Hamburg. Ein Gespräch über Arbeitstage ab 3 Uhr, den Schwächeanfall vor der Kamera, seinen kleinen Sohn – und einen großen Wunsch.

Zielstrebig steuert der Mann mit der Brille und den kurzen Haaren den Tisch ganz hinten in der Ecke des Literaturhauscafés an der Alster an. Lässt sich in einen Stuhl fallen, bestellt ein stilles Wasser und einen Cappuccino. „Den brauche ich jetzt ganz dringend“, sagt Jan Hofer. „Ich bin heute um drei Uhr aufgestanden, habe bis neun Uhr moderiert.“ Hinterher habe er eine Weile am Schreibtisch gearbeitet. Nun dieses Interview, danach noch einen Termin. Und am Nachmittag wolle er noch wieder zurück an den Schreibtisch. Ein verdammt langer Tag, oder? „Ein ganz normaler Arbeitstag.“

Der Chefsprecher der „Tagesschau“ wird im kommenden Jahr 70 Jahre alt. Man merkt es ihm nicht an, und das liegt nicht nur an den Turnschuhen, die er zum klassischen Sakko mit Krawatte und Einstecktuch trägt. „Ich habe einfach eine unglaubliche Freude an der Arbeit.“ Ende kommenden Jahres läuft sein Vertrag bei der „Tagesschau“ aus: „Wir setzen uns demnächst zusammen und beraten dann, wie es weitergeht.“ Wie ein Rentner fühle er noch lange nicht. „Ich bin total fit.“

Schwächeanfall mitten in der Live-Sendung

Vor ein paar Wochen sah das für die TV-Zuschauer anders aus. Mitte März erlitt Hofer mitten in der „Tagesschau“ um 20 Uhr einen Schwächeanfall. Er verhaspelte sich, sackte weg. Die Sendung endete abrupt ohne Abmoderation. Eine verschleppte Grippe war der Grund für diese schlimmen Minuten vor laufender Kamera. „Ich hatte kurz vorher die Influenza“, sagt Hofer. Die habe sein Immunsystem so geschwächt, dass er sich direkt hinterher einen multiresistenten Keim einfing. Eine Woche habe er deshalb im Krankenhaus liegen müssen. „Als es mir besser ging, habe ich mich selbst entlassen. Ich fühlte mich gesund. Ein Fehler, wie ich heute weiß.“

Zu schnell sei er wieder an den Arbeitsplatz zurückgekehrt. Zu schnell habe er wieder Arbeitstage wie den heutigen absolviert. An dem besagten Abend habe dann vor laufender Kamera sein Körper gestreikt. „Ich hatte hohes Fieber.“ Hofer wurde direkt nach dem Ende der Sendung mit einem Krankenwagen in die Notaufnahme des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE) gebracht und durchgecheckt. „Die Ärzte wollten auch schlimme Erkrankungen wie einen Schlaganfall ausschließen.“ Ergebnis: Der Keim war zurück. „Also bin ich nach Hause in der Hoffnung, dass es nun besser wird.“ Als es ihm nach zwei weiteren Tagen mit hohem Fieber immer noch schlecht ging, habe er sich freiwillig in der Klinik gemeldet. „Und mich dann endlich richtig auskuriert ...“

Hofer haben diese Wochen zwei Dinge gezeigt. Zum einen, auch mal auf den Körper zu hören. Zum anderen, wie sehr man als „Tagesschau“-Sprecher doch im Rampenlicht steht. „Die Reaktionen der Zuschauer waren einfach unglaublich“, sagt er. Noch nie habe er so viele besorgte und aufmunternde Post bekommen, noch nie insgesamt so viel Rückmeldungen. „Natürlich gab es auch einige wenige bösartige Kommentare. Aber das bin ich ja schon gewöhnt.“

