Hamburg. Corinna Peth arbeitet in der Notaufnahme und macht Impfverweigerern große Vorwürfe – denn immer wieder gebe es Zufallsbefunde.

Die Hamburger Krankenschwester Corinna Peth arbeitet seit mehr als 30 Jahren in der Zentralen Notaufnahme (ZNA) einer großen Hamburger Klinik. Nach eineinhalb Jahren Pandemie und der für Erwachsene umfangreichen Möglichkeiten, sich impfen zu lassen, hat sie jetzt die Nase voll von Impfverweigerern.

Corona Hamburg: Krankenschwester auf Ungeimpfte wütend

Von 1988 bis 1991 absolvierte Corina Peth in der Hamburger Klinik ihre Ausbildung und auch die vergangenen 30 Jahre seither arbeitet sie dort. Immer in der Zentralen Notaufnahme, immer unter dem Druck, schnell entscheiden, sofort helfen zu müssen. Notfälle abarbeiten eben. In jeder Schicht. Und immer mit Leidenschaft. „Aber jetzt ist meine Lunte total abgebrannt“, sagt die 51-Jährige.

„Seit März 2020 arbeite auch ich – wie so viele – jeden Dienst mit Maske, Visier, Kittel und Haube. Es ist sehr warm, nervig und anstrengend. Eigentlich bin ich immer noch gerne Krankenschwester, aber ich bin so fassungslos! Jetzt kommen die ungeimpften Corona-Patienten und möchten natürlich liebevoll versorgt werden. Ich kann und möchte das nicht mehr! Jeder hätte nun ein kostenloses Impfangebot wahrnehmen können und wer das nicht möchte, muss dann auch mal allein zurechtkommen!“, sagt Peth aufgebracht.

Ihre Kritik richte sich aber grundsätzlich nicht gegen Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen könnten, aber das seien nur wenige.

Hamburger Krankenschwester wütend auf Impfskeptiker

Corinna Peth hat sich gleich zu Beginn impfen lassen, wie auch viele ihrer Kollegen und Kolleginnen. Am 30. Dezember 2020 bekam sie ihre erste Dosis Biontech, drei Wochen später die zweite. „Auch mir ging es danach nicht gut, mir war übel und ich hatte Kopfschmerzen. Uns hatte darauf keiner wirklich vorbereitet. Da hatte man noch nicht das Wissen, dass das normal ist“, sagt sie. Inzwischen wisse man um diese möglichen Impfreaktionen, aber damals sei sie sehr beunruhigt gewesen.

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Wenn allerdings jetzt noch Leute sagten, sie fühlten sich dabei wie Versuchskaninchen, habe sie dafür absolut kein Verständnis: „Was mich so wütend macht: da sind Wissenschaftler, Virologen, die beschäftigen sich seit Jahren mit diesem Thema. Das sind intelligente Menschen, die das studiert haben. Wenn ich in eine Kfz-Werkstatt gehe, dann glaube ich doch auch den Fachleuten. Ich hole mir vielleicht noch eine zweite und eine dritte Meinung. Und dann google ich vielleicht noch und lese nach, aber spätestens dann lasse ich doch meine Bremsen neu machen.“

Sie verstehe nicht, woher manche Leute das Selbstbewusstsein nähmen, „dass sie es besser wissen als die Experten oder woher sie wissen, dass sie diese Krankheit nicht kriegen oder wie schlimm der Verlauf wäre“, sagt die Krankenschwester, „das ist mir ein Rätsel“.

Corona in Hamburg: Mehr über Long Covid bekannt

Jetzt wisse man doch soviel mehr, auch über die Long-Covid-Problematik, deshalb sei sie so sauer und ohne Verständnis für die Verweigerer, sagt Peth. Sich nicht impfen zu lassen, hält sie für zudem für unsolidarisch und egoistisch. „Die Leute rauchen und nehmen die Pille, essen wie blöd und trinken und dann machen sie so ein Gewese um diese Impfung. Wir impfen im Krankenhaus ja auch Tetanus“, sagt sie: „Es hat mich noch nie jemand gefragt, was ist denn das für ein Impfstoff, haben Sie den auch schön gekühlt?“ Oder wenn die Menschen um die Welt reisen, akzeptierten sie ganz viele Impfungen, ohne groß nachzufragen.

Sie habe ihre Entscheidung, in der Notaufnahme zu arbeiten, bewusst getroffen und nie bereut, sagt Corinna Peth. „Ich habe recht schnell gemerkt, dass ich schön finde, dass man nicht jeden Tag genau weiß, was passiert, das immer was Neues kommt. Und ich fand auch immer gut, dass man kurz Patienten versorgt und sie dann weiterverlegt werden.“

Sich um die Patienten in der Notaufnahme zu kümmern, sei ihr Job: „Ich habe mir das selbst ausgesucht. Aber jetzt könnten uns ja auch die Menschen ein bisschen schützen und nicht mehr mit der hochinfektiösen Delta-Variante in die Krankenhäuser kommen. Jetzt könnten sie uns ein wenig entlasten“, fordert Peth. „Wir machen das jetzt seit eineinhalb Jahren und es wäre schön, wenn das auch für uns einmal zu Ende ist, denn wir waren durch den Pflegenotstand vorher schon am Anschlag.“

Krankenschwester arbeitet in Hamburg im Schichtbetrieb

Weil niemand einen Notfall-Patienten in die Notaufnahme begleiten dürfe, sei der Aufwand für das Pflegepersonal dort noch größer, man müsse ganz viel mit Angehörigen telefonieren, Botendienste für die Patienten erledigen, das sei sehr viel Mehraufwand.

