Hamburg. Denkmalschutzamt überprüfte zwischen 1975 und 1995 errichtete Bauwerke. 19 weitere Hamburger Gebäude wurden unter Schutz gestellt.

Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Daher wird es sicher Menschen geben, die zunächst mit den Bauwerken aus der Postmoderne hadern, die jetzt unter Denkmalschutz gestellt wurden. Etwa mit dem Eckgebäude an der Grindelallee 100, dass für sie ein uncharmanter 80er-Jahre-Bau ist, für Denkmalschützer aber ein Bauwerk, dass durch seine Höhe und die Vor- und Rücksprünge auf die umgebende Bebauung der Gründerzeithäuser reagiert – und das im Stil der Neurenaissance.

Oder mit der S-Bahnstation Hammerbrook, die sich in Form einer signalroten S-Bahn auf mächtigen Stelzen über der City-Süd erhebt – und die für die einen Beton-Koloss sein mag, für das Denkmalschutzamt aber „eine in ihrer authentisch erhaltenen Gestaltung eine weit über den gängigen Zeitstandard hinausgehende Architekturleistung“, wie es in seiner Begründung betont.

Denkmalschutz: In jeder Generation wird Gebäudebestand geprüft

Außer dem Eckhaus in Rotherbaum und der S-Bahnstation Hammerbrook wurden 18 weitere Bauwerke aus der Zeit zwischen 1975 und 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Dies ist das erste Resultat eines vor zwei Jahre gestarteten Projekts, bei dem das Hamburger Denkmalschutzamt Objekte aus der besagten Bauzeit auf ihren baukulturellen Wert hin überprüft.

Mit dem Projekt verfolgt das Amt das Ziel, die Bau- und Gartendenkmale dieser Zeit zu erfassen, zu erforschen und gegebenenfalls unter Schutz zu stellen. „Damit werden wir unserer Aufgabe gerecht, nach rund einer Generation den Gebäudebestand auf seine Kulturdenkmäler hin zu prüfen“, so Anna Joss, Leiterin des Denkmalschutzamts, die Hamburgs jüngste Denkmäler am Donnerstag mit Kultursenator Carsten Brosda vorstellte – in einem ebenfalls jungen Denkmal: dem 1993 erbauten ehemaligen England-Terminal.

„Mit der systematischen Untersuchung des Bestandes aus der Zeit zwischen 1975 bis 1995 leistet das Hamburger Denkmalschutzamt einen wichtigen Beitrag zur baukulturellen Forschung der postmodernen Architektur - und ist damit ein Vorreiter in Deutschland“, betonte Kultursenator Carsten Brosda. Die frühzeitige und umfassende Erfassung dieses Gebäudebestand sei ein wichtiger Beitrag zum Erhalt des baukulturellen Erbes und des Gesichts der Stadt.

So greife die Postmoderne in Hamburg neben historischen Stilelementen oft auch regionale Bezüge zur Hafenstadt auf, dokumentiere die städtische Geschichte und biete der Bevölkerung viele Identifikationsmöglichkeiten. „Wie wichtig gebautes Erbe für eine Gesellschaft ist, zeigt sich gerade in der Ukraine“, betonte Brosda. „Der fürchterliche russische Angriffskrieg hat nicht nur das unermessliche Leid der Bevölkerung zum Ziel, sondern auch die Zerstörung ihrer kulturellen Substanz. Beides ist völkerrechtswidrig.“

Postmoderne nimmt auf Formen und Strukturen der Architektur aus der Vergangenheit Bezug

Die Postmoderne, die auch in Hamburg als Bewegung in den Sechzigern angefangen hat,  zeichnet sich durch eine vielfältige, widersprüchliche, aber auch innovative Architektur aus und setzte sich als Gegenbewegung zur Moderne ab den 1980er Jahren durch. Typische Merkmale waren etwa der Gebrauch von Giebeln, Säulen und verschiedensten Materialien. „Die Unterschutzstellung weiterer Gebäude aus der dieser Zeit ist eine wichtige Weiterentwicklung der Hamburger Denkmalvielfalt“, betonte Anna Joss.

