Hamburg. Vater sticht seine Frau nieder und zündet seinen Sohn an. War der Auslöser des Familiendramas in Lurup ein Sorgerechtsstreit?
Es ist ein unfassbares Familiendrama, das sich in einem Mehrfamilienhaus an der Luruper Hauptstraße abgespielt hat. Dort ging am Freitagnachmittag eine Wohnung in Flammen auf. Laut Polizei hatte ein von seiner Familie getrennt lebender Mann (49) erst seine Frau (40) mit einem Messer angegriffen und anschließend seinen zehn Jahre alten Sohn mit einer brennbaren Flüssigkeit überschüttet und angesteckt. Auch der Mann selbst verletzte sich dabei. Er schwebt nun ebenfalls in Lebensgefahr. Die Tochter (12) des Paares wurde mit einer Rauchvergiftung ins Krankenhaus gebracht. Das Mädchen ist schwer, aber nicht lebensgefährlich verletzt.
Was zunächst lediglich wie ein schwerer Wohnungsbrand aussah, war schon kurz danach ein Fall für die Mordkommission. Gegen 17.15 Uhr war die Feuerwehr an die Luruper Hauptstraße gerufen worden. In einem fünfgeschossigen Mehrfamilienhaus brannte eine Wohnung lichterloh. Die Flammen waren bereits an der Fassade zu sehen. Das Feuer drohte auf die darüber liegende Etage überzugreifen.
Haut des Sohnes ist schwer verbrannt
Die Feuerwehr gab zweiten Alarm und schickte Verstärkung. Rund 60 Beamte waren schließlich vor Ort. Die Feuerwehrleute holten die Frau, die beiden Kinder und den 49-Jährigen aus der Wohnung. Teilweise wurde sie über eine Drehleiter, teilweise unter sogenannten Fluchthauben, die vor Qualm schützen, durch das Treppenhaus ins Freie geholt.
Der 49-Jährige selbst erlitt schwere Verbrennungen. Auch sein Sohn ist schwer verbrannt. Rund 50 Prozent seiner Haut sei betroffen, hieß es. Der Mann, die Frau und die Kinder sollen zudem heiße Gase eingeatmet haben. Auch das ist lebensgefährlich.
Vier Notärzte kämpften vor Ort um das Leben der Familie. Alle wurden ins Unfallkrankenhaus Boberg geflogen. Es ist auf Brandverletzungen und sogenannte Inhalationstraumen, die durch eingeatmete heiße Gase entstehen, spezialisiert. Möglicherweise, so hieß es am Abend, müssen ein oder zwei Verletzte in eine Spezialklinik nach Lübeck weitergeflogen werden.
Lurup: Eltern noch nicht geschieden
Die übrigen Bewohner des Mehrfamilienhauses brachten sich selbst vor Rauch und Flammen in Sicherheit. 15 von ihnen erlitten zumeist leichte Rauchvergiftungen. Auch drei Polizisten hatten Rauch eingeatmet. Sie kamen vorsorglich ins Bundeswehrkrankenhaus in Wandsbek.
Schnell war klar, dass mehr passiert war als ein tragischer Wohnungsbrand. Die Frau hatte Schnittverletzungen. Sie lebte getrennt von ihrem Mann. Das aus der Türkei stammende Paar war aber noch nicht geschieden.
Zeuge: Vater lief brennend und mit Messer auf Balkon
Am späten Nachmittag soll der Mann vor der Tür aufgetaucht und gewaltsam in die Wohnung eingedrungen sein. Drinnen soll die Situation sofort eskaliert sein. Zuerst kam es nach Erkenntnissen der Polizei zu der Messerattacke auf die Frau. Dann verschüttete er eine brennbare Flüssigkeit, vermutlich Benzin, über seinen Sohn und zündete diese an. Dabei kam es offenbar zu einer Verpuffung, durch die auch der Mann sofort in Flammen stand. „Wenn man in einem beheizten Raum Benzin verschüttet, bilden sich sofort leicht entzündliche Gase“, sagt ein Feuerwehrmann.
Zeugen berichteten, dass der Mann brennend und mit einem Messer in der Hand auf einen Balkon gelaufen sei und von dort gebrüllt habe: „Sie sollen alle brennen.“
Familiendrama in Lurup wegen Sorgerechtsstreit?
Der Wohnungsbrand selbst wurde von der Feuerwehr schnell gelöscht. Die Polizei beschlagnahmte die Wohnung als Tatort. Beamte des Kriminaldauerdienstes rückten an. Die Mordkommission übernahm schon kurz darauf den Fall. Spezialisten der Brandermittlung des Landeskriminalamtes (LKA 45) sind mit in den Fall eingebunden.
Mehrere Augenzeugen, Ersthelfer und Familienangehörige wurden vom Kriseninterventionsteam (KIT) des Deutschen Roten Kreuzes betreut.
Nachbarn zufolge lebte das Paar bereits seit fast einem Jahr getrennt. Der Mann soll seine Frau und die Kinder häufiger in der Wohnung an der Luruper Hauptstraße besucht haben. Nachbarn berichten von Streitereien zwischen dem 49-Jährigen und seiner Noch-Ehefrau, zu denen es bei den Besuchen gekommen sein soll. Auslöser der Tat könnte gewesen sein, dass die Frau, auch das berichten Anwohner, dem Mann den Umgang mit den gemeinsamen Kindern gerichtlich verbieten lassen wollte.
Wenn es in Hamburg zu Familiendramen kommt
In Hamburg kommt es immer wieder zu erschütternden Familiendramen. Eines der grausamsten Verbrechen der vergangenen Jahre ereignete sich im April 2018 in der S-Bahn-Haltestelle Jungfernstieg, wo eine Mutter (34) und ihre einjährige Tochter vor den Augen zahlreicher Passanten erstochen worden waren. Das Mädchen starb noch auf dem Bahnsteig, seine Mutter wenig später im Krankenhaus. Der Täter war der frühere Freund der Mutter und Vater des Kindes.
Der Vater aus dem Niger hatte wenige Monate davor einen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht für das einjährige Mädchen bei Gericht gestellt. Die Mutter hatte dem nicht zustimmen wollen. Sie hatte gegenüber Behörden von massiven Drohungen berichtet und den Vater als „übergriffig“ beschrieben. Zu körperlicher Gewalt gegen Sandra P. oder die gemeinsame Tochter war es vor der grausamen Tat offenbar jedoch zuvor nicht gekommen.
Im Dezember 2018 ereignete sich eine weitere furchtbare Tat: Ein Hamburger hatte seine von ihm getrennt lebende Frau mit rund 50 Messerstichen umgebracht. Zuvor soll sie zu ihm gesagt haben, dass er kein richtiger Mann sei.
Das Paar hatte zwei gemeinsame Kinder und lebte seit Sommer 2017 getrennt. Die Leiche der Frau, die vier Kinder hatte, wurde von dem gemeinsamen, damals elf Jahre alten Sohn gefunden. Der Psychiater sagte später vor Gericht, , der Angeklagte sei weder psychotisch noch habe er eine schwere Depression.