Hamburg. Sven Odia ist seit 23 Jahren bei Engel & Völkers und seit Kurzem alleiniger Chef. Welche Pläne er nun hat. Ein Porträt.
Eine einzige Bewerbung hat Sven Odia in seinem Leben geschrieben. Das war 1996, und es ging um eine Ausbildung zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft bei Engel & Völkers. Er bekam den Ausbildungsplatz.
Seit 23 Jahren arbeitet der heute 43-Jährige für das Hamburger Maklerunternehmen, das auf den Verkauf von hochwertigen Immobilien spezialisiert ist. Seit 2014 hat er gemeinsam mit Christian Völkers – der das Unternehmen 1977 gegründet hatte – die Engel & Völkers AG geleitet. Im August ist Völkers an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt und Odia seit Mitte August der alleinige Vorstandsvorsitzende.
Die HafenCity liegt Sven Odia zu Füßen
Er empfängt zum Gespräch in seinem lichtdurchfluteten Büro in der sechsten Etage mit Balkon. Die HafenCity liegt ihm zu Füßen. Odia lässt den Blick über die Elbphilharmonie und die Elbe schweifen. „Wenn es nicht zu kalt ist, dann sitze ich morgens ab 8 Uhr erst mal eine halbe Stunde hier draußen und führe die ersten Telefongespräche.“
Vor zwei Jahren ist Engel & Völkers von der Stadthausbrücke in die neue, von dem New Yorker Architekten Richard Meier entworfene Firmenzentrale an der Vancouverstraße gezogen. Wie fühlt es sich an, jetzt alleine für das Unternehmen als Chef verantwortlich zu sein? Odia schenkt Kaffee ein und lächelt. „Es hat sich für mich eigentlich nichts verändert. Ich tausche mich weiterhin intensiv mit Christian Völkers aus, und wir setzen weiterhin auf Expansion.“
Die Corona-Krise hat zumindest Engel & Völkers nicht erwischt
„Die Nachfrage nach Luxusimmobilien im Preissegment ab zwei bis fünf Millionen Euro ist alleine im Juni und Juli gegenüber dem Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. Wir haben aktuell ein Plus von acht Prozent bei den Courtageumsätzen im Vergleich zu 2019.“
Odia erklärt, wie es dazu kommt: „Während des Lockdowns haben die Menschen viel mehr Zeit in ihren eigenen vier Wänden verbracht und sich mit ihrem Zuhause beschäftigt. Dabei sind einige auf die Idee gekommen, sich zu verändern. Zum Beispiel, weil man mehr Platz für das Homeoffice braucht.“ Ein Trend sei, dass Kunden teilweise aus der Stadt ins Umland ziehen und sich dort ein Refugium mit großem Grundstück suchen.
Weltweit arbeiten mehr als 13.000 Menschen für Engel & Völkers
Als Odia, der aus Ellerbek stammt, bei Engel & Völkers begann, „hatten wir 150 Mitarbeiter, heute sind wir in mehr als 30 Ländern auf fünf Kontinenten vertreten“. Der Chef lässt die Zahlen sprechen. „Weltweit sind mehr als 13.000 Personen unter der Marke Engel & Völkers tätig.“ Seit 1998 vergibt das Unternehmen Lizenzen an selbstständige Makler, die dann unter der Marke Engel & Völkers Häuser und Wohnungen verkaufen. Inzwischen existieren mehr als 900 Wohnimmobilienshops und Gewerbebüros.
„Unser Anspruch ist es, dass die Kunden immer den gleichen professionellen Service erleben – egal ob sie einen Shop in Winterhude, in Santiago de Chile oder in Kapstadt betreten. Wir legen größten Wert auf eine umfassende Schulung und Betreuung unserer Lizenzpartner und Immobilienberater. Alle Dienstleistungsprodukte, die wir entwickeln, entstehen hier in unserer Zentrale in Hamburg und werden dann sozusagen hinaus in die Welt getragen.“
Engel & Völkers-Chef Sven Odia brennt für seinen Job
Wer sich mit Sven Odia unterhält, spürt nach wenigen Augenblicken, dass der Mann für seinen Job brennt und immer höher hinaus will. Im vergangenen Jahr lag der „Markencourtageumsatz“ des Unternehmens bei rund 820 Millionen Euro.
Ende 2022 soll die Milliarde geknackt werden. Damit dieses ehrgeizige Ziel erreicht wird, werden neue Märkte erschlossen: Bislang war Dänemark ein weißer Fleck auf der Landkarte, in den nächsten Monaten werden dort acht Shops eröffnen. „Wir sehen in Dänemark großes Potenzial“, sagt Odia und ist dann gleich wieder am anderen Ende der Welt. „Wir haben einen Shop in Hongkong, und natürlich wollen wir im asiatischen Raum weiterwachsen.“
In der Firmenzentrale arbeiten in der Regel 350 Personen
In der Firmenzentrale in der HafenCity arbeiten normalerweise rund 350 Mitarbeiter. Doch in Zeiten der Pandemie sind es deutlich weniger. „Unsere Mitarbeiter sind technisch so gut ausgestattet, dass auch schon vor Corona das flexible Arbeiten von zu Hause eine beliebte Alternative zum Büro war. Das funktioniert reibungslos, und der Output stimmt“, sagt Odia.
