Hamburg. Jan Hieber übernimmt die Leitung der Hamburger Kriminalpolizei. Er hat sich einen Namen rund um den G-20-Gipfel gemacht.
Turn- statt Anzugschuhe: Bei strahlendem Sonnenschein übernahm Jan Hieber offiziell die Leitung des Landeskriminalamtes von Mirko Streiber. Anders als sein Vorgänger, der in die Position des Polizei-Vizepräsidenten wechselt und die Schnürsenkel seiner Lederschuhe auf das Blau seines Anzugs abgestimmt hatte, war Hieber mit Jeans und weißen Sneakern eher sportlich unterwegs. Der Aufstieg von Jan Hieber hatte sich in Polizeikreisen lange abgezeichnet – er gilt als ein Prototyp für eine neue Führungsgeneration im Präsidium.
Polizei Hamburg: Neuer LKA-Chef Hieber räumte Fehler beim G-20-Gipfel ein
Als er nach dem G-20-Gipfel vor fünf Jahren zum Chef der Soko „Schwarzer Block“ ernannt wurde, war das auch eine Bewährungsprobe. Hieber ging die Sache öffentlich durchaus forsch an. „Wir werden viele von euch kriegen. Ganz sicher“, sagte er damals direkt an die Randalierer und Plünderer gerichtet.
Nicht nur in linken Kreisen, sondern auch in Teilen der Polizeiführung schlug der Satz Wellen. Viele halten ein zu markiges Auftreten für nicht mehr zeitgemäß, auch Polizeipräsident Ralf Martin Meyer steht für eine selbstkritische Polizei. Im weiteren Verlauf zeigte aber auch Hieber ein anderes Gesicht: Im G-20-Sonderausschuss räumte er offen Fehler der Polizei ein, etwa bei Schikanen von Gefangenen während des Gipfels. Diese seien „durch nichts zu rechtfertigen gewesen“.
Zum Aufstieg Hiebers bei der Kriminalpolizei trugen interne Querelen bei
Während Kritiker auch etwa den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware unter der Leitung Hiebers in der Soko bemängelten, empfahl er sich intern für höhere Aufgaben. „Er kann moderieren, aber auch konsequent sein, wenn es darauf ankommt“, sagt ein leitender Beamter. „Das sind mit die beiden wichtigsten Fähigkeiten, je höher man kommt.“
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Zu dem Aufstieg Hiebers haben aber auch interne Querelen beigetragen. Sein Vorvorgänger als LKA-Chef, Frank-Martin Heise, stürzte ebenso wie der als Hoffnungsträger gehandelte Soko-Chef Steven Baack über die „Cold Cases“-Affäre. Die schon als mögliche erste Polizeipräsidentin gehandelte Kriminaldirektorin Alexandra Klein wurde im Herbst 2021 überraschend an die Polizeiakademie versetzt, die als Abstellgleis für Führungsfiguren der Polizei gilt. Hieber wurde erst ihr Nachfolger an der Spitze der Abteilung gegen Organisierte Kriminalität, bevor er nun den nächsten Schritt macht.
Wie aus Polizeikreisen zu hören ist, sollen die Turbulenzen mit der Ernennung Hiebers nun endgültig beendet sein. Zumindest auf dem Papier ist seine Startposition glänzend. Nach der Polizeistatistik ist die Kriminalitätsrate in Hamburg so niedrig wie seit 40 Jahren nicht mehr. Bei Problemfeldern wie dem Internetbetrug wurden Gegenoffensiven bereits eingeläutet. In Zukunft will die Kripo verstärkt auf Künstliche Intelligenz (KI) zur Kriminalitätsbekämpfung setzen.
Sparmaßnahmen bei der Polizei Hamburg werden auch das LKA treffen
Der Weg zu einer moderneren Polizei bleibt aber steinig. Die technischen Defizite bei der Ausstattung der Kripo sind leidig bekannt. Seit Beginn der Corona-Pandemie schleppen die Beamten teilweise etwa ihre stationären Rechner zwischen Präsidium und Homeoffice hin und her, weil Dienstlaptops fehlen. „Es geht hier nicht immer so schnell, wie auch ich mir das im Idealfall wünschen würde“, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer dazu zuletzt im Abendblatt.
Das zweite Problem für die kommenden Jahre: Die Polizei muss sparen. Das wird auch die Kripo in erheblichem Maße treffen. Unter anderem müssen IT-Projekte priorisiert und teilweise verschoben werden. Das genaue Ausmaß der nötigen Maßnahmen ist noch nicht bekannt. Auch die Personaldecke im LKA ist laut Beamten alles andere als üppig. Es läuft ein großer Generationswechsel, viele Beamtinnen und Beamte mit Kindern arbeiten zudem nur in Teilzeit.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert seit Langem auch eine Mentalität, die nur auf möglichst gute Statistiken ausgerichtet sei. Es fehle die Zeit und die Wertschätzung für Engagement, etwa bei der Betreuung von Frauen, die zum Opfer von häuslicher Gewalt geworden sind. Auch seien die guten Kriminalitätszahlen teilweise mit großer Vorsicht zu genießen. Denn es fehle vielerorts die Personalstärke, um Dunkelfelder richtig auszuleuchten und Straftaten überhaupt zu erkennen – etwa im Bereich der Organisierten Kriminalität.
Hieber will Drogengeld "in die Strafverfolgung reinvestieren"
Die Kripogewerkschaft erwartet von Hieber nun, den „problematischen Ist-Zustand“ zu beenden. „Jan Hieber hat in seinen vorherigen Verwendungen gezeigt, dass er Menschen für eine Sache begeistern kann. Mithin eine Eigenschaft, die bei der durch die Politik zu verantwortende Mangelverwaltung im LKA nicht zu unterschätzen ist“, so der BDK-Landesvorsitzende Jan Reinecke. Hieber selbst sagte bei seiner Vorstellung am Donnerstag, er wolle die Unternehmenskultur im LKA weiter verändern, etwa auch auf Bedarfe der Generation Z eingehen und den Austausch im hierarchischen System stärken.
Die Digitalisierung benannte der neue Chef ebenfalls als Herausforderung – sowohl innerhalb der Polizei als auch bei Straftaten im Internet. „Das bringt uns stellenweise auch an die Kapazitätsgrenzen“, so Hieber. Ein Schwerpunkt solle darauf liegen, den Verbund mit anderen zentralen Stellen zu suchen. Besonders bei Analyse und Auswertung sieht Hieber Potenzial für Verbesserung: „Kleinstaaterei hat dabei keinen Platz.“
Zur Digitalisierung der Polizei sagte Hieber: „Das sind dicke Bretter.“ Es werde noch Jahre dauern, bis man von der Entwicklung neuer IT-Systeme auf Bundesebene profitieren werde. In den Bereichen Verwaltung und Kleinkriminalität ohne Chancen auf Ermittlungserfolge müsse man Entlastungen schaffen. Weiter ausbauen möchte Hieber auch den Bereich Vermögensabschöpfung, etwa bei Drogengeld: „Es gibt keine Berechtigten, denen wir das zurückgeben können. Wir reinvestieren in die Strafverfolgung.“