Hamburg. Elena ist als russische Jüdin selbst vor acht Jahren aus ihrer Heimat nach Hamburg geflohen – und kennt die Probleme.
Dass Elena (Name von der Redaktion geändert) Russin ist, im Land Putins geboren, das hält sie nicht ab zu helfen. Und es schreckt im Gegenzug auch die ukrainischen Geflüchteten nicht, sich ihr anzuvertrauen. „Ich habe keinen Hass erlebt, ich bin politisch neutral und versuche, Russland-Themen raus zu lassen“, sagt Elena, die mit den Ukrainern ausschließlich Russisch spricht.
Die Sprachverwandtschaft sei wie Deutsch zu Holländisch, man könne sich gut verstehen. Die 41-Jährige betreut seit Tag eins, als die ersten Ukrainer in Rahlstedt ankamen, vier Familien und ist Teil einer Freiwilligengruppe – neben ihrer eigentlichen Arbeit als Technikerin. Hier arbeitet sie von Freitag bis Sonntag im 12-Stunden-Schichtdienst, unter der Woche sollte sie eigentlich für ihre Abschlussprüfungen lernen und an ihrer Arbeit schreiben. „Aber ich musste helfen, ich habe die Not gesehen“, sagt sie.
Russin hilft Ukrainern in Hamburg – sie ist selbst geflüchtet
Als russische Jüdin war sie vor 22 Jahren selbst mit Mutter und Bruder nach Wuppertal geflüchtet, kam vor acht Jahren nach Hamburg wegen einer damaligen Anstellung in der Kreuzfahrtbranche. „Ich war einmal selbst in dieser Lage, komplett neu anfangen zu müssen“, sagt die Frau, die auch schon als Arzthelferin gearbeitet hat, „aber ohne den Druck, den Krieg, die Ungewissheit im Nacken“.
Fast den ganzen Tag telefoniert sie für ihre Schützlinge, es geht um Meldebescheinigungen, Arbeitsgenehmigungen, Verbesserung der Wohnverhältnisse, Essen, Handykarten. Sie erklärt, wie der HVV funktioniert, warum schnelle Deutschkurse das Wichtigste seien, organisiert Arzttermine. „Meine eine Frau ist taub und hat nur ein Bein, wie soll sie hier allein zurecht kommen?“, fragt Elena. „Sowieso ist es für die Menschen ab 65 Jahren sehr schwer, viele sind etwas krank, ohne Verwandte und es gibt zu wenig Übersetzer.“
In den Unterkünften mit sechs Zimmern und Stockbett und einem WC für 125 Leute fingen die Probleme an, „eine Wohngemeinschaft mit Älteren, das wäre vielleicht eine Lösung“, meint sie. Die zweite Gruppe, die ihr Sorgen mache, das seine die kleinen Kinder, „denn es gibt in den Unterkünften überhaupt keine Möglichkeit, die richtig mit warmem Brei, Püriertem oder Suppen zu ernähren“.
Viele Ukraine-Geflüchtete haben Situation noch nicht realisiert
Ausgegeben würden Brot mit Aufstrichen am Morgen, mittags Reisgerichte und abends wieder Brot. Angepasst für Erwachsene, aber eben nicht für Kinder, die mit Bauchschmerzen und Infekten zu kämpfen hätten. „Diese falsche Ernährung wird sie ihr Leben lang begleiten.“ Hygiene- und Brandschutzvorschriften machten Pläne, elektrische Herdplatten, Wasserkocher oder mobile Suppenküchen zu den Eltern zu bringen, unmöglich.
Elena seufzt, sie kennt die vergeblichen Bemühungen, die Sackgassen, und will dennoch immer weiter nach anderen Lösungen suchen. Denn: „Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist so enorm, die Menschen fahren andere hin und her, spenden sofort Dinge, die gebraucht werden.“
Was weder Elena noch andere ändern können, ist, dass viele Flüchtlinge ihre Situation noch nicht wirklich realisiert haben. „Die meisten, vor allem die aus weniger stark bombardierten Gegenden, wollen schnell wieder zurück und haben Angst, sich klar zu machen, dass ihre Heimat vernichtet ist.“ Elena seufzt. Sie weiß, dass es nicht einfach ist, sich ein neues Leben aufzubauen. „Aber es geht.“ Deshalb bucht sie Deutschkurse für „ihre“ Familien.