Hamburg. Björn Lengwenus, Leiter der Stadtteilschule Alter Teichweg, spricht im Abendblatt über Platzprobleme und Neubauprojekte.
Die Stadtteilschulen verzeichnen einen Anmelderekord: Erstmals wird die Zahl der Fünftklässler dort etwa so groß sein wie an den Gymnasien. Um den Zuwachs zu bewältigen, müssen einige Stadtteilschulen zusätzliche Klassen einrichten. Besonders gefragt ist die Stadtteilschule Alter Teichweg in Dulsberg. Mit deren Leiter Björn Lengwenus sprach das Abendblatt über die Stimmung an der Schule.
In den vergangenen vier Jahren ist die Zahl Ihrer Schüler von 950 auf 1500 gestiegen. Wie kam es dazu?
Björn Lengwenus: Die Stadtteilschule als Ganzes genießt inzwischen eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung. Davon profitieren auch wir. Die Eltern haben verstanden, dass ihre Kinder an der Stadtteilschule in 13 Jahren ein gutes Abitur machen können, das genauso viel wert ist wie der Abschluss am Gymnasium. Hinzu kommt, dass Stadtteilschulen mittlerweile so gute Profile anbieten, also vertiefende Kurse etwa zu Kunst und Kultur, das dies zunehmend interessant wird für viele Eltern. Dahinter steckt der Wunsch, dass den Schülern bestimmte Bildungsthemen umfassender vermittelt werden.
Ein höheres Ansehen der Stadtteilschulen insgesamt erklärt aber nur bedingt die gestiegenen Anmeldungen an Ihrer Schule ...
Lengwenus: Uns ist es gelungen, Kinder auf dem Dulsberg bei uns zu behalten. Früher gab es Abwanderungen. Es hieß: Der Dulsberg ist ein Brennpunktstadtteil – wenn man hier schon wohnt, müssen die Kinder nicht auch noch hier zur Schule gehen. Das hat sich geändert. Das Vertrauen in unsere Schule ist durch unterschiedliche Ansätze gewachsen, etwa durch ein langfristiges Anti-Gewalt-Konzept. Es ist uns zudem gelungen, unsere Schule in anderen Stadtteilen bekannt zu machen. Wir sind eine vom Deutschen Olympischen Sportbund anerkannte Eliteschule des Sports, wollen aber auch für alle unsere Schülerinnen und Schüler eine Eliteschule des Breitensports sein und Talente stärker fördern, die nicht als Leistungssportler zu uns kommen. Unser zweites Profil ist kultureller Natur: Wir drehen viele Filme, haben dafür den Bildungspreis bekommen, wir engagieren uns in der Bildenden Kunst.
Welche Rolle spielt die Imagekampagne der Schulbehörde für die Stadtteilschulen?
Lengwenus: Das macht viel aus. Es gibt uns das Gefühl, dass es wirklich gewollt ist, die Stadtteilschulen als gleichwertige Schulform neben den Gymnasien zu etablieren. Das lässt uns mit einem neuen Selbstbewusstsein auftreten. Wir verstecken unsere Leistungen nicht, nehmen an Wettbewerben wie „Jugend debattiert“ teil. Wir sind keine Resteschule, sondern haben tolle, kreative Schüler. Das tragen wir nach außen: Wir haben zum Beispiel eine Plakat-Aktion in den U-Bahnhöfen in der Umgebung organisiert, mit der wir uns selber zu dem Bildungspreis gratulieren. Unsere Schüler gehen daran vorbei und sagen: Hey, das ist meine Schule! Es gibt auch Armbänder für unsere Schüler mit dem Schriftzug „Be part“ – sei Teil!“. So spricht es sich herum, dass dies ein guter Ort ist.
Haben Sie Platzprobleme durch den Schülerzuwachs bekommen?
Lengwenus: Es gibt eine Berechnung, wie Schulen ausgestattet sein sollten – demnach hatten wir früher zu viel Platz. Vor vier Jahren konnten wir etwa 20 Räume unter anderem noch als Labore und für vertiefenden Unterricht nutzen. Heute, mit 550 zusätzlichen Schülern, ist unser Gebäude den Berechnungen nach etwas mehr als voll. Einerseits ist es ein gutes Gefühl, als Schule so gefragt zu sein. Andererseits gibt es das Gefühl: Oh, Gott, jetzt ist es aber echt eng geworden hier. Es gab natürlich auch Widerstand gegen die zunehmende Belegung.
Welcher Art?
Lengwenus: Die Lehrer haben gefragt: Muss das sein, dass wir so wachsen? Ich habe geantwortet: Ja, es muss sein. Wenn Kinder als Erstwunsch angeben, dass sie unsere Schule besuchen wollen, müssen wir das möglich machen. Das ist doch was richtig Gutes! Natürlich ist es bedauerlich, zum Beispiel einen Raum zu verlieren, der neben dem Klassenzimmer für vertiefende Übungen bereitstand. Einen Ruheraum, einen Computerraum und den Raum für eine Biologiesammlung mussten wir umwandeln in Klassenzimmer, was schade ist. Aber ich finde, dass das wie im Fußballstadion ist: Wenn es halb leer ist, kann man auf den Nachbarsitz Bier und Wurst abstellen. Wenn es voll ist, muss man es auf dem Knie tragen. Aber wir wollen doch volle Stadien und beliebte Schulen. Wir müssen einfach kreativ sein, um mit der wachsenden Schülerschaft umzugehen.
Wie sind die Eltern damit umgegangen?
Lengwenus: Da hat es keine Kritik gegeben. Im Gegenteil: Die Elternschaft hat sich dafür eingesetzt, dass die Schüler, die sich hier anmelden, auch aufgenommen werden, wenn wir Platz für sie haben.
Ist Ihre Schule auf eine noch größere Schülerschaft eingestellt?
Lengwenus: Wir waren nach dem Schulentwicklungsplan als vierzügige Stadtteilschule eingestuft. Inzwischen sind wir siebenzügig, wobei eine sechszügige Oberstufe geplant ist. Unsere Grundschule war bisher auf dem Plan zweizügig, aber real dreizügig. Für die wachsende Grundschule soll nun ein Neubau entstehen. Außerdem sollen neue Flächen entstehen, die wir als siebenzügige Stadtteilschule brauchen werden. Wir hoffen, dass die neuen Gebäude dann unseren Bedürfnissen gerecht werden.
Die Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus sagt, es sei nun eine zentrale Aufgabe der Stadtteilschulen, vom Gymnasium abgeschulte Schüler wieder zu stärken, nur erhielten die Stadtteilschulen dafür nicht genügend Mittel. Sehen Sie das auch so?
Lengwenus: Natürlich würde ich nicht Nein sagen, wenn ich zusätzliche Räume und Lehrer bekäme. Aber das gilt wohl auch für Kollegen an vielen anderen Schulen. Als Stadtteilschule übernehmen wir ganz viele Aufgaben, kümmern uns um die Inklusion, um Flüchtlingskinder, um hochbegabte Kinder, wir bieten das Abitur an und vieles mehr. Ich finde allerdings, dass wir mit den Ressourcen, die uns bisher zugeteilt wurden, einen guten Unterricht machen können. Insgesamt sind die Zuwendungen für die Stadtteilschulen in den vergangenen Jahren ganz schön gewachsen. Wir kommen gut zurecht. Das muss man auch mal feststellen. Erst einmal machen wir jetzt mit dem, was wir haben, gute Schule und um mehr Ressourcen streiten wir uns dann später.