Hamburg. Bei der fünften Auflage dieses Triathlons kämpfen die Profifrauen erstmals um EM-Titel. Viele Straßen in Hamburg sind gesperrt.
Wer Europameisterin werden will, muss früher aufstehen als andere. Um 3 Uhr am Pfingstsonntag beginnt für Laura Philipp die Mission Titelverteidigung mit einer Portion Porridge, die sie sich auf ihrem Hotelzimmer im eigens mitgeführten Reiskocher zubereitet. 195 Minuten später, um 6.15 Uhr (live auf dem Facebook-Kanal Ironman Now), muss die 35-Jährige aus Heidelberg im Neoprenanzug am Alsteranleger Jungfernstieg stehen, um für ein historisches Rennen in die nur 16 Grad warme Alster zu springen.
Erstmals in der fünfjährigen Geschichte des Hamburger Ironman-Triathlons geht es für die Profifrauen um den kontinentalen Titel über die Langdistanz von 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und einem Marathonlauf (42,195 km).
Ironman in Hamburg: ein Fest des Sports und viele Sperrungen
„Die Startzeit ist wirklich brutal früh, aber dass um 3 Uhr der Wecker klingelt, stört mich gar nicht, weil ich in der kurzen Nacht vorm Rennen sowieso meist nicht schlafe, sondern nur ruhe“, sagt die in Bad Pyrmont geborene Ausdauerathletin, die ihre Hamburg-Premiere erlebt – und sich trotz aller in Aussicht stehender Strapazen riesig darauf freut. „Die Stadt ist wirklich total schön, und ich habe so viel Gutes über die Begeisterungsfähigkeit der Zuschauer gehört, dass ich es kaum erwarten kann“, sagt Laura Philipp, für die der Stadtkurs mit der Laufstrecke am Westufer der Außenalster und dem Radkurs mit einer erstmals gefahrenen Westschleife über die Reeperbahn und anschließend durch die Vier- und Marschlande ein harter Kontrast zu dem Ort ist, an dem sie im August 2021 den EM-Titel gewonnen hatte. 8:38:29 Stunden war sie in Kuopio-Tahko in den finnischen Wäldern unterwegs. „Das war schöne Natur, aber doch ziemlich öde“, sagt sie.
Öde wird es am Pfingstsonntag zumindest in der Hamburger Innenstadt kaum sein. Als am Freitagmittag im Scandic Hotel Emporio am Dammtorwall die letzten Informationen zum Rennen an die Presse ausgegeben wurden, antwortete Sportstaatsrat Christoph Holstein auf die Frage nach seinem Befinden mit einem Fingerzeig auf den blauen Himmel.
Tatsächlich sind für das Wochenende Temperaturen bis 26 Grad und nur leichte Regenwahrscheinlichkeit vorausgesagt, sodass auch Oliver Schiek, Geschäftsführer von Veranstalter Ironman Germany GmbH, mit vielen Tausend Schaulustigen rechnet. Beschränkungen hinsichtlich Corona gibt es keine mehr, man appelliere an das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen.
Keine Ausgabe des Hamburger Ironmans verpasst
Wie verantwortungsbewusst es ist, seinem Körper die Strapazen eines Langstrecken-Triathlons zuzumuten, mag jeder für sich bewerten. Den Reiz, seine Grenzen auszuloten und zu überschreiten, beschreibt Ines Kersten sehr anschaulich. Die 55-Jährige ist eine von 2700 Teilnehmenden aus 82 Nationen in den Jedermann- und Jederfrau-Altersklassenwettkämpfen (Start 6.30 Uhr, Rennschluss 23 Uhr) und hat noch keine Ausgabe des Hamburger Ironmans verpasst. „Wenn ich ins Ziel komme, war es ein guter Tag. Das erste Ziel ist, heil aus dem Wasser zu steigen. Das zweite Ziel ist, gesund vom Rad zu steigen. Die Laufstrecke ist dann 42 Kilometer Party“, sagt sie. Hochachtung all denjenigen, die einen Marathon als Party bezeichnen können. Für Ines Kersten ist der größte Antrieb allerdings die Chance auf eins von 45 Tickets für die WM im Ironman-Mekka Hawaii Anfang Oktober, die in Hamburg vergeben werden.
Die allgemeine Partystimmung werden indes manche Hamburgerinnen und Hamburger nicht teilen können; jene, die sich über die umfangreichen Straßensperrungen (interaktive Karte im Internet unter ironman.com/im-hamburg) ärgern. Staatsrat Holstein hat dafür nur bedingt Verständnis. „Wir positionieren uns mit unserer Active-City-Strategie deutlich für den Sport, und der bekommt an ausgewählten Wochenenden im Jahr dann auch sein Recht. Da werden wir deutlich selbstbewusster mit umgehen als in vergangenen Jahren“, sagte er.
„Hochwertiges Rennen, aber auch Reize abseits des Sportlichen“
Selbstbewusst darf auch Laura Philipp an den Start gehen, schließlich wird sie von der Konkurrenz als Favoritin auf den Titel angesehen. Voraussichtlich nur 27 Athletinnen werden im Profi-EM-Rennen antreten, das bei den Frauen im Gegensatz zum dauerhaft in Frankfurt am Main angesiedelten Männerwettkampf jährlich seinen Standort wechselt. Darunter auch Ironman-Debütantinnen wie Chelsea Sodaro. Die 33 Jahre alte US-Amerikanerin, die im vergangenen Jahr Mutter geworden war und sich dennoch dem zeitraubenden Ironman-Training gewidmet hat, hat sich bewusst für einen Start in Hamburg entschieden.
„Ich wollte meine Premiere in einer Stadt erleben, die einerseits ein hochwertiges Rennen, andererseits aber auch Reize abseits des Sportlichen hat. Und ich muss sagen, dass ich nach ein paar Tagen hier das Gefühl habe, dass meine Wahl goldrichtig war“, sagt sie.
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Im Triathlon gibt es das Kuriosum, dass auch Nicht-Europäerinnen den EM-Titel gewinnen können. Laura Philipp hält davon gar nichts, im Gegenteil: „Ich halte diese Regelung für Schwachsinn und finde, dass das Rennen dadurch für die europäischen Athletinnen entwertet wird“, sagt sie. Allerdings wolle sie sich mit derlei Nebengeräuschen nicht weiter aufhalten. „Der Ironman ist mental und körperlich eine einzige Ausnahmesituation, da muss ich meine Kräfte für die wichtigen Momente bündeln“, sagt sie. Und wenn ihr dann beim zwischen 14.45 und 15 Uhr erwarteten Zieleinlauf auf dem Rathausmarkt Zehntausende Fans den nötigen Rückenwind geben, werden sowieso alle Strapazen vergessen sein.