Hamburg. Nach den Ausschreitungen in der Schanze gibt es jetzt deutliche Einschränkungen für Party-Hotspots. Die Opposition übt Kritik.

Nach vielen Tagen des kontinuierlichen Rückgangs ist die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Infektionen in Hamburg wieder angestiegen. Der Senat meldete mit 108 Neuinfektionen am Dienstag erstmals seit zwölf Tagen wieder einen dreistelligen Wert – und deutlich mehr neue Fälle als am Dienstag der Vorwoche, als nur 39 Infektionen registriert worden waren. Die Inzidenz stieg daher von 21,6 auf 25,2. Es ist unklar, ob es sich um einen statistischen Ausreißer oder eine erste Folge der Lockerungen handelt.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sagte am Dienstag im Rathaus, er sehe die aktuelle Lage „insgesamt sehr positiv“. Der deutliche Rückgang der Infektionszahlen in den vergangenen Wochen habe auch in den Kliniken zu einer deutlichen Entspannung der Situation geführt. Gegenwärtig werden laut Senatsangaben in 14 Krankenhäusern 95 Patienten stationär behandelt. „Von der Gesamtsumme ist für 32 Patienten aus Hamburg und 15 Patienten aus dem Umland eine intensivmedizinische Behandlung erforderlich“, teilte der Senat mit.

750.600 Menschen in Hamburg geimpft

Die am stärksten gefährdeten Älteren sind mittlerweile größtenteils durch Impfungen geschützt, sodass es in den Pflegeeinrichtungen laut Senat weiterhin keine aktiven Corona-Fälle gibt. Insgesamt 750.600 Hamburgerinnen und Hamburger haben Stand Montag bereits eine Impfung erhalten, 313.500 auch die Zweitimpfung. Zudem gelten 72.500 Menschen als von einer Corona-Infektion genesen und damit als zunächst immun.

Da die Inzidenz nun in Hamburg für eine Woche unter 35 liege, sei es möglich, „in der schnelleren Schrittfolge weitere Öffnungen zu beschließen“, sagte Bürgermeister Tschentscher. Dabei dürfe man aber „nicht sämtliche Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lassen“. So soll die Gastronomie vom Wochenende an auch ihre Innenräume öffnen können – allerdings nur bis 23 Uhr und unter strengen Hygieneregelungen. Danach ist neben Abständen auch für Gäste und Personal ein negativer Corona-Test erforderlich. Maximal fünf Personen (auch aus unterschiedlichen Haushalten) dürfen zusammen sitzen.

Strengere Regeln für Schanze und St. Pauli

Für Party-„Hotspots“ wie das Schanzenviertel oder St. Pauli sollen zunächst strengere Regeln gelten. Was am vergangenen Wochenende im Schanzenviertel passiert sei, gehe zu weit, sagte Tschentscher. „Es kann immer noch sein, dass wir uns mit Superspreader­events die Lage verschlechtern“, so der Bürgermeister. Deswegen werde es in diesen Gebieten ein Alkoholausschankverbot ab 23 Uhr an Wochenenden geben. Auch dürfe Alkohol nicht mehr außer Haus oder aus Kiosken verkauft und nicht mitgeführt werden.

Innensenator Andy Grote (SPD) sagte, es habe am vergangenen Wochenende „massenhaft Verstöße gegen geltende Corona-Regelungen gegeben“. Diese hätten ein sehr „intensives polizeiliches Vorgehen“ nötig gemacht. Allein am Wochenende seien rund 700 Bußgeldverfahren eingeleitet worden, das sei eine sehr hohe Zahl, so Grote. Zudem habe man 25 Betriebe wegen Verstößen schließen müssen. Das Schulterblatt und die Umgebung seien gleich zweimal von der Polizei geräumt worden. Dabei hätten die Beamten es mit vielen „hochalkoholisierten und aggressiven Menschen“ zu tun gehabt und seien mehrfach heftig mit Flaschen beworfen worden.

