Hamburg. Jeder Bürger wirft mehr als 80 Kilo Lebensmittel im Jahr weg. Dabei lassen sich aus abgelaufenen Produkten köstliche Gerichte zaubern.

Ausgesondertes, aber noch genießbares Gemüse, abgelaufene Milchprodukte und Nudeln liegen auf dem Tisch. Dazwischen steht auch ein Glas Fischfond mit Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) 1/2017. Er wird sich später mit Chicorée in eine grüne Salatsuppe verwandeln. Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) steht neben TV-Köchin Cornelia Poletto zwischen deren Kücheninsel und Arbeitszeile in der Eppendorfer Goernestraße. Die beiden wollen an diesem Vormittag zeigen, dass sich aus abgelaufenen Lebensmitteln noch köstliche Gerichte zaubern lassen.

Prüfer-Storcks krempelt die Ärmel hoch und schützt ihr Kostüm mit einer braunen Schürze. Ihr Blick folgt aufmerksam Polettos Handgriffen. In dem hell beleuchteten Küchenbereich mit breiter Fensterfront freut sich die Senatorin auf die ersten Kostproben, sie will „sehen, riechen, schmecken“, sagt sie und damit Vorbild sein, denn mehr als die Hälfte der weggeworfenen Lebensmittel seien noch genießbar. Die Gesundheitssenatorin fordert die Hamburger auf, weniger Lebensmittel wegzuwerfen. Viele Verbraucher interpretierten das Mindesthaltbarkeitsdatum von Produkten falsch, so die Politikerin bei einem Treffen von Vertretern aus Wirtschaft, Behörden und Initiativen in der Kochschule von Fernsehköchin Cornelia Poletto.

Hamburg tue einiges gegen Lebensmittelverschwendung, sagt die Senatorin. „Diese Aktion soll auch ein Kampf gegen die falsche Interpretation des Mindeshaltbarkeitsdatums sein.“ Das Bundesernährungsministerium hatte 2012 eine Studie über Lebensmittel­abfälle in Deutschland vorgestellt, die zu dem Ergebnis kam, dass Industrie, Handel, Großverbraucher und Privathaushalte jährlich knapp 11 Millionen Tonnen als Abfall entsorgen – 61 Prozent dieser Abfälle entstehen demnach in Privathaushalten. Jeder Bundesbürger wirft demnach im Schnitt 81,6 Kilo Lebensmittel weg. In Hamburg gibt es seit 2015 den runden Tisch zum Thema Lebensmittelverschwendung.

Die Mindesthaltbarkeit ist kein Wegwerfdatum

Prüfer-Storcks und Poletto appellieren an die Verbraucher, auf den Unterschied zwischen Mindesthaltbarkeitsdatum und Verfallsdatum zu achten. Das MHD sei kein Wegwerfdatum, die Lebensmittel seien nach dessen Ablauf nicht automatisch verdorben. Anders verhält es sich beim Verbrauchsdatum, das für sehr leicht verderbliche Lebensmittel wie Hackfleisch gilt.

Um zwei eckige Tische aus derbem Holz sitzen nun Vertreter von Behörde und Verbraucherschutz, von der Hamburger Tafel, einer Molkerei, der Bäcker-Innung, dem Landesinstitut für Lehrerfortbildung sowie von Rewe und Edeka. Sie alle sind Teilnehmer des runden Tischs. Prüfer-Storcks löffelt abgelaufene Dickmilch, die sei „völlig in Ordnung“, sagt sie. Eine Zucchini, die so nicht mehr verkauft würde, wandert durch die unterschiedlichen Hände: „Wenn man die verarbeitet, ist das 1000-mal besser als ein Fertigprodukt“, versichert Cornelia Poletto. Prüfer-Storcks ergänzt: „Frisches Gemüse hat kein Mindesthaltbarkeitsdatum.“ Sie möge die „alten Sorten von Äpfel aus der Region“ und „nicht die, die so rot glänzen“.

Prüfer-Storcks und Poletto kochen Menü

Die Senatorin nimmt ein Paket mit Lasagneplatten (MHD 10/2016) in die Hand, begutachtet abgelaufene Pinienkerne. Poletto wirft sie in die Pfanne, bis sie leise knistern. Die Senatorin zupft in der Zwischenzeit Basilikum von den Stielen, die Kerne werden zusammen mit Hanföl (MHD 4/2017) zu einem Pesto gemixt. Polettos Mitarbeiter Roland bringt geröstetes Brot mit geschnittenen Tomaten. Prüfer-Storcks liefert „das Finish“ und träufelt liebevoll Pesto auf die Happen. Auch Sauerkraut ist wesentlich länger haltbar, als auf der Dose steht (MHD 12/2014) – „schmeckt ganz normal“, stellt die Senatorin fest.

Ein großes Thema sind stets Milchprodukte. Eine Molkerei-Expertin erklärt, dass frische Milch in Schälchen im Kühlschrank nach zwei Tagen Dickmilch ergibt. Garniert mit Schwarzbrotkrümeln oder Zucker sei das köstlich. Cornelia Poletto erzählt vom Kefir-Pilz ihrer Großmutter: „Schmeckte besser als aus dem Kühlregal“. Die Senatorin nippt währenddessen unerschrocken an einem Glas Biomilch (MHD 21.10.17).

Bei Fleisch- und Fischprodukten sollte man sich jedoch am aufgedruckten Verbrauchsdatum orientieren. Cornelia Poletto verwendet eine Bratwurst vom Vortag, lässt sie aber mindestens 30 Minuten im Wok garen. Auch das Bratfett, die Butter ist schon etwas älter (MHD 10.10). Köstlicher Duft steigt aus der Pfanne – riecht gut, schmeckt gut und sieht gut aus. Diese Botschaft soll bei allen Verbrauchern ankommen.

Was tun gegen Lebensmittelverschwendung?

- Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) garantiert, bis wann ein Produkt Geruch, Farbe und Geschmack beibehält. Schauen, riechen und probieren (Ausnahme sind tierische Produkte wie Hackfleisch).

- Gute Planung und ein Einkaufszettel verhindern überflüssige Einkäufe. Wer hungrig einkaufen geht, kauft oft mehr als nötig.  

- Lagern Sie Ihre Lebensmittel optimal. Und: Frisches nicht einfach vorne in den Kühlschrank stellen.   

- Kleine Portionen auf dem Teller werden eher aufgegessen.

- Bei einer Kühltemperatur zwischen einem und fünf Grad bleiben Lebensmittel länger frisch.

- Reste sollte man einfrieren. Brot lässt sich auch scheibenweise einfrieren und wieder auftauen.

- Verwerten Sie Reste. Tomatensoße wird zu Pizzabelag, Kartoffeln werden gebraten und Nudeln mit Käse zum Auflauf.