Hamburg. Unternehmen erwartet ein Defizit von 313,3 Millionen Euro, das Steuerzahler ausgleichen müssen. Große Risiken birgt die U5-Planung.

So groß war das Defizit der Hamburger Hochbahn noch nie: Ein Minus von 313,3 Millionen Euro des Verkehrsunternehmens wird der Steuerzahler im kommenden Jahr ausgleichen müssen. Das geht aus vertraulichen Unterlagen für die Aufsichtsratssitzung am kommenden Mittwoch hervor, die dem Abendblatt vorliegen.

Der Kostendeckungsgrad, also der Anteil der Kosten, den die Hochbahn aus eigenen Einnahmen tragen kann, ist laut den vertraulichen Unterlagen dabei deutlich zurückgegangen. 2018 konnte das Unternehmen 92,2 Prozent seiner Kosten selber tragen, sodass die Stadt lediglich 7,8 Prozent übernehmen musste. 2020 lag der Kostendeckungsgrad bei nur noch 84,7 Prozent – und im kommenden Jahr kann die Hochbahn nach der Vorlage gerade noch 66,1 Prozent ihrer Ausgaben selber tragen.

Verkehr Hamburg: Hamburg-Takt sorgt für Defizit

Hauptgrund für das Rekorddefizit ist der massive Ausbau des Angebots im HVV mit dem Ziel, bis 2030 den Hamburg-Takt einzuführen, nach dem tagsüber überall in Hamburg binnen fünf Minuten ein hochwertiges öffentliches Nahverkehrsangebot erreichbar sein soll.

Zu dem Projekt gehört auch die Elektrifizierung des gesamten Busverkehrs. Bereits jetzt gibt es laut Hochbahn 120 E-Busse, weitere 1000 müssen in den kommenden Jahren angeschafft werden, um alle Dieselbusse zu ersetzen.

Verkehr Hamburg: Kosten für U5 nicht einbezogen

Hinzu kommen Mindereinnahmen und zuletzt auch die durch den Ukraine-Krieg massiv gestiegenen Energiekosten. Schon ein Anstieg des Dieselpreises um nur 1 Cent führt laut Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum zu jährlichen Mehrkosten von 300.000 Euro. Immerhin geht man bei der Hochbahn davon aus, dass die Verluste durch die Corona-Pandemie auch 2022 und 2023 noch von einem Rettungsschirm übernommen werden. Dadurch dürfte das Defizit dann noch etwas geringer ausfallen.

Bei all dem sind die veranschlagten 1,8 Milliarden Euro für den Bau des Ostabschnitts der U 5 noch gar nicht in den Zahlen abgebildet. „Die U 5 taucht in den Zahlen nicht auf, weil sich die Kosten abzüglich der bis zu 70 Prozent Bundesförderung in Form von Zinsen und Abschreibungen auf die nächsten 50 Jahre verteilen“, sagte Hochbahnsprecher Christoph Kreienbaum.

Hochbahn gründet für Bau eine Projektgesellschaft

Die organisatorischen Vorbereitungen für das Großprojekt laufen derweil aber schon lange auf Hochtouren. Dabei geht es auch darum, wie sich Hochbahn und Senat am besten gegen die massiven Risiken absichern können, die solche Jahrhundertvorhaben mit sich bringen. In der Aufsichtsratssitzung dieser Woche wird die Hochbahn dabei zunächst über die Gründung einer für den Bau der neuen U-Bahn gegründeten eigenen Projektgesellschaft berichten.

Diese 100-prozentige Tochter soll sich ausschließlich um den Bau der U 5 kümmern und wurde laut Vorlage am 3. März unter dem Namen „PRG U 5 Projekt GmbH“ ins Handelsregister eingetragen. Den zunächst vorgesehenen Namen „U5 Projektgesellschaft mbH“ hatte ein Registerrichter aus laut Aufsichtsratsvorlage „nicht in jeder Hinsicht nachvollziehbaren“ Gründen abgelehnt. Laut Hochbahn werden zum kommenden 1. April 70 Mitarbeiter der Hochbahn in die neue U-5-Gesellschaft wechseln.

U5: Immer mehr Beschwerden

Begründet wird die Schaffung der Projektgesellschaft in der Vorlage zum einen damit, dass das Großprojekt U 5 einen „100-prozentigen Fokus“ erfordere – also nicht von der Hochbahnführung neben anderen Aufgaben miterledigt werden könne. Eine weitere Begründung für die Schaffung der „PRG U 5 Projekt GmbH“ ist, dass die „Anzahl der Beschwerden, Anwohnerklagen und Rechtsstreitigkeiten“ im Zuge der U-5-Planung zunehmen werde.

Zudem rechne man bei der Hochbahn mit einem Anwachsen der „Auseinandersetzungen und Rechtsstreitigkeiten mit beauftragten Unternehmen“ und einem „sehr hohen Nachtragsvolumen“. Aufgrund „der Größenordnung und der Konflikte und Streitwerte“ sei „stets die Unternehmensführung zu involvieren“.

Bau der  U 5  wird für Probleme sorgen

Dass die Hochbahn von umfassenden Problemen beim Bau der U 5 ausgeht, zeigt sich auch in einem anderen in der Vorlage erwähnten Punkt. Dort heißt es: „Wegen der besonderen Größenordnung des Projekts U 5 und der damit nicht auszuschließenden Risiken“ für die Hochbahn, die städtische Beteiligungsgesellschaft HGV und die Stadt Hamburg selbst „soll nach Maßgabe näherer Abstimmungen ein gemeinsamer Risikobeirat eingerichtet werden, der die Einhaltung des Risikomanagementsystems für das Projekt überwacht und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen anregt.“ Für die Hochbahn soll deren Vorstandschef Henrik Falk im Risikobeirat sitzen.

Zuletzt hatte es immer wieder die Kritik aus der Opposition gegeben, dass die Finanzierung der teuren U 5 noch nicht geklärt sei und es noch keine Zusagen des Bunds gebe. Darauf hatte zuletzt etwa der CDU-Landeschef und Bundestagsabgeordnete Christoph Ploß immer wieder hingewiesen.

Bau der U 5 wird Klima belasten

„Ich erwarte, dass SPD und Grüne in Hamburg endlich ihre Hausaufgaben machen und die Anträge einreichen, um die zur Verfügung stehenden Fördermittel aus Berlin abzurufen“, sagte Ploß nun auch an diesem Wochenende. „Wenn die Förderanträge nicht rechtzeitig beantragt werden, besteht das Risiko, dass die Hochbahn mit den Bundesmitteln nicht kalkulieren kann und in ein finanzielles Desaster hineinläuft – mit massiven Folgen für den Hamburger Steuerzahler.“

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Das Projekt U 5 steht auch aus einem anderen Grund in der Kritik: Weil der Bau zu einem massiven Ausstoß von CO2 führt und unklar ist, ob und wann sich die neue U-Bahn aus klimapolitischer Sicht rechnen wird. Zuletzt hatte der Hamburger Klimabeirat gefordert, diesen Aspekt zu berücksichtigen und das Projekt daraufhin neu zu prüfen.