Mitführen von Alkohol an Hotspots untersagt

Es sei für die Polizei schwierig, einer solchen Lage Herr zu werden, da sich allein am Schulterblatt 4000 bis 5000 Menschen versammelt hätten. „Wir müssen jetzt Mechanismen finden, die dazu beitragen, dass wir so etwas nicht mehr erleben“, so der Innensenator. Dafür solle es in bestimmten Bereichen der Stadt nun den Gastronomen und Einzelhändlern untersagt werden, nach 20 Uhr Alkohol zu verkaufen – außer an eigene Gäste mit einem Sitzplatz. Ab 23 Uhr gelte dann ein allgemeines Ausschankverbot in diesen Gebieten.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Da viele Feiernde aber auch Alkohol von zu Hause mitbrächten, werde man auch das Mitführen von Alkohol an diesen Orten untersagen. Unklar war zunächst, ob das bedeutet, dass die Polizei alle Passanten künftig durchsuchen darf. Das sei noch nicht klar, zumal die rechtlichen Regelungen noch nicht ausgearbeitet seien, sagte Grote zunächst. Auf Nachfragen in der Landespressekonferenz, sagte er, es sei „Stand jetzt nicht vorgesehen“, der Polizei die Befugnis zur Durchsuchung aller Passanten in den betreffenden Gebieten zu erteilen.

„Bis zur Normalität ist es noch ein steiniger Weg“

Die CDU-Opposition lobte die Entscheidung des Senats, die Innengastronomie zu öffnen. „Wir können damit weitere Freiheiten genießen, müssen aber verantwortungsvoll damit umgehen und die Abstands- und Hygieneregeln auch einhalten“, sagte David Erkalp, CDU-Fachsprecher für Handel und Tourismus. „Es bleibt jedoch bedauerlich, dass der Senat nur auf Sicht fährt und eine Planung für die betroffenen Branchen so nur schwer möglich ist. Auch mit der bevorstehenden Öffnung wird nicht automatisch alles gut. Die Hilfen und Anschubunterstützungen für einen reibungslosen Neustart in eine hoffentlich gute Saison mit stabiler Infektionslage und ohne erneute Schließungen müssen vom Senat auf jeden Fall weiterhin sichergestellt werden. Bis zur Normalität ist es noch ein steiniger Weg.“

Die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein befand: „Der Bürgermeister schlingert weiter durch die Corona-Krise: Dass an den ersten warmen Abenden am letzten Wochenende an Party-Hotspots ohne Regeleinhaltung gefeiert wurde, hat ihn und den Innensenator offenbar überrascht. Dabei war das so absehbar wie Ostern.“

FDP-Abgeordnete kritisiert Sperrstunde in Hamburg

Dass die richtigen Öffnungsschritte für die Gastronomie, die im Umland längst geöffnet sei, durch eine Sperrstunde für Innenräume ab 23 Uhr begrenzt würden, sei übertrieben, „wie so vieles in der rot-grünen Corona-Politik“. Es sei auch unzumutbar, dass Fitnessstudios bis Dienstagmorgen „nicht wussten, wer in Innenräumen was mit oder ohne Maske nutzen darf“, so die FDP-Politikerin. „Schlingern und In-letzter-Minute-Entscheiden, diese Unart sollte der Bürgermeister einstellen.“

Bei neuen Infektionen kontrolliert die Stadt auch weiterhin stichpunktmäßig durch Sequenzierungen, welche Virusvarianten kursieren. Die südafrikanische Variante B.1.351 wurde laut Senat bisher in 23 Fällen eindeutig in Hamburg nachgewiesen, in weiteren 20 Fällen bestehe der Verdacht auf diese Mutationsform. Die brasilianische Variante B.1.1.28 wurde sechsmal entdeckt, in zwei weiteren Fällen bestehe ein Verdacht. Die indische Variante B.1.617 sei siebenmal nachgewiesen worden, es gebe außerdem zwei Verdachtsfälle.