Während des Lockdowns von Mitte März bis Mitte Mai hat er häufig im Büro alleine die Stellung gehalten. „Ich war manchmal mit dem Wachdienst der Einzige hier.“ Aber auch Odia hat von zu Hause aus gearbeitet. „Es ist praktisch, dass man Besprechungen per Videokonferenz abhalten kann. Aber das ersetzt natürlich nicht den persönlichen Austausch im Büro, wenn man gemeinsam am Tisch sitzt.“
Zweijähriges Gastspiel auf Mallorca
Beim Abendblatt-Gespräch trägt der Immobilien-Experte einen grauen Anzug mit blau-weiß gestreiftem Hemd und einer rot gemusterten Krawatte. In diesem Outfit könnte man sich ihn auch bei einer Besichtigung mit solventen Kunden in einer Villa mit Elbblick gut vorstellen. Odia hat das Geschäft von der Pike auf gelernt und vor allem auf Mallorca zahlreiche Objekte der gehobenen Preisklasse erfolgreich vermittelt.
Gleich nach seiner Ausbildung hat er 1999 die Lizenz von Engel & Völkers für die Baleareninsel erworben. „Das war eine spannende Zeit. Ich war 22 Jahre alt und habe dann dort mein eigenes Team aufgebaut.“ Bei der Präsentation der Objekte hatte er seine eigene Strategie. „Wenn die Kunden das Haus betreten haben, habe ich erst mal genau ihre Reaktion beobachtet. Da konnte man meist schon sehen, ob diese Immobilie für die Kunden passt. Überhaupt sehe ich mich als Dienstleister, der die Wohnträume der Kunden wahr macht.“
Auch zwei Jahrzehnte später erinnert sich der Vorstandsvorsitzende noch an einzelne Objekte, die er auf Mallorca verkauft hat. Zum Beispiel an eine Villa mit Meerblick bei Port d’Andratx. „Mit den Käufern von damals bin ich heute gut befreundet.“ Zwei Jahre dauerte das Gastspiel von Odia auf Mallorca. Danach war er an mehreren Engel-&-Völkers-Shops in Nordrhein-Westfalen beteiligt. Von 2005 an kümmerte sich Odia um den Einstieg in das USA-Geschäft. Drei Monate lang hat er den Markteintritt von Engel & Völkers vor Ort begleitet.
Entspannung beim Polo und auf der Finca auf Mallorca
Das erste Büro wurde in Naples in Florida eröffnet, heute gibt es in den USA 250 Standorte. „Das ist ein hart umkämpfter Markt und dementsprechend eine große Herausforderung. In Amerika gibt es natürlich sehr exklusive Immobilien, die häufig auch eine spannende Geschichte haben.“ Aktuell hat Engel & Völkers ein Anwesen für 18,6 Millionen Euro in Miami Beach im Angebot. Das luxuriöse Anwesen am Wasser gehörte in den 90er-Jahren der US-amerikanischen Sängerin und Schauspielerin Cher.
Bereits 2006 rückte Odia in den Vorstand der Engel & Völkers AG auf. Mit 37 Jahren wurde er an der Seite von Christian Völkers Vorstandsvorsitzender. Was treibt ihn an? „Dass wir erfolgreich sind und uns immer weiterentwickeln.“ Das dürfte wohl der Grund sein, warum Odia niemals schwach geworden ist und zu einem anderen Immobilienunternehmen gewechselt ist. „Ich bekomme nicht viele Angebote. Die Branchenkollegen wissen, dass ich mich bei Engel & Völkers wohlfühle und hier wirklich einen Traumjob habe.“
Lieber Teamplayer als Chef
Und wie ist er als Vorgesetzter? „Ich sehe mich nicht als Chef, sondern als Teamplayer. Titel interessieren mich nicht, es geht darum, das Geschäft voranzutreiben. Erfolg können wir nur gemeinsam haben., Mir liegt viel daran, die Mitarbeiter sowie unsere Immobilienberater zu begeistern und zu fördern.“
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Aber es gibt nicht nur den E&V-Chef, sondern auch den Privatmann. Der lebt in den Elbvororten. Wenn Odia abschalten möchte, geht er an der Elbe spazieren oder joggen. Seit fünf Jahren hat er ein Hobby, das er mit seiner zwölf Jahre alten Tochter und dem 16-jährigen Sohn teilt. „Christian Völkers hat uns für den Polosport begeistert. Ich musste dafür reiten lernen, und inzwischen möchte ich diesen Teamsport, bei dem sich Mensch und Tier zu 100 Prozent aufeinander einlassen müssen, nicht mehr missen.“ Im Winter geht es zum Skifahren in die Berge.
Odias Lebensmittelpuntk bliebt an der Elbe
Und dann strahlt Odia über das ganze Gesicht, als er von seinem Refugium auf Mallorca erzählt. „Ich habe mir vor fünf Jahren eine Finca aus dem 14. Jahrhundert in der Nähe von Santanyí im Südosten der Insel gekauft. Es ist eine Leidenschaft von mir, mich mit Immobilien auch privat zu beschäftigen. Ich lasse mir dabei viel Zeit und gestalte dieses Objekt nach meinen Wünschen um.“
Odia ist auch gerne Gastgeber und freut sich schon darauf, Freunde in den Innenhof des Hauses einzuladen. Aber sein Lebensmittelpunkt bleibt an der Elbe. „Nach Geschäftsreisen habe ich mich immer auf den Moment gefreut, wenn ich wieder in Hamburg gelandet bin.“