Hamburg. Beamte einer Sondereinheit nahmen den 43-Jährigen vor einer Filiale des Bio-Supermarktes in Eppendorf fest. Er war ihnen zuvor aufgefallen.
Fahndungserfolg nach einer rätselhaften Überfallserie: Beamte aus einer Sondereinheit haben einen Verdächtigen festgenommen, der seit August letzten Jahres sechs Überfälle auf Filialen der Bio-Supermarktkette Tjaden’s in Hamburg verübt haben soll. Bislang war der 43-Jährige der Polizei nicht wegen Straftaten bekannt – dies passt zu der vorigen Einschätzung von Beamten, nachdem vermutlich ein „Anfänger“ für die Taten verantwortlich gewesen sein soll. Dem Verdächtigen wird außerdem der Raubüberfall auf einen Pizza-Lieferdienst vorgeworfen.
Vor allem seine auffällige „Zuverlässigkeit“ könnte dem Amateur-Serienräuber jetzt zum Verhängnis geworden sein. Denn es waren immer die Abendstunden zwischen 19.30 Uhr und 20.30 Uhr, in denen der Täter zuschlug. Außerdem überfiel er eine Zeit lang immer wieder dieselbe Filiale der Biomarktkette an der Fruchtallee. Erst bei seinem letzten Überfall auf Tjaden’s im Mai dieses Jahres hatte er die Filiale an der Martinistraße überfallen.
Polizei Hamburg positionierte sich vor Filiale
Die Polizei hatte bereits in den Monaten zuvor versucht, den Serienräuber, der auch noch durch Humpeln auffiel, zu fassen, nachdem er mit einer gewissen Regelmäßigkeit den Biomarkt an der Fruchtallee überfallen hatte. Das gelang trotz umfangreicher Sofortfahndungen mit zahlreichen Peterwagenbesatzungen und dem Einsatz des Polizeihubschraubers „Libelle“ direkt nach den Überfällen nicht.
Jetzt war die Filiale an der Martinistraße in den Abendstunden „verpostet“ worden, weil man bei der Polizei davon ausging, dass er, wie zuvor in der Fruchtallee, auch diesem Tatort treu bleiben würde. Am Donnerstagabend gegen 20.50 Uhr, eigentlich schon etwas zu spät für die Überfälle, fiel der 43-Jährige den Fahndern der Spezialeinheit auf. Die Beamten griffen zu, bevor es zu einem möglichen Überfall kam. Trotzdem sind sich Ermittler des Landeskriminalamtes sicher, den Serienräuber geschnappt zu haben.
Bei dem Mann wurde spezielle Maske gefunden
Bei dem Mann wurden den Angaben zufolge bei der Festnahme nicht nur eine schwarze Schreckschusswaffe, sondern auch eine spezielle Maske, die der Täter bei den meisten Überfällen getragen hatte, gefunden. Aufzeichnungen aus Überwachungskameras hatten die vorigen Taten dokumentiert. Bei der Festnahme war der 43-Jährige betrunken. Ein von ihm freiwillig durchgeführter Atemalkoholtest ergab den Wert von 2,3 Promille.
Der Verdächtige passt damit in das Profil, das der Kriminologe Wolf-Reinhard Kemper von ihm erstellt hatte. Kemper hatte einen Täter beschrieben, der davon ausgeht, dass er in einem Bioladen eher Menschen antrifft, die wenig Gegenwehr leisten. Der erste Überfall am 24. August 2021 auf Tjaden’s in der Fruchtallee dürfte den Räuber darin bestätigt und zu vier weiteren Überfällen auf dieselbe Filiale ermutigt haben.
Serienräuber wollte auch Pizzadienst überfallen
Zum Profil passt auch: Der einzige dem Mann zugerechnete Überfall, bei dem nicht die Biomarktkette betroffen war, ging schief. Nur vier Tage nach der Tat, am 28. August vergangenen Jahres, versuchte der Serienräuber, einen Pizzadienst an der Borsteler Chaussee zu überfallen. Dort schlug man den Täter trotz seiner Schusswaffe in die Flucht. Der Mann musste die Tat abbrechen, ohne einen Cent erbeutet zu haben.
Die Tatserie ist bei aller Amateurhaftigkeit des Räubers herausragend. Nach dem Raub im August überfiel er am 16. September, am 6. November, am 28. Dezember und am 22. April die Filiale an der Fruchtallee. Dann wechselte er plötzlich. Am 6. Mai war es die Tjaden’s-Filiale an der Martinistraße, die von einem Überfall betroffen war. Diese Filiale liegt nur eineinhalb Kilometer von Tjaden’s in der Fruchtallee entfernt. Was den Täter zu diesem Wechsel veranlasst hat, ist unklar. Vermutlich waren ihm verstärkte Sicherheitsmaßnahmen an der Fruchtallee, wie der Einsatz eines Security-Dienstes, aufgefallen.
Festgenommener „dringend tatverdächtig“
Auch die zusätzliche Polizeipräsenz im Umfeld des Biomarktes könnte aufgefallen und Auslöser des Tatortwechsels gewesen sein. Denn bei der Polizei geht man davon aus, dass er zwischendurch den Laden wie ein ganz normaler Kunde ausgespäht hatte. Das fiel nicht auf, weil er bei den Überfällen immer dieselbe Maske trug.
Für die Ermittler des LKA 134, die für die Überfallserie zuständig sind, gilt der Festgenommene als „dringend tatverdächtig“. Die Staatsanwaltschaft beantragte gegen den 43-Jährigen einen Haftbefehl wegen schweren Raubes.
Polizei Hamburg: Nur geringe Beute bei der Tatserie
Gelohnt haben dürfte sich die Überfallserie nicht. Bei den Taten erbeutete der Räuber, wenn überhaupt, nur kleinere dreistellige Geldbeträge. Die geringe Beute dürfte auch der Grund für die Regelmäßigkeit seiner Überfälle gewesen sein. Die Polizei durchsuchte nach der Festnahme die Wohnung des Verdächtigen nach weiteren Beweismitteln, die den Verdacht gegen ihn weiter erhärten sollen. Im Falle einer Anklage und Verurteilung droht ihm eine lange Haftstrafe.