Hofer: „Nur senden, wenn es auch Nachrichten gibt“

Zu den Sendungen gebe es immer viele Meinungsäußerungen von Zuschauern. Lobende und freundliche Reaktionen, dazu Kritik. Wie beispielsweise beim Brand von Notre-Dame. Hier hieß es unter anderem, die ARD habe zu spät und zu wenig über die dramatische Lage in Paris an dem Abend des 15. April berichtet. Hofer sieht das anders. „Unser Bericht aus Frankreich war erst um 19.59 Uhr fertig und überspielt. Den konnten wir nicht als erste Meldung in der ,Tagesschau‘ eine Minute später bringen“, sagt er. Zuvor habe es nur Bilder der Rauchsäule gegeben. „Unser Verständnis ist aber, nicht nur Bilder des Rauches zu zeigen, ohne zu wissen, was dort wirklich los ist, sondern einen fundierten Bericht zu haben.“

Den habe man dann wenige Minuten später ausgestrahlt. Im Laufe des Abends sei man zu dem Entschluss gekommen, dass es nicht genug Erkenntnisse gebe, um permanent weiter zu berichten. „Wir haben den Anspruch, Nachrichten zu senden. Das heißt, dass wir nur senden, wenn es auch Nachrichten gibt.“ Und gerade bei diesem Beispiel sei die Lage zwischendurch sehr undurchsichtig gewesen. „Wir bemühen uns einfach bei jedem Thema, so zuverlässig wie möglich zu recherchieren.“

In unsicheren Zeiten nimmt das Interesse an fundierten Nachrichten zu

Das sei in Zeiten, in denen den Medien immer wieder falsche Berichterstattung vorgeworfen würde, besonders wichtig. „Gerade die ,Tagesschau‘ ist eine Instanz in Deutschland. Von uns wird fehlerfreies Arbeiten erwartet.“ Auch deshalb seien beispielsweise die sechs „Tagessschau“-Sprecher mit Bedacht gewählt. Alles gestandene Persönlichkeiten mit einer fundierten journalistischen Ausbildung. Aus drei verschiedenen Altersgruppen. Judith Rakers und Linda Zervakis für die jüngere Generation. Jens Riewa, Thorsten Schröder, Susanne Daubner für die nächste. „Und ich dann als Vertreter der älteren Generation.“ So mache er sich auch keine Sorgen über die Zukunft der Sendung.

Denn er habe das Gefühl, dass in unsicheren Zeiten das Interesse an fundierten Nachrichten zunehme. „Wir haben gerade im vergangenen Jahr viele junge Zuschauer hinzugewonnen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung.“ Ihm sei es dabei egal, so Hofer, ob die Menschen die Sendung im klassischen Fernsehen sehen oder auf Facebook oder YouTube. Klar sei aber auch, „dass uns nur Menschen anschauen, die ein grundsätzliches Interesse an Politik und Nachrichten haben. Die anderen erreichen wir leider nicht.“

„Wer die Nachrichten liest, ist kein Privatmensch mehr“

Die beiden Geschichten, der Zusammenbruch vor laufender Kamera, aber auch die Reaktionen auf die Berichte aus Paris hätten innerhalb weniger Wochen einmal mehr verdeutlicht, wie genau seine Kollegen und er unter Beobachtung stünden: „In dem Moment, in dem man zum ersten Mal die 20-Uhr-Nachrichten liest, ist man kein Privatmensch mehr.“ Das kennt Hofer seit mehr als 30 Jahren nicht anders. Der Unterschied zu früher: „Jetzt kommen diese Reaktionen alle in Echtzeit. Böser, bissiger, oftmals komplett unter der Gürtellinie. Das muss man schon aushalten können.“ Und wollen. Die bösen Kommentare sehe er sich nicht mehr an. „Warum auch?“

Auch auf der Straße wird Hofer immer wieder erkannt und angesprochen. „Hier in der Stadt allerdings meistens von Touristen.“ Die Hamburger selber seien an ihn vermutlich schon gewöhnt. Interessant sei zu beobachten, dass ihn mehr Menschen ansprechen, wenn er quasi in Arbeitskleidung mit Sakko unterwegs ist. „Wenn ich anders aussehe, erkennen mich viele nicht.“ Oft heiße es aber auch: Sie kenne ich doch!? Oder: Sie sehen aus wie einer aus dem Fernsehen ... Hofer entscheidet spontan, wie er darauf reagiert. „Ich habe auch schon gesagt: ,Ja, ich sehe meinem Bruder sehr ähnlich’“, sagt er und lacht. Im Großen und Ganzen scheint er den Umgang mit den Zuschauern aber zu genießen.

