Hamburg. Alkoholverkaufsverbot zeigt Wirkung. Dicht gedrängt, aber friedlich feiert das Partyvolk auf Hamburgs letzter Vergnügungsmeile.

Die Dame mit flottem Kurzhaarschnitt, keckem Rock und trendigen Sneakern stellt sich vorsichtshalber vor. „Ich bin die Bezirksamtsleiterin“, sagt Stefanie von Berg zu den wenigen Polizisten, die am späten Freitagabend am Rande der „Teach-in-Kundgebung“ der Interventionistischen Linken am Bahnhof Sternschanze stehen. Dann beschreibt sie die Lage mit einem Wort: „Peacig.“

Die Bezirkschefin hat recht. Der befürchtete Krawall auf Hamburgs in Corona-Zeiten letzter verbleibender Partymeile ist ausgeblieben. Dabei war im Vorfeld eine Mischung aus Sodom, Gomorrha und Weltrevolution befürchtet worden. Tatsächlich erlebte die Schanze ein friedliches Wochenende. Offenbar auch Dank des vorsichtshalber ausgesprochenen Alkoholverbotes.

Schanze am Wochenende: Leute sitzen auf den Tischen

Dass etwas anders ist, hatten Anwohner schon früh bemerkt. „Sonst stehen hier die Gruppen ab 17 Uhr vor den Kiosken und besaufen sich“, sagt Gabriele Braun. Jetzt sitzen die Leute vor den Restaurants an den Tischen. Die brütende Hitze in den Räumen hat sie auf die Straße getrieben. Der leichte Wind, der als erfrischende Brise durch die Straßen weht, vermischt mit den Gerüchen der verschiedenen Küchen, verbreitet ein leicht mediterranes Flair. Es wird gelacht und getratscht. Nur die Stellwände mit Plastikfolie, die einige Restaurantbetreiber zwischen den Tischen drapiert haben, zeigen, dass Corona noch ein Thema ist.

Und natürlich ist da die Polizei, die zu zweit oder in kleinen Gruppen mit leuchtend gelben Westen und schwarzem Mundschutz durch die Straße pa­trouilliert oder sich, wie am „Knochen“ in der Susannenstraße, aufstellt.

Mit Nasen-Mundschutz und gelben Westen waren Polizisten im Schanzenviertel unterwegs.
Mit Nasen-Mundschutz und gelben Westen waren Polizisten im Schanzenviertel unterwegs. © dpa | Axel Heimken

Auf der Piazza wird manches Auge zugedrückt

Vor allem auf der Piazza gegenüber der Roten Flora, wo das Partyvolk wenig coronakonform wirkende Gruppen bildet, wird offenbar manches Auge zugedrückt. Von Abstandhalten kann in der Schanze keine Rede sein.

Auch wenn viele mit dem Verlauf des Wochenendes zufrieden sind – Esra Simsek ist es nicht. Seit 15 Jahren gehört ihr der Kiosk Susannen in der Susannenstraße. Simsek ärgert sich, dass sie keinen Alkohol verkaufen darf. „Ich habe kurz vor 17 Uhr gehört, dass es das Verkaufsverbot gibt“, sagt die 45-Jährige. Um 19 Uhr wurde ihr dann von der Polizei die Mitteilung zugestellt. Jetzt ist natürlich bei ihr und den Kioskkollegen der Umgebung wenig los. In einem leeren Kiosk steht der Betreiber sogar gelangweilt in der Tür neben dem Schild, auf dem auf das Verkaufsverbot hingewiesen wird. „Die Supermärkte hier dürfen weiter Alkohol verkaufen“, sagt Simsek. „Wir Kleinen nicht.“ Das empfindet sie als höchst ungerecht. „Ich will nicht reich werden. Aber ich muss meine Mieten zahlen können.“

"Die Maßnahmen waren ein Erfolg"

Ganz anders sieht es Sandra Levgrün, Sprecherin der Polizei. „Die Maßnahmen waren ein Erfolg“, sagt sie. Es gab kaum Polizeieinsätze. „Wir haben immer wieder das Verkaufsverbot für Alkohol überprüft und keine Verstöße festgestellt.“

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Die Interventionistische Linke, die bei der Polizei als besonders aufmüpfige Truppe gilt, hat an diesem Abend ordentlich die Aufenthaltsbereiche für die rund 150 Teilnehmer der Teach-ins aufgemalt, damit die Abstände zwecks Infektionsvermeidung gewahrt bleiben. Der Zulauf aus dem eher nüchternen Partyvolk hält sich in Grenzen, was wohl auch an der etwas langatmigen Präsentation des Themas „Polizeigewalt“ liegt. Und so zieht die Gruppe sang- und klanglos ab, nachdem die Polizei wegen Überziehung der angemeldeten Veranstaltungszeit eine Geldbuße avisierte.

Kioskinhaberin Esra Simsek fürchtet um ihr Geschäft.
Kioskinhaberin Esra Simsek fürchtet um ihr Geschäft. © Unbekannt | André Zand-Vakili

Immer wieder Fragen zum Alkoholverbot

„Wir hatten eigentlich kaum Probleme hier“, sagt ein Beamter. Eine große Anzahl von Einsatzkräften, die in den Unterkünften in Alsterdorf in Bereitschaft sind, bekommen in dieser Nacht das Viertel nicht einmal zu sehen. Dafür sahen sich die Polizisten vor Ort immer wieder Diskussionen oder Fragen zum Alkoholverkaufsverbot ausgesetzt. „Viele finden es gut“, sagt der Polizist. „Andere kokettieren damit, dass sie Alkohol sowieso mitbringen. Unter dem Strich war es für uns ein ruhiger Einsatz.“

Das Coronavirus in Deutschland und weltweit:

Das gilt auch für den Sonnabend, an dem die Restaurants genauso gut frequentiert sind wie am Tag zuvor. Nur schlagartig einsetzender Regen stört an diesem lauen Sommerabend die Einhaltung der Corona-Regeln. Pistengänger flüchten sich dicht gedrängt unter die großen Sonnenschirme, Polizisten in ihre Mannschaftswagen. Danach geht die Party weiter. Gesittet, wie es scheint. „Cornern“, das berüchtigte Trinken in Gruppen an Straßenecken, bleibt am Wochenende in der Schanze ganz aus.

Am Sonntag hat die Polizei Zahlen: 24 Ordnungswidrigkeiten wurden von Freitagabend bis Sonntagmorgen wegen Verstößen gegen die Allgemeinverfügung eingeleitet. Wohlgemerkt nicht in der Schanze, sondern in ganz Hamburg. Der ein oder andere liebäugle vermutlich bereits mit einem generellen Alkoholverbot, glaubt man bei der Polizei. Der Stadtteilbeirat hatte erst am Freitag gegen Menge und Alkoholisierungsgrad der Nachtschwärmer Front gemacht.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten