Hamburg. E-Scooter sollten Teil der Hamburger Verkehrswende werden. Doch Studien zeigen, dieses Ziel wurde verfehlt. Und nicht nur das.

Auf Hamburgs Straßen wächst die Zahl der E-Scooter immer weiter. Nach Information der Verkehrsbehörde sind an Alster und Elbe inzwischen 9000 E-Scooter in Betrieb. Das ist nach Berlin, wo 24.500 Roller entleihbar sind, die zweitgrößte Zahl.

Zum Vergleich: Im Frühsommer war von 7000 Gefährten die Rede, beim Start der E-Scooter vor zwei Jahren waren es nur 4000 elektrisch angetriebene Roller. Mit den beiden US-Unternehmen Bird und Lime, der estnischen Firma Bolt, der schwedischen VOI und den beiden deutschen Gesellschaften Tier und Dialog-Scooter sind sechs Anbieter am Start.

E-Scooter lösen wütende Debatten in den sozialen Netzwerken aus

Inzwischen wächst allerdings in der Stadt der Unmut über die Roller – zum einen dominieren sie immer stärker den öffentlichen Raum, weil sie überall abgestellt werden, zum anderen ärgern sich schwächere Verkehrsteilnehmer über die Roller: Eigentlich sollen diese nur auf Straßen und von einer Person benutzt werden, der Alltag – so zeigen wütende Debatten in den sozialen Netzwerken – sieht aber anders aus. Dort ist von „Kampfparken“ die Rede, rücksichtslosem Verhalten und Egoismus zulasten von Behinderten.

Von vielen Seiten schwillt die Kritik an – anders als bei der Einführung erwartet, verfehlen die Roller ihren Zweck: Zugelassen wurden sie, um Menschen für eine Fahrt im öffentlichen Nahverkehr zu ermuntern und sie auf der letzten Meile schneller ans Ziel zu bringen. So freute sich bei der Einführung 2019 die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank: „Mit einem Elektro-Scooter zu fahren macht Spaß und schützt das Klima.“ Roller seien die „Ergänzung für einen guten Mobilitäts-Mix“.

Lesen Sie auch:

Heike Sudmann fordert verpflichtende Abstellflächen

Nun zeigen Studien, dass die überwältigende Zahl der Fahrten nur zum Spaß erfolgt – und den öffentlichen Nahverkehr sogar ersetzt. „Ich sehe noch keinen Nachweis, dass E-Scooter zur Verkehrswende beitragen“, kritisiert die Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann von der Linken. „Bewiesen ist, dass rumstehende und -liegende E-Scooter ein großes Ärgernis sind. Nicht bewiesen ist, dass sie nennenswert Autofahrten ersetzen. Mehr als eine Akten­tasche lässt sich mit den Dingern ja auch nicht transportieren.“ Sie fordert verpflichtende Abstellflächen, für die die Betreiber Gebühren zahlen müssen.

Ähnlich enttäuscht zeigt sich der Fahrradclub ADFC von den E-Scootern: „Angesichts des derzeitigen Geschäftsmodells der Anbieter und des rücksichtslosen Verhaltens vieler Nutzerinnen und Nutzer zahlen die E-Scooter kaum auf die Mobilitätswende ein“, sagt Verbandssprecher Dirk Lau. „Bislang helfen sie nicht, den privaten Autoverkehr in der Stadt zu reduzieren, sondern werden für Strecken genutzt, die sonst zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Bus zurückgelegt worden wären.“

Die Umweltbilanz von Scootern sei, solange sie keine Autofahrten ersetzen, eher klimaschädlich. Allerdings schränkt Lau ein: „Die Aufregung über die E-Scooter kann nicht überspielen, dass die Hauptblockaden und Gefahren im Straßenverkehr weiterhin durch falsch geparkte Autos verursacht werden.“

Polizei soll Verkehrsverstöße konsequent ahnden

Lau fordert mehr Aufklärung der Rollerkunden über regelgerechtes, rücksichtsvolles Verhalten im Straßenverkehr, aber auch vermehrte Kontrollen und eine konsequente Ahndung der Verstöße vonseiten der Polizei. „Das Parken auf Gehwegen sollte verboten, das Abstellen der Scooter stadtweit nur noch auf ausgewiesenen Flächen auf der Fahrbahn oder auf umgewidmeten Kfz-Parkplätzen erlaubt werden.“ Die Kosten für den Umbau und die Bereitstellung dieser Parkplätze müssten die Anbieter übernehmen. Zudem bringt Lau Sondernutzungsgebühren ins Gespräch. „Der öffentliche Raum ist zu kostbar, um ihn an Firmen zu verschenken, die mit diesem vergleichsweise kostspieligen Mobilitätsangebot Umsatz machen wollen.“

Auch in der Behörde für Verkehr und Mobilitätswende ist die große Begeisterung dahin: „E-Scooter werden vorwiegend von jungen Menschen im innerstädtischen Bereich genutzt und bedienen ein Lebensgefühl junger Menschen“, sagt Sprecher Dennis Krämer. „Angesichts der Erwartungen vor zwei Jahren haben die E-Scooter aus unserer Sicht allerdings als wirklich nachhaltiger Beitrag zur Mobilitätswende noch nicht vollends überzeugen können und müssen ihren Platz in einer nachhaltigen Mobilitätskette erst noch finden. Auch müssen aus unserer Sicht die Pflege des öffentlichen Raums sowie die Verkehrssicherheit gewährleistet sein.“

Park-Verbotszonen in verdichteten Quartieren im Gespräch

Krämer betont, dass E-Scooter rechtlich im weitesten Sinne wie Fahrräder behandelt werden. „Für die Erhebung von Nutzungsgebühren fehlt somit die Rechtsgrundlage.“ Allerdings will die Behörde gegensteuern und wünscht sich nun eine einheitliche Regelung: „Hamburg setzt sich auf Bundesebene dafür ein, das Auf- und Abstellen der E-Scooter stärker zu reglementieren“, sagt Krämer.

Darüber hinaus liefen Gespräche mit den Anbietern, Park-Verbotszonen in verdichteten Quartieren einzurichten. „Hamburg prüft fortlaufend die Einrichtung neuer Abstellflächen für E-Scooter, wie sie bereits im Stadtteil Sternschanze oder an verschiedenen Standorten im Bezirk Mitte umgesetzt worden sind.“

Immerhin dürften jetzt die Grenzen des Wachstums erreicht sein: „Aktuell liegen uns keine Informationen vor, dass zeitnah neue Anbieter mit neuen Fahrzeugen auf den Hamburger Markt wollen“, sagt Behördensprecher Krämer.