dürfen. Die Anbindung an den Nahverkehr gilt durch die S-Bahn-Station Allermöhe als perfekt. Allein hier sollen fast 7000 neue Wohnungen entstehen. Oberbaudirektor Frank-Josef Höing spricht von einem „Quantensprung“ bei der Stadtentwicklung.

1. Quartier am Hörgensweg

Im Quartier Am Hörgensweg entstehen derzeit 890 Wohnungen in Eidelstedt, 73 Wohnungen für Flüchtlinge sind bereits bezugsfertig. Das Projekt ist nicht nur durch seine unmittelbare Nähe zur A 23 umstritten. Die CDU befürchtet einen neuen sozialen Brennpunkt - in diesem Bereich leben ohnehin viele Bewohner von Hartz IV. Die Stadt ist dagegen wie der private Investor überzeugt, dass dort ein gut funktionierendes Quartier entsteht.

2. Sportplatzgelände in Stellingen

Auf dem Gelände eines ehemaligen Sportplatz-Geländes in Stellingen im Bezirk Eimsbüttel sollen bis 2022 rund 650 Wohnungen gebaut werden. Zu den Bauherren gehört auch das kommunale Wohnungsbauunternehmen Saga. Die neue Heimat des TSV Stellingen 88 und der SV West-Eimsbüttel liegt an der Vogt-Kölln-Straße.

Hamburgs größte Neubaugebiete
Hamburgs größte Neubaugebiete © Grafik: F. Hasse | Unbekannt

3. A7-Decke am Volkspark

Der Deckel auf der A 7 macht Hamburg leiser und schöner. Zudem entsteht neuer Platz für Wohnungen, heutige B-Lagen werden zu A-Lagen. Für das Quartier „A-7-Deckel inklusive Wohnen am Volkspark“ werden Kleingärten, die jetzt noch am Rand der Autobahn liegen, auf das Lärmtunneldach umgesiedelt. Genutzt werden soll auch das Gelände der Trabrennbahn in Bahrenfeld. Insgesamt sind 3800 Wohnungen geplant.

4. Ehemalige Gießerei an der Friedensallee

Über Jahrzehnte trennten Stadtplaner Arbeiten und Wohnen immer stärker voneinander – hier das Gewerbe, dort die Wohngebiete. In Altona soll ein Projekt zeigen, dass es anders geht. Allein auf dem Gelände einer ehemaligen Gießerei an der Friedensallee, wo schon in den 1930er-Jahren Kolben gefertigt wurden, entstehen 420 Wohnungen, Kleingewerbe wird es weiter geben. Insgesamt sind in dem Gebiet – auch durch den bevorstehenden Abriss des Hermes-Hochhauses – 1200 Wohnungen geplant.

5./6. Neue Mitte Altona

Die Neue Mitte Altona zählt zu den spektakulärsten Wohnungsprojekten der Hansestadt. Die dichte Bebauung findet nicht überall Anklang. Star-Architekt Volkwin Marg ist überzeugt, dass der legendäre Oberbaudirektor Fritz Schumacher (1869–1947) die Pläne wegen zu geringer Abstände nicht genehmigt hätte. Dennoch ist das Quartier ungemein nachgefragt, die neuen Einwohner fühlen sich dort auch mehrheitlich sehr wohl. Der nächste Bauabschnitt könnte sich allerdings verzögern, da nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Hamburg der geplante neue Fernbahnhof Diebsteich vorerst nicht gebaut werden darf. Geklagt hatte der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Auf den frei werdenden Gleisflächen sollen weitere Hunderte Wohnungen entstehen. Insgesamt sind in der Neuen Mitte Altona 3500 Wohnungen geplant.

7. Das Holsten-Areal

Das Holsten-Areal sorgt bereits vor dem ersten Spatenstich für Negativ-Schlagzeilen. Seit Monaten streiten sich die Stadt und die Investoren – etwa über die Bruttogeschossfläche. Auf dem Gelände der Brauerei, die künftig in einem neuen Brauereigebäude in Hausbruch produzieren will, sind rund 1300 Wohnungen geplant. Mit dem Baubeginn rechnet man jetzt erst 2021, mit der Fertigstellung erster Gebäude 2024.

8. Alte Konzernzentrale Beiersdorf

Der DAX-Konzern Beiersdorf wagt sich erstmals in den Wohnungsbau. Dort, wo heute noch die alte Konzernzentrale steht, sollen spätestens ab 2022 neue Wohnungen entstehen – ein neues Quartier auf 3,6 Hektar in einem der beliebtesten Hamburger Stadtteile.

9. Tarpenbeker Ufer

Bis Ende 2021 sollen im Rahmen des Bauprojekts „Tarpenbeker Ufer“ in Groß Borstel 750 Wohnungen für rund 2000 Menschen entstehen. Bauherr auf dem 118.000 ­Quadratmeter großen Areal ist die Hamburger Otto Wulff Projektentwicklung. Der Kommunalverein Groß Borstel hatte sich lange gegen die Größe des Bauvorhabens gewehrt und den Bau von nur 350 Wohnungen gefordert. Kritiker sehen die Verkehrsanbindung des neuen Quartiers als problematisch. Der Investor lobt dagegen die großen geplanten Grünflächen, das Quartier sei besonders für Familien geeignete.

