Hamburg. Die Nervenkrankheit lässt sich zwar nicht aufhalten, doch Medikamente und Hirnschrittmacher verheißen Linderung.

Das Modell eines aufgeschnittenen Gehirns vor dem Hörsaal war vielleicht nicht Jedermanns Sache. Dem großen Interesse an der Fortsetzung der Gesundheitsakademie des Uniklinikums Eppendorf (UKE) tat das Objekt aber keinen Abbruch: Etwa 350 Menschen besuchten vor Kurzem den Campus Lehre, um den Vortrag des Neurologen Christian Gerloff über Morbus Parkinson zu hören – eine Erkrankung, die sich durch einen unheilbaren, langsam fortschreitenden Verlust von Nervenzellen auszeichnet, unter dem schon berühmte Persönlichkeiten wie der Gelehrte Wilhelm von Humboldt und der Boxer Muhammad Ali litten.

UKE-Professor Christian Gerloff hatte ermutigende Nachrichten mitgebracht. Doch bevor er über Ursachen, Diagnostik und Therapien referierte, trat Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) ans Rednerpult. „Es ist eine hervorragende Idee, was das UKE hier macht“, sagte die Politikerin zum Start der zweiten Vorlesungsreihe. In der Bevölkerung gebe es einen großen Bedarf, sich über Gesundheitsthemen zu informieren. Es sei zwar reizvoll, dies online zu tun, sagte Prüfer-Storcks. „Dr. Google ist rund um die Uhr zu erreichen. Aber längst nicht alle medizinischen Informationen im Internet sind seriös.“ An der Gesundheitsakademie erläuterten erfahrene Experten den jüngsten Stand des Wissens. „Ich hoffe, es kommen noch mehr Staffeln hinterher“, sagte die Senatorin.

Schlaf- und Riechstörungen können frühe Parkinson-Symptome sein

Wie Neurologe Christian Gerloff erläuterte, liegt das Risiko, im Laufe des Lebens an Parkinson zu erkranken, für Männer im Schnitt bei zwei Prozent und für Frauen bei 1,3 Prozent. Weltweit seien vier Millionen Menschen betroffen, das mittlere Erkrankungsalter liege bei 55 Jahren. In etwa drei Viertel aller Fälle handele es sich um ein sogenanntes idiopathisches Parkinson-Syndrom, sagte Gerloff. „Idiopathisch“ bedeutet, dass Ärzte keine konkrete Ursache für die Erkrankung finden, wohingegen sie etwa das sekundäre Parkinson-Syndrom unter anderem auf Entzündungen des Gehirns und Vergiftungen zurückzuführen können.

Beim idiopathischen Parkinson-Syndrom sterben bestimmte Nervenzellen im Mittelhirn ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dieser hilft etwa dabei, Bewegungen zu steuern. Wenn etwa 60 Prozent der Dopamin-produzierenden Nervenzellen abgestorben sind, macht sich das bemerkbar, wie Gerloff sagte. Typische motorische Symptome in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung seien steife Muskeln, zitternde Hände im Ruhezustand, verlangsamte Bewegungen und eine instabile Haltung. Wie Gerloff erläuterte, verlieren Betroffene ihre Standreflexe, das heißt, sie können das Gleichgewicht nicht halten.

Schon Jahre bevor diese Hauptsymptome auftreten, können sich frühe Anzeichen zeigen. Dazu zähle etwa eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung, sagte Gerloff. Das bedeutet: Normalerweise sind Menschen im Traumschlaf (REM) ganz ruhig – durch eine REM-Schlafstörung hingegen bewegen sich die Betroffenen im Schlaf mitunter heftig. Auch eine Riechstörung kann auf Parkinson hindeuten. Weitere Frühsymptome können ein Absacken des Blutdrucks, Verstopfung und Schmerzen in Muskeln und Gelenken sein. Beschwerden im Kreuz etwa, die mit einer zunehmend gebeugten Haltung einhergehen, können diverse Ursachen haben, aber auch auf Parkinson hindeuten, weshalb Gerloff seinen Vortrag mit dem Titel überschrieben hatte: „Nur Rücken oder doch Parkinson?“

Hirnschrittmacher dämpfen überaktive Nervenzellen

Nur etwa fünf Prozent aller Parkinson-Erkrankungen seien erblich bedingt, sagte der Neurologe. Mögliche Risikofaktoren seien etwa starke Kopfverletzungen, Depressionen und Angstepisoden, ein Leben auf dem Land, wo Menschen unter Umständen stärker Pestiziden ausgesetzt sind. Doch insgesamt gebe es bisher nur viele Vermutungen, warum genau die Nervenzellen im Mittelhirn absterben, sagte Gerloff.

Bei einem Verdacht auf Parkinson überprüft der Arzt die Funktion des Nervensystems. Er kann außerdem eine Kernspintomografie (MRT) des Gehirns durchführen lassen sowie einen sogenannten L-Dopa-Test. Dabei erhalten Patienten die Dopamin-Vorstufe L-Dopa, was mögliche Parkinson-Symptome wie Bewegungsstörungen lindert. Wenn L-Dopa so wirkt, ist das aber noch kein Beweis für ein Parkinson-Syndrom. Ergänzend könne eine Untersuchung des Hirnstoffwechsels (PET) sinnvoll sein, sagte Gerloff. „Das sollte man aber sehr gezielt machen und nicht als alleinige Diagnostik, sonst ist es reine Geldverschwendung und die Ergebnisse verunsichern den Patienten womöglich nur unnötig.“

Mit Blick auf die Therapie konnte der Neurologe von erheblichen Fortschritten berichten. „Die motorischen Symptome von Parkinson lassen sich durch Medikamente sehr gut behandeln“, sagte Gerloff. Allerdings lasse die Wirkung der Arzneien mit der Zeit nach und der Verlust von Nervenzellen beim idiopathischen Parkinson-Syndrom lasse sich bisher nicht aufhalten.

Bestimmten Patienten könne die Tiefe Hirnstimulation helfen, sagte Gerloff. Dabei setzen Ärzte bei einer Operation spezielle Sonden ins Gehirn ein. Diese Hirnschrittmacher schalten einen Teil des Gehirns aus, um überaktive Nervenzellen zu hemmen, wie Gerloff erläuterte. Das sei längst keine experimentelle Therapie mehr, sagte der Neurologe. Weltweit seien schon 150.000 Parkinson-Patienten auf diese Weise behandelt worden.

Eine große Herausforderung bleibe die Therapie der nicht-motorischen Symptome der Parkinson-Erkrankung. Hier habe die Medizin erst wenig vorzuweisen, sagte Gerloff. An Gentherapien werde zwar geforscht, ein Durchbruch sei aber nicht in Sicht. Derzeit sei es für einen optimalen Behandlungserfolg wichtig, dass Parkinson-Patienten nicht nur Medikamente erhielten, sondern je nach Bedarf auch von Physiotherapeuten, Logopäden und Psychotherapeuten behandelt und von Ernährungsberatern begleitet werden, sagte Gerloff. Im besten Fall könnten Betroffene dann viele Jahre gut mit Parkinson leben.