„Die postmoderne Architektur zeichnet sich dadurch aus, das sie auf Formen und Strukturen der Architektur aus der Vergangenheit Bezug nimmt und auf die Geschichte der jeweiligen Orte, an denen gebaut wurde.“ Die Elbkinder-Kita Zeiseweg etwa erinnere mit ihrem wimpelgeschmückten Turm an eine von Kinderhand errichtete Burg aus Bauklötzen. Das Verlagshaus von Hoffmann und Campe stelle maritime Bezüge her und greife das Bild weiß verputzter Villen auf.

Postmoderne Bauten: Regionale Bezüge zur Hafenstadt Hamburg

„Auch der Aspekt der Stadtreparatur spielte eine Rolle“, fuhr sie fort. „Es wurde behutsam erneuert und nicht mehr flächig saniert.“ Ein gutes Beispiel dafür sei die Wohnbebauung am Fischmarkt, die durch ihre mit Wetterfahnen, Erkern und Schiffssymbolen geschmückte Architektur eine Brücke zur historischen Bebauung schlage.

Eines der neuen Denkmäler in Hamburg: Die Elbkinder-Kita Zeiseweg.
Eines der neuen Denkmäler in Hamburg: Die Elbkinder-Kita Zeiseweg. © Wolfgang Huppertz/Elbkinder-Kita Zeiseweg | Unbekannt

Als Beispiel dafür, dass Postmoderne auch ironisch sein kann, führte sie die Michelwiesen an. Wasserbecken und Hauptachse seien Elemente barocker Gartenanlagen die hier verfremdet wurden, Treppen und die Geländer wurden schief gestaltet. Und die Wolfgang-Borchert-Siedlung in Alsterdorf sei mit ihren kleinen Häusern und der Wohnhoferschließung für die Autos der Bewohner eine für die Postmoderne typische Abkehr von Großsiedlungen wie Steilshoop oder Mümmelmannsberg.

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Das sind die neuen Denkmäler in Hamburg

Durch das Inventarisationsprojekt sollen bis Ende 2022 authentisch überlieferte Bauten und Gärten in die Denkmalliste der Stadt aufgenommen werden. Der Erfassung vorangegangen war zunächst die Auflistung und Verortung aller Objekte, die zwischen 1975 und 1995 in Hamburg gebaut worden sind.

Im Zuge dessen wurden bereits in den Jahren 2018 und 2019 vereinzelt Objekte in die Denkmalliste aufgenommen – neben dem Gruner + Jahr-Verlagsgebäude auch das England-Terminal, in dem Hamburgs jüngste Denkmäler jetzt vorgestellt wurden. Bei diesen Objekten wurde der Denkmalwert erkannt:

  • Hoffmann + Campe Verlagsgebäude, Harvestehuder Weg 41 / Alsterkamp 33 (1989-1991)
  • Wolfgang-Borchert-Wohnsiedlung, Alsterdorf (1984-86)
  • Wohn- und Bürogebäude, Grindelallee 100 (1987)
  • Wohnbebauung Fischmarkt (1989)
  • S-Bahn Haltestelle Hammerbrook (1978-1983)
  • Bücherhalle Farmsen, Rahlstedter Weg 10 (1982)
  • Kita und Spielplatz, Zeiseweg 15 (1985-88)
  • Ev. Franz von Assisi, Grachtenplatz 13 (1993)
  • Kath. Edith-Stein-Kirche, Edith-Stein-Platz 1 (1992)
  • Michelwiesen (1995)
  • Turnhalle Hansa Gymnasium, Hermann-Distel-Straße 25 (1987)
  • IBAU-Haus, Rödingsmarkt 35 (1986)
  • Hauptverwaltung Techniker Krankenkasse, Bramfelder Straße 140 (1984-89)
  • Geschäftshaus Mientus, Neuer Wall 48 (1979-81)
  • Erweiterungsbau Heinrich-Bauer-Verlag, Pumpen 11 (1979-83)
  • Studentenwohnheim der Hochschule der Bundeswehr, Stoltenstraße 13 (1975)
  • Bürogebäude Silberling, Überseering 32-34, (1990-95)
  • Garten des Glockenhauses, Billwerder Billdeich 72 (1986)
  • Einfamilienhaus Elbchaussee 96 (1996)
  • Einfamilienhaus, Bilsenkrautweg 3 (1989)