10. HafenCity

Die HafenCity gehört zu den Hamburger Quartieren, die weltweit das Inter­esse von Stadtplanern wecken. Für viele Hamburger gilt das Quartier als elitär angesichts mancher extrem hochpreisiger Eigentumswohnungen. Aber es geht eben auch durchaus günstig. So entsteht am Baakenhafen ein „Quartier der Generationen“ mit 373 Wohnungen, davon 80 Prozent öffentlich gefördert. Die 138 Studentenapartments sollen ab 238 Euro Kaltmiete pro Monat kosten. Insgesamt sollen in den nächsten Jahren in der HafenCity 7500 Wohnungen gebaut werden.

11. Pergolenviertel

Die Messlatte könnte höher kaum liegen. Mit Arkadengängen, grünen, durchlässigen Innenhöfen und der typische Backstein soll das Pergolenviertel mit insgesamt 1400 Wohnungen an ein Quartier aus der Fritz-Schumacher-Ära erinnern. Der Investor wirbt mit „besonderen Mobilitätsangeboten“ wie Carsharing, Lastenfahrräder und einer Fahrradwerkstatt. Viele Eigentumswohnungen sind bereits verkauft, kein Wunder angesichts der Nähe zum Stadtpark.

12. Fläche der ehemaligen Schiffbauversuchsanstalt

Barmbek-Nord zählt zu den Stadtteilen, die in den vergangenen Jahren immer attraktiver geworden sind. Auf einer Fläche rund um die ehemalige Schiffbauversuchsanstalt (Dieselstraße/ Ivensweg) entsteht in den nächsten Jahren ein Quartier mit rund 675 Wohnungen und Kleingartenflächen. An dem Projekt ist auch der Bauverein der Elbvororte beteiligt. Baugemeinschaften können sich hier ebenfalls bewerben.

13. Neubauvorhaben am Moosrosenweg

„Schöner Wohnen auf dem Otto-Parkplatz“ titelte das Abendblatt bei der Vorstellung der Pläne im Januar. In Bramfeld wird ab 2020 am Moosrosenweg eines der größten Neubauvorhaben in Hamburg realisiert: Auf dem Parkplatz der Otto Group und einem angrenzenden Areal des Energieunternehmens Vattenfall sollen 1000 Wohnungen im bewährten Drittelmix aus öffentlich geförderten und frei finanzierten Mietwohnungen sowie Eigentumswohnungen entstehen.

14. Wohnen stromaufwärts an Elbe und Bille

Das Programm trägt den wohlklingenden Namen „Stromaufwärts an Elbe und Bille – Wohnen und urbane Produktion in Hamburg-Ost“. Vor nunmehr vier Jahren stellte der damalige Bürgermeister Olaf Scholz die ehrgeizigen Plänen für den Osten der Hansestadt vor, die Stadtteile Borgfelde, Hamm, Horn, Rothenburgsort, Billbrook und Billstedt böten „enorme Entwicklungspotenziale“. 20.000 Wohnungen sollen entstehen, wo einst Zehntausende Menschen lebten, bis die Bombenangriffe der Operation „Gomorrha“ im Sommer 1943 die Viertel in Schutt und Asche legten. Keine Frage, es ist das Mega-Projekt für die kommenden Jahrzehnte in Hamburg. Verbunden mit der historischen Verpflichtung, dass die Grausamkeit des Krieges an ausgewählten Stellen greifbar bleiben muss.

15. Projekt Jenfelder Au

Das Projekt Jenfelder Au stand zunächst unter einem schlechten Stern. Für die Entwicklung der seit 1998 brachliegenden Lettow-Vorbeck-Kaserne war bereits 2006 ein Siegerentwurf gekürt worden. Doch die Stadt hatte - auch angesichts hoher Erschließungskosten für das Abwassersystem – Schwierigkeiten, Investoren zu finden. Die Pläne wurden nachverdichtet, die Kosten pro Wohneinheit sanken. Jetzt entstehen auf dem Areal 980 Wohnungen. Das Abwasser-System gilt in Hamburg als einzigartig. Schwarzwasser (Toilettenabwasser) und Grauwasser (Abwasser aus Küche und Bad) werden getrennt. Aus dem Schwarzwasser wird Biogas gewonnen und zu Strom- und Wärmeenergie für das Quartier umgewandelt.