Die Familie versucht er aus der Öffentlichkeit zu halten

Keinen Spaß versteht der sympathische Mann beim Thema Familie. Die versucht er aus der Öffentlichkeit zu halten. Hofer hat einen dreijährigen Sohn, dessen Schutz ihm über alles geht. So gibt es von dem Kleinen auch keine Bilder in der Öffentlichkeit. Gegen jedes Foto würde er sofort anwaltlich vorgehen. „Wenn ein Bild einmal in der Welt ist, dann gibt es kein Zurück mehr“, sagt er. „Und das wollen wir auf keinen Fall.“ Sein Sohn sehe das allerdings hin und wieder anders, sagt Hofer und erzählt von einem Bericht in der Zeitschrift „Bunte“ über seine Hochzeit im vergangenen Oktober. Diesen Beitrag hätten er und seine Frau bewusst gemacht. „Nach der Hochzeit hatte meine Frau ja einen anderen Namen.“ Darauf sei sie in ihrer Firma immer wieder angesprochen worden. „Wir wussten, lange können wir das nicht mehr zurückhalten.“ Deshalb hätten sie den Beitrag gemeinsam mit der Zeitschrift umgesetzt, „um alle weiteren Fragen und Mutmaßungen zu verhindern“.

n seiner Freizeit liebt er es manchmal gut motorisiert: Jan Hofer auf einer Harley-Davidson. Ohne den Dienst-Anzug wird er nicht immer erkannt. Oder es heißt: „Sie sehen aus wie einer aus dem Fernsehen ...“
n seiner Freizeit liebt er es manchmal gut motorisiert: Jan Hofer auf einer Harley-Davidson. Ohne den Dienst-Anzug wird er nicht immer erkannt. Oder es heißt: „Sie sehen aus wie einer aus dem Fernsehen ...“ © Andreas Laible | Andreas Laible

Ganz wichtig ist Hofer dabei zu betonen: „Wir haben, anders als oftmals üblich, die Geschichte nicht verkauft. So etwas habe ich noch nie getan.“ Als der Beitrag dann vor wenigen Wochen zusammen mit den Bildern der Hochzeit erschien, hätten sie die ihrem Sohn gezeigt. „Der trockene, fast enttäuschte Kommentar war: ,Aber wo bin ich denn?‘“ Was tun? „Wir haben ein Exem­plar genommen und einfach sein Bild dazugeklebt. Da war er dann zufrieden.“

„Der Kleine bezaubert einfach die ganze Familie“

Überhaupt erzählt Hofer in diesen Stunden viel von seinem kleinen Sohn. „Ich versuche, ihn morgens in die Kita zu bringen.“ Und auch sonst so viel Zeit wie möglich für ihn zu haben. „Der Kleine bezaubert einfach die ganze Familie.“ Gerade bei der Hochzeit seines großen Sohnes vor wenigen Wochen hier in Hamburg habe sich das wieder gezeigt: „Wie er mit seiner Schwägerin umgeht, das ist einfach wunderbar.“

Eine große Liebe herrsche zwischen Hofers drei großen Kindern aus erster Ehe (42, 34 und 30 Jahre alt), deren Partnern und dem kleinen Nachzügler. Die würden dann hin und wieder auch Aufgaben übernehmen, die für ihn als älterer Vater nichts mehr wären. „Rumtoben oder Huckepack nehmen, dazu habe ich keine Lust mehr. Das machen jetzt meine großen Söhne.“ Der Kleine habe etwas geschafft, was außergewöhnlich sei. „Er hat dafür gesorgt, dass die Familie noch einen höheren Stellenwert für uns alle hat“, sagt Hofer. „Das ist einfach nur wunderschön.“

Und vielleicht ist es auch der kleine Sohn, der dafür sorgt, dass Hofer trotz seiner mittlerweile 69 Jahre hin und wieder einfach nur wirkt wie ein junger glücklicher Vater. Und nicht wie ein Mann im Rentenalter.