Rotherbaum. Arndt Prenzel gehörte zu den Studenten, die das Gebäude in den 70er-Jahren vor dem Abriss retteten. Er lebt noch heute dort.

Keine Duschen, Toiletten im Keller und Öfen, die zunächst mit Kohle und später mit Öl befeuert wurden. „Manchmal gab es Explosionen“, erinnert sich Arndt Prenzel, wenn er von seiner ersten Zeit im Schröderstift erzählt, „und manchmal gab es auch Polizeieinsätze.“ Denn es war ein sehr buntes Publikum, das sich Mitte der 1970er-Jahre in der heruntergekommenen Stiftsanlage tummelte – sogar „ein bisschen Wildwest“.

Um 1850 war das dreiflügelige Gebäude vom Hamburger Kaufmann Johann Heinrich Schröder für unverschuldet in Not geratene Frauen errichtet worden. Nachdem das Stift im zweiten Weltkrieg stark beschädigt wurde, konnte es die inzwischen verarmte Stiftung nur notdürftig wieder herstellen. Als die Stadt Erweiterungsflächen für die Uni brauchte, bot sie der Stiftung ein Grundstück am Kiwittsmoor und Geld an, um dort eine Wohnanlage zu bauen. Anfang der 1970er-Jahre wurden drei hintere Gebäude abgebrochen und dort das Geomatikum errichtet. Der Abriss des Hauptgebäudes wurde verschoben und die heruntergekommenen Wohnungen vorübergehend an Studenten vermietet.

Schröderstift: Freunde von Ole von Beust zogen hier ein

Einer von ihnen war Arndt Prenzel. Die „Wildwest“-Verhältnisse hätten erst geendet, als „eine Gruppe von Volksdorfern einzog, die gut mit Ole von Beust befreundet war und, wie es damals üblich war, eine Bürgerinitiative gründete“, erinnert er sich. Es schloss sich ihnen an, und gemeinsam überzeugten sie die Politik, das nahe der Uni liegende Gebäude, das Architekt Albert Rosengarten sogar mit einer Kapelle ausgestattet hatte, in seiner Gesamtheit zu erhalten.

Nachdem kleinere Renovierungsmaßnahmen erfolgt waren, kam 1980 dann die Hiobsbotschaft: Das Gebäude müsse entweder umfassend saniert oder aus Brandschutzgründen abgerissen werden. Die Initiative erstellte ein Konzept, das die Politik überzeugte – allen voran Bezirksamtsleiterin Ingrid Nümann-Seidewinkel (SPD), damals Bezirksamtsleiterin, später Finanzsenatorin, doch auch Klaus von Dohnanyi, der an der legendären „Matratzen-Konferenz“ teilnahm. Die Studenten bekamen 800.000 Mark und renovierten zunächst den linken Gebäudeflügel. Unterstützt wurden sie dabei unter anderem von den reisenden Gesellen des Vereins Axt und Kelle. Sie haben heute noch eine Freiwohnung im Stift. „Als ewiges Dankeschön für die Hilfe von damals“.

Bewohner halten historische Anlage instand

Seitdem halten die Bewohner die historische Anlage selbst instand. „Alles, was wir durch die Mieten einnehmen, fließt wieder in das Gebäude. Das war ein Teil des Deals mit der Stadt. Sie ist weiterhin Eigentümerin und stellt es uns nur zur Verfügung.“ Wer in das Wohnprojekt einziehen will, muss sich daher engagieren. Das werde ganz basisdemokratisch auf den Treffen organisiert, die einmal im Monat in den Gemeinschaftsräumen der Anlage stattfinden. „Jeder macht es so, wie er kann. Der Eine passt beim Sommerfest auf die Bühne auf, der Andere kümmert sich um die Gartenarbeit, der Nächste um den kranken Nachbarn oder das Sommerfest.“ Außerdem benötigen Interessenten einen Dringlichkeitsschein.

Insgesamt gibt es 75 kleine Wohnungen im Schröderstift. Die meisten bieten, so wie die von Arndt Prenzel, auf 35 Quadratmetern Küche, Schlaf- und Wohnzimmer sowie ein Minibad. Dennoch fühlt man sich hier nicht beengt. Im Wohnzimmer finden neben einem alten Kachelofen unter anderem noch ein Bücherbord und ein ausreichend großer Tisch mit vier Stühlen Platz, von dem aus man auf die kleinen, individuell gestalteten Vorgärten und die große, vor dem Stift liegende Wiese blickt. Platz genug für eine Familie mit zwei Kindern ist allerdings nicht, zumindest nicht, wenn die Kinder größer werden. Prenzel und seine Frau hatten das Glück, seinerzeit auch die darüber liegende Wohnung mieten zu können – so dass je ein Elternteil mit einem Kind eine eigene Wohneinheit zur Verfügung hatte.

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Während sein Sohn mittlerweile in Berlin lebt, wohnt Prenzels Tochter weiterhin im Schröderstift: in einer WG unter dem Dach des linken Gebäudeflügels. Eine eigene Zeitung und eine eigenen Gemüseladen wie früher gebe es nicht mehr, so Prenzel. Doch der Dorfcharakter der Anlage sei geblieben. „Jeder kennt hier jeden“. Unter vor allem unter den zusammen aufgewachsenen „Stiftskindern“ hätten sich enge Freundschaften gebildet.

Stefan Gwildis und Inga Rumpf traten auf der Wiese auf

Früher stand den Kindern zum Toben noch die „Wildnis“ hinter dem Stift zur Verfügung, die mittlerweile teilweise für die letzte Uni-Erweiterung, dem noch immer nicht fertiggestellten „Haus der Erde“, gerodet wurde. Doch auf der Wiese vor dem dreiflügligen Gebäude finden (außer in Pandemiezeiten) nach wie vor Sommerfeste, Kulturveranstaltungen, Grillfeste mit Bewohnern der Umgebung oder Festivals statt. „Die Wiese ist ein Ort der kreativen Entwicklung“, sagt Prenzel. Schon die Musiker Abbi Wallenstein, Inga Rumpf und Stefan Gwildis traten hier auf.

Sogar die anfangs kleine Kapelle, die von den Kindern Johann Schröders prächtig ausgebaut worden war, ist zu einiger Berühmtheit gelangt. In dem zunächst von der griechisch-orthodoxen und mittlerweile von der äthiopisch-orthodoxen Gemeinde genutzten Gotteshaus drehte Rainer Werner Fassbinder eine Szene aus dem Film

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Dass der Schröderstift erhalten werden konnte, sei wegweisend für andere Wohnprojekte gewesen, betont Prenzel. „Man hat bewiesen, dass man mit wenige Geld alte Häuser erhalten kann.“ Das Projekt habe nie wieder auf der Kippe gestanden. Gerade erst sei der Vertrag für die nächsten 15 Jahre verlängert worden.

Es instand zu halten, dürfte kein Problem sein. Viele aus der anfangs studentischen Bewohnerschaft hätten durch ihre Liebe zu dem Gebäude die berufliche Richtung gewechselt so Prenzel. „Sie haben ihr Psychologiestudium hingeschmissen und sind stattdessen Zimmermann, Architekt oder sogar Bauunternehmer geworden.“