16. In Oberbillwerder entsteht Hamburgs 105. Stadtteil

Wenn der sonst eher nüchterne Oberbaudirektor Frank-Josef Höing über Oberbillwerder, Hamburgs 105. Stadtteil, spricht, gerät er regelrecht ins Schwärmen: „Das wird ein Quantensprung, etwas grundlegend Neues, Kreatives, kein Quartier nach Baukastensystem.“ Auf 124 Hektar Wiesen und Feldern sollen in den nächsten 15 Jahren fast 7000 Wohnungen entstehen, dazu 5000 Arbeitsplätze geschaffen werden. „The Connected City“, die verbundene Stadt, heißt der Siegerentwurf eines dänisch-niederländisch-deutschen Planungsteams. Im Osten des Quartiers ist ein Aktivitätspark als zentrale öffentliche Sportanlage geplant. Auch in Sachen Ökologie soll Oberbillwerder Maßstäbe setzen: In elf Parkhäusern stehen nur 3500 Plätze zur Verfügung, im Stadtteil selbst sollen Autos halten, aber nicht abgestellt werden können. Stattdessen sollen Spielstraßen entstehen. Die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr ist durch die S-Station Allermöhe perfekt.

17. Schleusengraben in Bergedorf

In Bergedorf ist der Schleusengraben aktuell das größte Bauprojekt des Bezirks. Es entsteht dort in mehreren Quartieren ein gemischtes Gebiet für Wohnen und Gewerbe mit insgesamt 3500 Wohnungen. Das Gebiet gilt durch die Nähe zum Wasser, zum Zentrum und zur A 25 als sehr attraktiv.

18. Barrierefreier Stadtteil auf dem Grasbrook

Der Name Grasbrook weckt Erinnerungen an die Bewerbung um die Olympischen Spiele, die am Ende am Bürgerschaftsreferendum scheiterte. Auf dem Grasbrook sollte Hamburgs erster komplett barrierefreier Stadtteil mit 8000 Wohnungen entstehen. Jetzt sollen es 3000 werden. Die Handelskammer wirbt für ihre Idee eines Innovationsstadtteils. Zu diesem Zweck startet die Handelskammer ein Online-Beteiligungsverfahren, um Anregungen für die Gestaltung des neuen Quartiers zu bekommen. Nutzer können unter der Adres­se beteiligung.hk24.de eines der wichtigsten Städtebauprojekte mitprägen.

19. Spannende Quartiere auf den Elbinseln

Auch Wilhelmsburg gehört zu den Stadtteilen, die in den vergangenen Jahren deutlich aufgewertet wurden. Jetzt entstehen auf den Elbinseln spannende Quartiere, in denen insgesamt einmal 5200 Wohnung gebaut werden sollen. Das Elbinselquartier (2100 Wohnungen) und das Wilhelmsburger Rathausviertel (1600 Wohnungen) werden erst durch die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße etwa 500 Meter Richtung Osten machbar. Im November 2019 soll die neue Trasse auf der Westseite der heutigen Bahntrasse fertig sein, dort werden entsprechend hohe Lärmschutzwände gebaut. Dort, wo jetzt der Verkehr noch tost, sollen Kinder spielen. Zu den Elbinsel-Quartieren zählen auch Georgswerder, das Spreehafen-Viertel und die Georg-Wilhelm-Höfe.

20. Bezahlbare Wohnungen auch in Neugraben

Im Quartier Vogelkamp in Neugraben sind viele Bauvorhaben (Einfamilien-, Mehrfamilien- und Reihenhäuser, 1500 Wohneinheiten) bereits realisiert oder im Bau. Ein mit 44 Wohnungen vergleichsweise kleines Projekt beobachtet die Branche mit großer Spannung. Der Bauherr Helvetia, eine Lebensversicherung, hat sich mit dem Bau verpflichtet, dass die Kaltmiete fünf Jahre lang nicht mehr als acht Euro betragen darf. Und das nicht in öffentlich geförderten Wohnungen, sondern im frei finanzierten Mietwohnungsbau. Der Senat will damit den Beweis antreten, dass Mieter auch noch im Neubau bezahlbaren Wohnraum finden. Dafür müssen die neuen Bewohner zumindest vorerst auf Aufzüge verzichten – die vorgesehenen Schächte bleiben leer, um Kosten zu sparen. „Wir haben damit ein bundesweit einzigartiges Vorhaben auf den Weg gebracht – vielleicht wird hier ein Stück neuer Architekturgeschichte geschrieben“, sagte Senatorin Dorothee Stapelfeldt bei der Grundsteinlegung.

21./22 Spannende Quartiere auf den Elbinseln

Wie bei den Elbinselquartieren und dem Vogelkamp zeichnet die IBA Hamburg auch für die Entwicklung der Quartiere Fischbeker Heidbrook (1200 Wohnungen auf dem Gelände der ehemaligen Röttiger Kaserne) und Fischbeker Reethen (2200 Wohnungen, Grafik Nr. 22) verantwortlich. Nach dem Willen der IBA soll das Quartier Fischbeker Reethen im Westen des Bezirks Harburg, an der Landesgrenze zu Niedersachsen, zur „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ werden: „Ein Quartier, das naturverbundenes Wohnen und innovative Arbeits­welten vereinen wird.“