Hamburg. Hochaggressive Stimmung, als Beamter Streit schlichten will. 13-Jähriger erneut in Gewahrsam. Gewerkschaft der Polizei ist schockiert.
Dramatischer Vorfall vor einer Hamburger Schule: Eine Gruppe Jugendlicher hat am Donnerstagnachmittag in Eimsbüttel einen Polizeibeamten, der einen Streit zwischen zwei Jungen schlichten wollte, massiv angegriffen. „Aus der Gruppe heraus wurde diesem mehrfach gegen den Kopf getreten“, sagte Polizeisprecherin Nina Kaluza am Freitag.
Die Kripo ermittelt nun gegen Kinder und Jugendliche, darunter Schüler der Ida-Ehre-Schule, wegen eines Angriffs auf den 53 Jahre alten Stadtteilpolizisten, der als sogenannter Cop4U gezielt im schulischen Umfeld tätig ist. Der Beamte wurde, selbst als er bereits am Boden lag, mit äußerster Brutalität attackiert. Haupttäter ist dabei ein 13 Jahre alter Schüler.
Eimsbüttel: Polizist fixierte 13-Jährigen am Boden
Der 53-Jährige war mit seinem Fahrrad im Quartier unterwegs, als er gegen 16 Uhr auf der Schlankreye auf zwei Schüler aufmerksam wurde, die sich offensichtlich stritten. „Um sie herum hatte sich bereits eine größere Traube anderer Kinder und Jugendlicher gebildet“, so Kaluza. Der eine Jugendliche ist nach Abendblatt-Informationen bereits hinreichend bekannt. Der Schüler gilt als verhaltensgestört. Außerdem ist er berüchtigt, weil er oft ein Messer dabei haben soll.
Als der Beamte den Streit schlichten wollte, eskalierte die Situation. Der 13-Jährige hielt krampfhaft seine Hand in der Jackentasche, der Polizist wusste nicht, ob er ein Messer dort versteckt hat, und wollte auf Nummer sicher gehen. „Er fixierte daraufhin die Arme des Jungen“, sagte Kaluza. Daraufhin habe der 13-Jährige wild um sich geschlagen.
Schüler greifen Polizisten in Eimsbüttel an
„Der Beamte musste ihn schließlich zu Boden bringen und dort weiterhin fixieren“, so die Polizeisprecherin. Daraufhin gingen die anderen Kinder und Jugendlichen auf ihn los. „Hochaggressiv“ nennt die Polizei die „Stimmung“, die dabei geherrscht haben soll. Nur weil der Polizist noch seinen Fahrradhelm aufhatte, sei es nicht zu schwereren Verletzungen gekommen.
Die Polizei zog weitere Kräfte zusammen. Zwölf Peterwagenbesatzungen waren vor Ort, die sich etwa 80 Schülern gegenüber sahen. Die Beamten seien aus dieser Gruppe „beleidigt, bespuckt und angegriffen“ worden. Immer wieder hätten Schüler versucht, die Polizeikette zu durchbrechen.
Polizei ermittelt gegen Schüler nach Angriff in Eimsbüttel
Erst nachdem der 13-Jährige abtransportiert war, habe sich die Situation beruhigt. Neben ihm wurden ein weiterer 13-Jähriger und ein 12-Jähriger in Gewahrsam genommen. Es laufen Ermittlungen wegen Widerstands, versuchter Gefangenenbefreiung, Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung.
Die drei Schüler, die man in Gewahrsam genommen hat, werden sich nicht verantworten müssen. Sie sind strafunmündig. Kaluza: „Sie wurden ihren Erziehungsberechtigten übergeben.“
Polizei nimmt 13-Jährigen erneut in Gewahrsam
Doch am Freitag gab es ein Nachspiel: Der mutmaßliche Haupttäter tauchte am Vormittag gegen 11 Uhr erneut vor der Ida-Ehre-Schule auf, in der er offenbar Hausverbot hat. Die Schule verständigte daraufhin die Polizei.
Der 13-Jährige wurde erneut in Gewahrsam genommen und später seinen Erziehungsberechtigten übergeben.
Gewerkschaft der Polizei fordert Konsequenzen
Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hamburg, Horst Niens, zeigt sich schockiert über den Vorfall und fordert harte Konsequenzen: "Ich begrüße es, dass der Schulsenator
sich sofort klar von der Gewalt im Umfeld der Ida-Ehre-Schule distanziert hat! Das kann aber nur ein Anfang sein!“ Nun müsse geklärt werden, wie sich ein "derart gewalttätiges Klima" im Umfeld der Schule entwickeln konnte und was derart junge Täter dazu veranlasse, Polizisten als "Freiwild" zu sehen.
Niens weiter: "Solche Vorfälle sind die Folgen, wenn es fast einem sportlichen Wettkampf gleicht, die Polizei in Hamburg zu diskreditieren und immer wieder an den Pranger zu stellen." "Teile der Gesellschaft nehmen daraus ihre Legitimation, die Einsatzkräfte der Polizei anzugreifen.“, so der Landesvorsitzende. Die GdP Hamburg befürchtet ähnliche Folgen aufgrund der anhaltenden Diskussion über Polizeigewalt in der Polizei. Der auch im schulischen Kontext verwendete Begriff „Polizeigewalt“ suggeriere, dass illegitime Gewalt durch Polizei an sich ausgeübt werde, was nicht der Fall sei.
"Sollten entsprechende Aussagen von Lehrerinnen und Lehrern hier für das Klima verantwortlich sein, dass zu dem Angriff auf unseren Kollegen führte, so ist der Schulsenator hier gefordert, Maßnahmen zu ergreifen", heißt es weiter. Auch falls Lehrkräfte anwesend waren und nicht eingriffen, sollte nach der Forderung der GdP überprüft werden, warum sie keine Hilfe geleistet haben.
Schulsenator kündigt harte Reaktion an
Zuvor hatte sich Hamburgs Schulsenator Ties Rabe sich in einer Pressemitteilung der Behörde „entsetzt“ von den Vorfällen gezeigt: „Gewalt wird weder in der noch vor der Schule akzeptiert! Wir werden mit aller Konsequenz und Härte vorgehen.“
Schulleitung, Schulaufsicht, Gewaltprävention und die Schulpsychologen der Regionalen Bildungs- und Beratungszentren arbeiteten bereits mit Hochdruck daran herauszufinden, wie es dazu kommen konnte, welche Schlüsse daraus zu ziehen und welche Maßnahmen einzuleiten seien, hieß es. Die Behörde stehe im engen Austausch mit der Polizei. Auch die Schulleitung habe sich klar von dem Verhalten der Schülerinnen und Schüler distanziert.
Ida-Ehre-Schule bereits 2019 in den Schlagzeilen
Für Schlagzeilen hatte die Ida-Ehre-Schule bereits vor knapp zweieinhalb Jahren wegen eines Antifa-Streits gesorgt. Im März 2019 hatte die Schulaufsicht Aufkleber der vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch“ eingestuften und beobachteten Gruppe „Antifa Altona Ost“ und Graffiti im Oberstufenhaus der Ida-Ehre-Schule entfernen lassen.
Die Schulbehörde musste jedoch später eingestehen, dass hier kein Verstoß vorlag. Anlass des Vorgehens der Behörde war eine Kleine Anfrage der AfD gewesen. Der Fall hatte überregional für Aufsehen gesorgt.