Corinna Peth arbeitet im Schichtbetrieb, meistens im Spätdienst von 13.30 bis 21.30 Uhr. Am Vormittag sei meistens etwas weniger los, da gingen doch viele mit Beschwerden noch eher zum Hausarzt. Am meisten Betrieb sei in der Spätschicht, sagt sie, inzwischen sei auch in der Nachtschicht meistens unheimlich viel los. „Es wird nie ruhiger, es geht genauso weiter.“ Nur im vergangenen Jahr von März bis Mai sei es wirklich eine tolle ruhige Zeit gewesen: „Da hatte man das Gefühl, es kommen wirklich nur Patienten, die kommen müssen. Man hatte Zeit, sich um jeden Einzelnen wirklich zu kümmern.“

Hamburg: Jeder Patient kann Corona mitbringen

Jede Spätschicht sei üblicherweise mit sieben Mitarbeitern besetzt. Ein Kollege/Kollegin sitzt am Tresen und nimmt jene Notfallpatienten in Empfang, die zu Fuß ins Krankenhaus kommen, und macht eine Ersteinschätzung nach Manchester-Triage. „Ich muss den Patienten einschätzen und entscheiden, muss der zum Neurologen, muss der zum Chirurgen, muss der zum HNO-Arzt oder zum Internisten.“ Die anderen Kollegen hinten teilten sich auf in den chirurgisch-neurologischen Bereich und den internistischen Bereich. Dort werde auch empfangen, wer mit den Rettungswagen gebracht werde. „Wir entscheiden selbst, wer in der Schicht an welcher Position arbeitet. Jeder muss alles können, und wenn wir uns nicht einigen können, losen wir.“

Seit Beginn der Pandemie sei Corona natürlich ein riesiges Thema in der Klinik. Viele Corona-Patienten seien im vergangenen Jahr von Krankenwagen gebracht worden – und die seien von der Feuerwehr vorab angekündigt und dann in einen Isolationsraum gebracht worden. „Dann vermummen wir uns, müssen den Patienten ausziehen, Blut abnehmen, zum Röntgen bringen, wir machen ja die komplette Erstversorgung. Natürlich auch bei den Corona-Patienten. Und entweder geht der dann, wenn es gut läuft, wieder nach Hause oder wir schicken sie auf intensiv oder wir päppeln sie fünf Stunden auf, bis sie auf Intensiv gehen, weil da kein freies Bett ist. Das haben wir auch häufig gemacht.“

Wegen Corona: Arbeit im Vollschutz sehr anstrengend

Letztes Jahr seien unheimlich viele Patienten mit klassischen Covid-Symptomen mit dem Rettungswagen gebracht worden, aber irgendwann habe man festgestellt, dass ja Bauchschmerzen, Magen-Darm-Infekte und viele andere Symptome auch Corona-Symptome sind. „Irgendwann stellten wir fest, dass ein Mann, der wegen eines gebrochenen Fußes kam, auch Corona hatte, wir hatten auch viele Zufallsbefunde. Im Prinzip hätte man ja jeden Patienten so behandeln müssen, als wäre er positiv, aber das ist ja überhaupt nicht leistbar. Jeder Patient, der stationär aufgenommen wurde, wurde auch getestet.“

Die Arbeit im Vollschutz sei besonders anstrengend und aufwendig – und bis zur Hälfte der Zeit einer Schicht notwendig. „Man zieht sich an und wieder aus und wieder an und wieder aus, bei jedem Patienten.“ Coronapatienten seien zudem nicht die einzigen, die man im Vollschutz betreuen müsse, sagt Peth. „Die anderen Iso-Patienten, also zum Beispiel Menschen aus den Pflegeheimen mit einem multiresistenten Keim, oder Meningitis oder Influenza oder Norovirus, die gibt es ja alle trotzdem.“ Bei jedem Patienten mit Fieber oder Husten trage man Vollschutz.

Corona-Patienten in Hamburg immer jünger

Dass die Corona-Patienten ja inzwischen deutlich jünger seien, gehe auch am Pflegepersonal nicht spurlos vorüber, sagt die erfahrene Krankenschwester. Es sei normal, dass sie in ihrem Beruf mit Leben und Tod umgehen müssten, aber es sei ein Unterschied, ob man einen 85-Jährigen aus dem Pflegeheim mit einer Vorerkrankung verabschieden müsse oder junge Leute, die Familie haben. Das gehe einem besonders nahe. „Ich weiß nicht, wie viele Totenzettel die Kollegen aus den Intensivstationen an Füße gebunden haben. Ein Kollege sagte, dass habe er in 30 Berufsjahren nicht gehabt. Es gehört zu unserem Job, aber schön ist das auch nicht."

Auch sie habe Angst vor dieser Krankheit, sagt Corinna Peth, deren Kinder (17 und 14) inzwischen ebenfalls geimpft sind. „Und nun kommen die ungeimpften hochinfektiösen Delta-Patienten und stecken auch noch die Geimpften an! Ich bin soooo genervt, wütend und enttäuscht.“ Wer sich nicht impfen lasse, solle dann auch nicht ins Kino, nicht in den Urlaub, findet sie. „Bitte auch nicht infiziert ins Krankenhaus kommen. Dann sollen die eine Ibu nehmen, zu Hause liegen und vor sich hin leiden.“ Sie würde sich wünschen, dass auf der Krankenkassenkarte vermerkt sei „Impfung nicht gewollt, nicht gewünscht“. „Dann möchte ich die auch nicht behandeln müssen.“