Hamburg. Dieser Meinung sind in einer Abendblatt-Umfrage 76 Prozent der Bürger. Was Schulsenator Ties Rabe dazu sagt.

Rund 17 Jahre nach Einführung des um ein Jahr schnelleren Wegs zum Abitur am Gymnasium (G8) in Hamburg ist die Stimmung eindeutig: 76 Prozent der Hamburgerinnen und Hamburger wollen, dass Schüler auch am Gymnasium die Reifeprüfung wieder nach neun Jahren (G9) ablegen können. Nur 19 Prozent meinen, dass es bei der jetzigen Regelung bleiben sollte, nach der in Hamburg nur die Stadtteilschulen das Abitur nach neun Jahren anbieten.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa im Auftrag des Hamburger Abendblatts durchgeführt hat. Es gibt wenige Streitfragen, bei denen das Votum durchgängig so eindeutig ist – unabhängig vom Alter, dem Bildungsgrad oder der Parteipräferenz der Befragten. Von den 18- bis 29-Jährigen sind 74 Prozent für die Rückkehr zu G9, bei den über 60-Jährigen liegt der Wert mit 76 Prozent nur geringfügig höher. Jeweils 21 Prozent sind dagegen.

Viel Kritik an Forderung

Die Senatsparteien SPD und Grüne sind wie die FDP gegen eine Rückkehr zu G9 am Gymnasium. Die Wähler der Parteien denken offensichtlich in diesem Punkt völlig anders. Auch 75 Prozent der SPD-Anhänger sprechen sich für die längere Schulzeit am Gymnasium aus, 22 Prozent dagegen. Im Lager der Grünen sind 74 Prozent für G9 am Gymnasium und 19 Prozent dagegen. Am größten ist der Rückhalt für das schnellere Abitur noch bei den FDP-Anhängern mit 29 Prozent, aber auch hier ist die klare Mehrheit von 66 Prozent für G9.

„Wenn jetzt auch Gymnasien G9 anbieten, besteht die große Gefahr, dass die Stadtteilschulen Schüler verlieren und ausbluten, an den Gymnasien noch mehr leistungsschwächere Kinder angemeldet und scheitern werden“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD). Betroffene Eltern, Schüler und Lehrer hätten vor fünf Jahren mit sehr großer Mehrheit gegen eine Veränderung gestimmt. „Ich finde, wir sollten auf die Betroffenen hören und nicht auf Umfragen“, sagte Rabe.

Rückenwind für Trepoll 


CDU-Oppositionschef André Trepoll darf sich bestätigt fühlen: Denn es war maßgeblich Trepoll, der auf einem Landesparteitag durchgesetzt hat,
dass die CDU darüber diskutiert, ob sie die Forderung nach Rückkehr
zu G9 am Gymnasium in ihr Bürgerschafts-Wahlprogramm 2020 aufnimmt.
„Jetzt steht fest, dass wir die Stimmung in der Stadt richtig
eingeordnet haben. Deshalb werden wir bei diesem Thema am Ball
bleiben“, sagte Trepoll dem Abendblatt. „Ich bleibe dabei: Den
Wunsch einer großen Mehrheit der Schüler, Eltern und Lehrer darf
man nicht ignorieren“, sagte der CDU-Politiker.

Auch unter den
Unions-Anhängern ist die Meinung eindeutig: Laut der Umfrage des
Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Abendblatts sind
80 Prozent der CDU-Anhänger für eine Rückkehr zu G9 am Gymnasium –
das ist sogar leicht überdurchschnittlich. Nur 15 Prozent der
CDU-Wähler wollen es bei der Regelung belassen, dass ausschließlich
die Stadtteilschulen den längeren Weg zum Abitur anbieten.

Linke favorisiert die Schule
für alle

Noch
größer ist die Zustimmung zu G9 am Gymnasium mit 82 Prozent nur bei
den Linken-Anhängern. Die Linke favorisiert allerdings die Schule
für alle, also die Aufhebung der Trennung in Gymnasium und
Stadtteilschule, und sieht ein flächendeckendes G9 als ersten
Schritt dahin. Gleich hoch wie bei der CDU mit 80 Prozent ist die
Zustimmung zu G9 am Gymnasium bei den AfD-Anhängern. SPD, Grüne und
FDP sind für die Beibehaltung des jetzigen Systems von G8 am
Gymnasium und G9 an den Stadtteilschulen.

Doch auch in der
Anhängerschaft dieser drei Parteien stößt die Rückkehr zur längeren
Schulzeit auf sehr große Sympathie. „Wir treten als
einzige Partei offen in den Dialog darüber ein, ob die
Wiedereinführung des Abiturs nach neun Jahren an den Gymnasien für
Hamburg das richtige Modell wäre“, sagte Trepoll. „Es ist unklug
von Rot-Grün, sich nicht einmal dieser Diskussion zu stellen.“
Trepoll ist überzeugt davon, „dass viele Schülerinnen und Schüler
von mehr Zeit bis zum Abitur profitieren können und wir so auch die
Bildungslandschaft in unserer Stadt, über die Gymnasien hinaus,
insgesamt stärken würden“. Die Frage der unterschiedlichen
Schuldauer berühre nicht die Schulstruktur.

Gefahr für Stadtteilschulen

Das sieht Schulsenator
Ties Rabe (SPD) völlig anders: „Wenn jetzt auch Gymnasien G9
anbieten, besteht die große Gefahr, dass die Stadtteilschulen
Schüler verlieren und ausbluten und Hamburg in einen neuen
Schulkampf hineinschlittert.“ Es seien „allein Wahlstrategen in der
CDU, die die Gymnasien zu einer tiefgreifenden Veränderung mit
unkalkulierbaren Auswirkungen für das gesamte Schulsystem zwingen
wollen“. In Schleswig-Holstein hatte die CDU die Landtagswahl auch
mit der Forderung nach G9 an Gymnasien gewonnen. Die Hamburger
CDU-Schulpolitiker sind gegen diesen Kurs.