Hamburg. Viele Aufnahmen im Dienst „Street View“ aus der Stadt sind uralt – und haben mit der Realität nichts mehr zu tun. Eine Bilderstrecke.
Wer sich von auswärts ein Bild von Hamburg machen möchte, wird die vielen Fehler online auf den ersten Blick vielleicht gar nicht entdecken. Kenner jedoch erstaunt, dass die Hansestadt im Internet der aktuellen Entwicklung mehr als ein Jahrzehnt hinterherhinkt.
Überragende Neubauten wie die zwischen 2009 und 2012 errichteten Tanzenden Türme am Millerntor, das wie ein Schiff anmutende Bürogebäude Dockland am Altonaer Elbufer oder die Sportarena in Wilhelmsburg sind auf der viel genutzten Plattform Google Maps nicht zu sehen. Im aktuellsten Medium unserer Zeit herrscht die Vergangenheitsform.
Hamburg ist bei Google veraltet
„Gerade eine Metropole wie Hamburg sollte darauf achten, dass sie auch im Netz keine Schmuddelecken hat“, sagt André Hehemann, Geschäftsführer der in Hamburg vertretenen Digitalagentur „Suchhelden“. „Wie Unternehmen und Institute müssen auch Großstädte dafür sorgen, nicht nur ihre Internetauftritte zu pflegen, sondern vor allem Orte, an denen Menschen wirklich nach Informationen suchen.“ Er würde der Stadt Hamburg in dieser Disziplin die Note fünf geben.
Die Rede ist vom kostenlosen Internet-Service Google Maps und der dort angebotenen „Street View“. Mit dieser Straßenansicht kann man sich einen Eindruck von den Gegebenheiten vor Ort machen. Ermöglicht wird es durch zuvor aufgenommenes und gespeichertes Fotomaterial. Doch dieses ist veraltet – zumindest bei Google – und nicht nur in Hamburg.
Datenschützer betrachten „Street View“ sorgenvoll
„Street View“ wird genutzt, um nach Geschäftsadressen, Häusern, die Gegend rund um interessante Mietwohnungen, Restaurants oder der Lage von Firmen zu suchen. Umgekehrt nutzen Hamburger den Dienst, um sich über Gegebenheiten von Urlaubsorten zu informieren. Bei Städtereisen kann man sich eine Vorstellung von der Umgebung eines Hotels verschaffen. Was enorm praktisch sein kann, betrachten Datenschützer sorgenvoll.
Dass Google sein Bildmaterial für die Straßenansichten – zumindest in Deutschland - seit rund zehn Jahren nur noch ausnahmsweise aktualisiert, ist Eingeweihten bekannt. Zudem verblüfft, dass sich in unserer Stadt niemand um eine zeitgemäße Darstellung zu kümmern scheint. Diese wäre problemlos umsetzbar, wenn man denn will. Und vor allem, wenn man das Problem erkennt. Weltweit wird Google Maps eigenen Angaben gemäß pro Monat neun Milliarden Mal genutzt. Selbst wenn nur ein winziger Bruchteil auf Hamburg entfällt, sind die Zugriffe gewaltig. Vom Google-Büro in Hamburg gab es dazu keine Reaktion.
„Der Bedarf an guter Datenqualität wächst“
Bei Profis stößt die Situation auf Unverständnis. „Der Bedarf an guter Datenqualität wächst“, sagt der Internetunternehmer Söhnke Christiansen. „Fotoaufnahmen bei Internetdiensten wie Google Maps müssen aktuell und verlässlich sein.“ Der Firmenchef und diplomierte Digital Artist weiß sehr gut, worüber er spricht. Das von ihm am 1. September 2020 gegründete und mit drei Partnern betriebene Start-up-Unternehmen Cronut genießt als Strategieberatung für digitale Kommunikation einen guten Ruf.
Das Kontor befindet sich in den Schanzenhöfen an der Lagerstraße. Der Firmenname ist eine Mixtur der Backwaren Croissant und Donut. Sie symbolisiert die Kombination unterschiedlicher Kulturen und Welten. Durch aufgeschlossenes Denken ergibt sich ein Mehrwert. „Wir geben unseren Auftraggebern das digitale Wissen, Kontrolle über ihre Sichtbarkeit im Internet zu haben“, sagt der gebürtige Kieler Christiansen. Auch Handwerksbetriebe und andere Mittelständler sollten sich fit für die Zukunft machen.
Proteste gegen Bilder von Google
Umso ungewöhnlicher sei die Praxis einer Weltfirma wie Google, teilweise alte, überholte Daten anzubieten. Dabei ging die Straßenansicht via Google Maps vor mehr als zehn Jahren mit großem Tamtam an den Start. Laut Deutscher Presseagentur wurden in 90 Ländern 20 Millionen Kilometer Straßen erfasst. Auch in Hamburg waren die bunten Autos mit den ungewöhnlichen Kameraaufbauten allgegenwärtig. 20 deutsche Großstädte wurden so im Detail gefilmt.
Trotz des praktischen Nutzens und einfacher Bedienung gab es Proteste - hierzulande mehr als anderswo. Mancher befürchtete ein Spionageprogramm und Einladungen für Verbrecher. Angeblich widersprachen bundesweit 244.000 Haushalte der Abbildung ihrer Gebäude bei Google. Diese Häuser mussten aufwendig unkenntlich gemacht werden. Ob diese Probleme Grund waren, dass Google in Deutschland solche Daten nicht mehr systematisch aktualisiert? Da der Service kostenlos ist, besteht kein Anspruch.
Hamburger Elbphilharmonie ist bei Google zu sehen
Die Auswirkungen sind jedoch unübersehbar. Wer via Google auf Straßensuche geht oder Außengastronomie, Grünanlagen und Bootsstege studiert, reist meist durch die Vergangenheit. Baugebiete wie die Neue Mitte Altona sind weit entfernt von Aktualität. Und wer vom Spielbudenplatz im Stadtteil St. Pauli virtuell Richtung Elbe fährt, passiert in der Taubenstraße die einst legendäre Esso-Tankstelle. In Wirklichkeit verschwand sie längst aus dem Stadtbild.
Wer Interesse an einem Abbild realer Verhältnisse hat, kann aktiv werden. Google Maps bietet Nutzern einen unkomplizierten Weg, im Programm Panoramafotos von heute hochzuladen. Hamburgs neues Vorzeigeprojekt versteckt sich keinesfalls: Die Elbphilharmonie präsentiert sich dort bereits absolut aktuell und zeitgemäß – von außen wie innen.