Hamburg. Erfolgreicher Start in den Praxen, doch Hausärzte treffen auch auf zweifelnde Impflinge. Bald könnte das Vakzin knapp werden.

Die Impfungen gegen das Coronavirus in den Hausarztpraxen sind offenbar erfolgreich gestartet. Insgesamt 13.000 Menschen haben bereits bis Donnerstagabend eine Erstimpfung mit dem Serum von Biontech/Pfizer erhalten, wie aus Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) hervorgeht, die dem Abendblatt vorliegen. Darunter sind nicht nur die 3500 und 5500 Patienten von Mittwoch und Donnerstag bei den Hausärzten, sondern auch die in den Schwerpunktpraxen, beispielsweise für Krebskranke. Dorthin wurden mehrere Tausend besonders kranke Patienten zum Impfen gebeten.

Zwar gab es Berichte über angelieferte Spritzen und Kanülen, die nicht zusammenpassten. Doch die Erleichterung in den Praxen sei groß gewesen, verlautete aus der KV. Gleiches war bei der Apothekerkammer zu hören, die die Praxen mit dem Vakzin versorgen. Am Freitag und Sonnabend sollte eifrig weitergeimpft werden.

Corona-Impfstoff in Hamburg immer noch knapp

Das Bild wird allerdings getrübt vom noch immer knappem Impfstoff. Nach Informationen aus der KV soll die in zwei Wochen anstehende Lieferung von deutschlandweit drei Millionen Dosen für die Hausärzte auf 1,5 Millionen halbiert werden. Das würde auch den Rahlstedter Hausarzt Dr. Bastian Steinberg treffen, der dem Abendblatt von einer kleinen Zahl „sanfter“ Impfdrängler und einem gewaltigen Interesse seiner Patienten berichtete.

Auch wenn er in dieser Woche nur 36 und in der kommenden 90 Dosen des Impfstoffes von Biontech habe und Termine nur auf Einladung vergebe, sei die Praxis doch x-fach angerufen worden. „Viele Patienten fragen recht diszipliniert, wann sie einen Termin bekommen könnten oder sagen, wir mögen sie anrufen, sobald ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht“, so Steinberg.

Ärzte sind beim Impfen ans Alter gebunden

Als impfender Hausarzt, der die meisten Anfragen ablehnen müsse, sei es in etwa so: „Man hat plötzlich 50 Freunde und 950, die mich nicht mehr mögen.“ Die Praxis habe zunächst die ihnen bekannten über 80-Jährigen abtelefoniert. Die meisten Menschen dieser Altersgruppe seien aber bereits im Impfzen­trum gewesen. Es gebe auch den Fall, dass beispielsweise eine Tochter für die Mutter anrufe und sage, ihr Hausarzt impfe nicht. Ob man sie aufnehmen könne. Die Ärzte sind an die Impfreihenfolge nach Alter gebunden, können aber besonders schwer erkrankte Patienten auch früher impfen, die zur nächsten Priorisierungsgruppe zählen.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Steinberg hatte schon im Impfzen­trum beobachtet: „Die Leute weinen vor Freude, wenn sie geimpft sind.“ Die Angst vor einer schweren Erkrankung an Covid-19 weiche mit einem Male von ihnen. Als die Schweinegrippe grassierte, habe seine Praxis einmal 1000 Menschen am Tag geimpft. Doch damals musste es keine aufwendige Aufklärung geben – von den Abstandsregeln und der sehr komplexen Aufbereitung des sensiblen Impfstoffes von Biontech ganz abgesehen.

Wir haben das lange trainiert“, sagte Steinberg über die Vorbereitung auf das Praxis-Piksen. Das Serum sei sehr erschütterungsempfindlich. Außerdem müssen die Patienten 15 Minuten unter Beobachtung in der Praxis bleiben. Eine Notfallausrüstung liegt überall griffbereit.

Wie lange währt der Impfschutz?

Und überall gibt es dieselben Diskussionen: Wie lange währt der Impfschutz überhaupt, wenn man nach sechs Wochen (Biontech) oder zwölf Wochen (Astrazeneca) die zweite Impfung erhält? Demnächst wird auch Astrazeneca in die Praxen kommen, dann auch der Impfstoff von Johnson & Johnson, sobald er zugelassen und lieferbar ist. Die Dauer der Immunisierung muss erst in Studien überprüft werden. Gut möglich, dass nach einem Jahr eine Auffrischung erforderlich ist. „Wie sicher ist der Schutz?“, fragen Patienten oft. Allgemeinmediziner Steinberg empfiehlt: „Verhaltet euch so, als ob ihr nicht geimpft seid.“

Hausarzt Björn Parey und seine vier Kolleginnen treffen bisweilen auf zweifelnde Impflinge. „Ist der Schutz das Risiko einer Impfung wert?“ oder „Was bedeutet die Spritze für mich individuell?“ sind Fragen, die sie oft hören. Und plötzlich gibt es viele eifrige Hausarztwechselwillige, weil sich herumgesprochen hat, wer impft und wer nicht.

20 Euro pro Piks für den Hausarzt

„Unsere Patienten sind sehr glücklich und sehr dankbar“, sagte Parey. „Wir betreiben in der Praxis einen Riesenaufwand. Stundenlang haben wir die Aufbereitung des Impfstoffes und das richtige Impfen trainiert. Aber jetzt wird das Impfen ja auch effizient, wenn wir ausreichend Dosen bekommen. In der Praxis ist es zudem deutlich günstiger.“

20 Euro erhält der Hausarzt. Bei einem Hausbesuch kommen 35 Euro obendrauf. Im Impfzentrum in den Messehallen kostet jeder Piks wegen des großen Aufwands, des Personals, der Miete und der Logistik mehr als 200 Euro.

Impfen nicht kostendeckend möglich

Auch die meisten niedergelassenen Ärzte holen aus einem Fläschchen Biontech sieben statt der berechneten sechs Dosen Impfstoff, wie die vom Abendblatt Befragten bestätigten. Die aufwendige Handhabung lohne sich also.

Hausarzt Björn Parey sagt über seine Impf-Philosophie: „Ich kann das nicht kostendeckend machen. Aber ich arbeite auch für glückliche Gesichter meiner Patienten.“