Hamburg. Die zaubernden Brüder Chris und Andreas Ehrlich zehren auch auf der Bühne von ihrer eigenen Kindheit. Warum sie gern streiten.

Eigentlich stehen Chris und Andreas Ehrlich nicht nur als Magier auf den großen Bühnen Deutschlands. Sie demonstrieren auch Tausenden Zuschauern etwas, wovon viele insgeheim träumen: ein gelöstes, liebevolles und gleichberechtigten Verhältnis unter Geschwistern.

Die „Ehrlich Brothers“ aus dem nordrhein-westfälischen Bünde haben ihre familiäre Bindung auch deshalb in ihren Künstlernamen inte­griert. Gemeinsam lassen sie es auf der Bühne krachen, da wird Pyrotechnik abgefeuert ebenso wie frotzelnde Kommentare, es fliegen Lamborghinis und Pointen.

Ehrlich Brothers: So ist ihre Brüder-Beziehung

Die Illusionen von durchgesägten Menschen, verzahnten Ringen oder schwebenden Motorbesen faszinieren große und kleine Leute – Familienunterhaltung der Neuzeit. Eigentlich wären die beiden an diesem Wochenende auch in Hamburg aufgetreten, ihre Shows in der Barclays Arena mussten aber coronabedingt auf den 3. Juli verschoben werden.

Im Abendblatt-Familienpodcast erzählen sie, wie der Grundstein für ihr vertrauensvolles Miteinander gelegt wurde und wie viele Dosen Haarspray sie für ihre stacheligen Frisuren verbrauchen. „Mein Bruder behauptet bis heute, von den 20 Lkw, mit denen wir auf Tour gehen, ist einer komplett mit Haargel und -spray gefüllt“, sagt Andreas Ehrlich und lacht. „Aber mal ganz ehrlich, eine große Dose geht für uns beide an einem Tag drauf.“ Kombiniert wird in der „Geheimrezeptur“ auch mit Haarlack und verschiedenen Lagen im Styling, doch wollen sich die Magier das komplette Geheimnis nicht entlocken lassen.

Offen hingegen werden sie, als es um ihre Brüder-Beziehung geht. „Das kam ja nicht von heute auf morgen, wir konnten uns also langsam daran gewöhnen“, sagt Chris Ehrlich, der vier Jahre jüngere Bruder. „Wir fliegen ja selbst zusammen in den Urlaub, das sind Zustände, die mag man sich gar nicht vorstellen“, sagt Chris – offiziell Single – lachend. „Aber Spaß beiseite“, fällt der dreifache Familienvater Andreas ein. „Wenn wir zusammen auftreten, dann ist eins plus eins gleich drei, es kommt einfach mehr dabei raus.“

Ehrlich Brothers: „Wir streiten uns auch viel"

Er erinnert sich an den ersten gemeinsamen Zauber-Auftritt als älterer Teenager, den er mit seinem Bruder als Assistenten machte. Eigentlich nur deshalb, weil die Tricks auch auf Französisch und Englisch vorgeführt werden sollten, so wollte es das zahlende Publikum. „Da war ich raus und mein Bruder dabei“, sagt An­dreas. Der Austausch nach der Show, das Überlegen und Tüfteln an neuen Tricks und Illusionen schweißt die Brüder, deren Faszination für die Zauberkunst jederzeit spürbar ist, zusammen.

Auch ihr verstorbener Vater unterstützte seine Söhne ungemein, nach seinem Arbeitstag als Ingenieur bastelten sie zu dritt, feilten an Kon­struktionen. „Für unsere Eltern war es immer wichtig, dass sich alle gut verstehen. Das haben uns unsere Eltern auch vorgelebt, diese Anker tragen uns heute noch. Dazu kennen wir uns einfach ein Leben lang und haben Spaß an unserer Arbeit.“ Auf mehr als 1000 Quadratmetern in ihrem Headquarter in Nordrhein-Westfalen werkeln sie täglich mit 30 Mitarbeitern an der nächsten verblüffenden Illusion, oft mehrere Jahre lang. Hierbei komme es auch mal zu Missstimmung. „Wir streiten uns auch viel. Gerade gestern erst hatten wir einen gesunden Streit, das Streiten haben wir gelernt“, sagt Chris.

Es ging darum, den besten Ansatz für eine Trick zu finden. „Das ist total produktiv, indem man Argumente austauscht und nicht die Fäuste fliegen. Es geht nicht darum, dem anderen etwas an den Kopf zu werfen“, meint er. „Es ist unsere Lebensgeschichte, dadurch finden wir immer wieder zusammen und auch die bestmögliche Lösung.“

Die Art ihres Aufwachsens habe all das ermöglicht und sie stark geprägt. „Unsere Eltern haben sich schon sehr zurückgenommen und sich um unsere Sachen gekümmert“, sagt Andreas. „Sie haben uns unterstützt, um unsere Interessen zu fördern.“ Dabei sei es nicht ums Geld gegangen, erinnert sich Chris: „Förderung mit ihrem Einsatz, mit Zeit. Sie haben uns gefahren und nach den Auftritten darüber gesprochen. Reflektiert, ohne dass sie uns in eine Richtung drücken wollten. Das Brennen für eine Sache kann ohnehin nicht von außen kommen.“

Eltern der Ehrlich Brothers: Werdet doch Lehrer und nicht Zauberer!

Denn als Mutter und Vater sahen, dass ihre Söhne immer erfolgreicher wurden, versuchten sie etwas gegenzusteuern. „Unsere Eltern haben uns eher gebremst, ,werdet doch Lehrer und nicht Zauberer!‘, das haben sie natürlich gesagt“, sagt An­dreas. Beide studierten ein wenig, entschieden sich dann jedoch endgültig für das zauberhafte Bühnenleben.

Die enge Familienbindung spielt im Leben der Brüder, die sich meist als „Bruder“ oder „Brother“ ansprechen, eine bedeutende Rolle. „Aus unserer Family kommen die ersten Personen, die unsere Illusionen sehen. Mittlerweile freuen sich die Familien, mit meiner Schwester und Nichten und Neffen, weil wir so unfassbar viel unterwegs sind, wenn es auch andere Themen gibt“, sagt An­dreas. Die Zeiten, in denen er an Kindergeburtstagen Flohzirkus vorgeführt und Luftballons hergezaubert habe, die seien vorbei, sein Ältester ist bereits 15 Jahre alt. „Aber die Vermehrung von Geld ist immer hoch im Kurs“, streut Chris mit einem Lachen ein.

Das Teilen von Misserfolgen und Erfolgen, das Schaffen von Illusionen ist der Kit, der sie zusammenschweißt. So, wie sie es selbst erlebt haben. „Unsere Kinder sind heute auch immer Teil des Lebens, wir reden viel und reparieren auch viel“, sagt Andreas. „Das kann ich bezeugen“, fällt Chris ein, „erst letzte Woche hat er dauernd abends die Spülmaschine repariert.“ Die Pumpensumpfdichtung hakte. „Ich möchte den Kindern zeigen und vorleben, dass man nicht alles wegwerfen muss, sondern auch reparieren kann.“

Chris gibt zu: „Ich hätte da eine neue bestellt, aber insgeheim denke ich mir: boah, was für ein geiler Vater!“ Nicht erst nach diesem Kompliment wird deutlich, dass die Beziehung der Brüder wahrlich ehrlich ist. Und keine Illusion.