Hamburg. Kraftwerk Moorburg ist der größte Einzelverursacher. Umweltsenator Kerstan attackiert Bundesregierung.
Der Kampf gegen den Klimawandel rückt noch stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte. Vor Beginn der Klimawoche und dem heutigen Streik der „Fridays for Future“-Bewegung hat der Senat von der Bundesregierung eine eindeutige Strategie gefordert. „Wir brauchen einen Gesamtplan für Deutschland, der aufgeht und in dem alle Akteure ihren Auftrag kennen“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sagte dem Abendblatt, dass Hamburg eigene große Beiträge leisten müsse und werde: „Das Klima wartet nicht auf politische Kompromisse“.
Die Umweltbehörde verweist darauf, dass Hamburg seine Emissionen von Kohlendioxid (CO2) seit dem Jahr 1990 um 18 Prozent reduziert habe – dennoch liegt das Ziel von 55 Prozent weniger Ausstöße bis 2030 noch in weiter Ferne. Nach neuen Daten produzierte Hamburg 2016 rund 16,8 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2.
Die Liste der größten Klimasünder Hamburgs wirkt zunächst wenig überraschend: Spitzenreiter ist das Kohlekraftwerk Moorburg, dass jährlich mit rund 6,2 Millionen Tonnen CO2 allein so viele klimaschädliche Gase ausstößt wie rund zwei Millionen Autos mit einer Fahrleistung von jährlich je 13.900 Kilometern. Diese gewaltige Menge ist, anders als der Ausstoß von einer Million Tonnen an CO2 durch das deutlich kleinere Kraftwerk in Wedel, nicht in der sogenannten „Verursacherstatistik“ Hamburgs und seiner CO2-Gesamtsumme enthalten – denn Moorburg wird in die CO2-Bilanz des Bundes gerechnet und daher in Hamburg nicht gezählt. Auch der Kupferproduzent Aurubis, die Nynas-Raffinerie und der Aluminiumhersteller Trimet emittierten mehr als 100.000 Tonnen CO2 in die Luft.
In der Verursacherstatistik haben dennoch Privathaushalte und Gewerbe gemeinsam mit 7,4 Millionen Tonnen den größten Anteil von 44 Prozent am Ausstoß. Der Verkehr macht mit 4,5 Millionen Tonnen CO2 einen Anteil von 27 Prozent aus – weit überwiegend durch Autos und Lkw. In der Statistik wird jedoch etwa bei Flugzeugen nur das in Hamburg getankte Kerosin berücksichtigt, bei Schiffen wird der internationale Verkehr nicht erfasst. Der öffentliche Nahverkehr hat einen eher geringen Anteil: Die Hochbahn spricht von zuletzt 112.000 Tonnen pro Jahr und will bis 2030 völlige Klimaneutralität erreichen.
Kerstan: "Menschengemachte Megaprobleme"
Umweltsenator Kerstan spricht von „menschengemachten Megaproblemen“. Er übt auch scharfe Kritik an aus seiner Sicht unzureichenden Überlegungen der Bundesregierung zur Besteuerung von Kohlendioxid-Produzenten: „Ein zaghafter CO2-Preis bei gleichzeitiger Erhöhung der Pendlerpauschale – wie es der Bund dem Vernehmen nach plant – sind wirkungslose Schritte“. Man müsse „jetzt endlich vorankommen mit konkreten und wirksamen Maßnahmen“.
Die Vertreter von energieintensiven Unternehmen sehen sich auf einem guten Weg. Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbandes Hamburg (IVH) verwies auf die Umweltpartnerschaft mit der Stadt und die eigenen Bemühungen – im Fokus stehe die Entwicklung von CO2-armen Prozessen. „Nachhaltigkeit liegt angesichts hoher Energie- und Ressourcenkosten im ureigenen unternehmerischen Interesse“, sagte der IVH-Vorsitzende Matthias Boxberger. Die Kreuzfahrtbranche hat sich selbst freiwillig verpflichtet, ihre CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber dem Jahr 2008 zu reduzieren. Laut dem Deutschland-Chef des Verbandes CLIA, Helge Grammerstorf, sei man „Vorreiter im maritimen Umweltschutz“ und arbeite intensiv an der Verringerung des Treibstoffverbrauchs. Neben dem CO2-Ausstoß steht die Kreuzfahrtindustrie auch wegen der Emission von Stickoxiden in der Kritik von Umweltschützern.
BUND fordert ein Ende der „Sonntagsreden“
Der BUND-Geschäftsführer Manfred Braasch verweist darauf, dass die Industrie laut Statistikamt deutlich weniger zur bisherigen Reduktion des CO2-Ausstoßes beigetragen habe als die privaten Haushalte. Er hofft für den heutigen „Welt-Streiktag“ der Klimabewegung auf ein starkes Signal. „Erst der Druck der Straße wird dazu führen, dass die aktuellen Sonntagsreden vieler Hamburger Politiker auch zu einer konkreten und wirksamen Klimaschutzpolitik werden.“
Laut Umweltsenator Kerstan soll im Dezember der neue Klimaplan der Stadt beschlossen werden. Man sei sich der Dringlichkeit bewusst: „Die Demonstrationen der Jugendlichen und die Forderungen und Protestaktionen aus der Zivilgesellschaft zeigen den Verantwortlichen in Parlamenten und Rathäusern, dass die Erwartungen hoch sind.“