Hamburg. Kliniken melden hohe Impfquote. Wer sich nicht immunisiert, muss mit „Betretungsverbot“ rechnen. Behörde prüft weitere Optionen.
Rund drei Wochen nach dem Start der sogenannten „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ für das Gesundheitswesen liegen in Hamburg erste belastbare Zahlen vor. Die Sozialbehörde von Melanie Leonhard (SPD) erhielt 3543 Meldungen über Beschäftigte, die entweder ungeimpft sind oder deren Status unklar ist. Von ihnen kommen 41 Prozent erwartungsgemäß aus den Krankenhäusern, die mit Zehntausenden Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber überhaupt sind.
Die Kliniken selbst verweisen darauf, dass ihre Belegschaft zu deutlich mehr als 90 Prozent geimpft ist. Die Pflegedienste haben nach Worten von Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde, einen Anteil von 21 Prozent an den Meldungen. Dahinter folgen die Praxen (elf Prozent) und die stationären Pflegeeinrichtungen (vier Prozent). Der Rest von rund 23 Prozent verteilt sich auf Meldungen aus Wohneinrichtungen, Eingliederungshilfe und Krankentransport-Unternehmen.
Corona Hamburg: Gemeldete müssen Impfstatus erklären
Die gemeldeten Personen erhalten nun ähnlich wie beim „Blitzen“ im Straßenverkehr innerhalb von zwei Wochen einen Anhörungsbogen. Darin müssen sie mit einer Frist von vier Wochen ihren Impfstatus erklären und können auch digital bei der Behörde Nachweise hochladen. Bevor ein sogenanntes „Betretungsverbot“ als schärfste Maßnahme ausgesprochen werde, prüfe man andere Mittel und höre die Leitung einer Einrichtung an, sagte Behördensprecher Helfrich. Vermutlich im Mai werden die ersten Konsequenzen für Ungeimpfte zu sehen sein.
In Krankenhäusern und Heimen ist die Sorge um den Verbleib vor allem von Pflegekräften groß. Die Sozialbehörde erwartet nicht, dass diese Impfpflicht gravierende Auswirkungen auf die Personalausstattung haben wird.
Impfpflicht: 40 Beschäftigte bei Pflegen & Wohnen nicht geimpft
Wer derzeit die Webseite des größten privaten Anbieters von stationärer Pflege in der Hansestadt besucht, bekommt es in einem Pop-up-Fenster prominent angezeigt: „Geimpft in Gemeinschaft leben“ – das erste Wort ist neu im Motto von Pflegen & Wohnen Hamburg. Entsprechend klar ist auch die Haltung der Geschäftsführung: „Ich bedauere das aus dem Bundestag verlautete Scheitern einer allgemeinen Impfpflicht ab 18“, sagte Thomas Flotow dem Abendblatt. Mehr als 98 Prozent der rund 2000 Mitarbeitenden in seinem Unternehmen sind vollständig immunisiert.
„Zum Glück konnten wir viel Überzeugungsarbeit leisten und die allermeisten Beschäftigten mitnehmen“, sagte Flotow. Nach den ersten Boosterungen und den teilweise schon erfolgten vierten Impfungen sei die Bereitschaft durch nun trotzdem auftretende Infektionen mit der Omikron-Variante aber etwas erlahmt. Die nicht immunisierten 40 Beschäftigten bei Pflegen & Wohnen seien auch mit der Aussicht auf ein mögliches Betretungsverbot nicht bereit, sich impfen zu lassen.
Impfpflicht: Auch UKE musste Personen melden
Pflegen & Wohnen habe diese am 16. März an die Stadt gemeldet, so Flotow. Über ein eventuelles Verbot entscheide das zuständige Gesundheitsamt. Zuvor werde den entsprechenden Beschäftigten vier Wochen Zeit gegeben, einen Immunisierungsnachweis vorzulegen. Aktuell arbeiten sie normal weiter. Durch das verpflichtende Tragen einer FFP2-Maske bestehe kein besonderes Risiko, so Flotow. „Sollte ein Betretungsverbot verhängt werden, dürfen wir die Beschäftigten ab diesem Termin nicht mehr einsetzen. Die Vergütung würde entfallen.“
Auch im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) wartet man auf weitere Entscheidungen aus der Politik. Zum 16. März hatte das UKE den Behörden nach eigenen Angaben rund 200 Personen mit unbekanntem Impf- und Immunitätsstatus gemeldet. Dies ist rund ein Prozent der Beschäftigten des Hauses. „Unsere Linie war von Anfang an: viel Aufklärung und Beratung“, sagte der Direktor für Patienten- und Pflegemanagement, Joachim Prölß, dem Abendblatt.
Ungeimpfte Beschäftigte arbeiten vorerst weiter
Dafür seien intern Einzelgespräche geführt worden, auch Expertinnen wie die Infektiologin Prof. Marylyn Addo waren dabei, um Fragen zu beantworten. „Die Anzahl der Mitarbeitenden mit unbekanntem Immunitätsstatus ist aber doch so klein, dass es sich nicht zu dramatisch auswirkt“, sagte Prölß. Auch hier werden ungeimpfte Beschäftigte aktuell weiter mit FFP2-Maskenpflicht eingesetzt und jeden Tag mit einem Antigen- sowie bis zu zweimal die Woche mit einem PCR-Test getestet.
Insgesamt gebe es unter den UKE-Beschäftigten aber großes Verständnis und Rückhalt für die Impfpflicht. „Allerdings hätten wir als Arbeitgeber eine allgemeine Impfpflicht von Anfang an für sinnvoller gehalten“, sagte Prölß. „Das wäre auch für die Argumentation gegenüber skeptischen Beschäftigten viel einfacher gewesen, die fragen: ‚Warum muss ich geimpft werden, aber alle anderen nicht?‘ Ich bin nicht ganz glücklich darüber, wie lange die politische Diskussion bisher gedauert hat.“
Kröger kritisiert Ablehnung der allgemeinen Impfpflicht
Das Hospital zum Heiligen Geist in Poppenbüttel gehört ebenfalls zu den größten Anbietern in Hamburg. Hier sind rund 950 Mitarbeitende beschäftigt, 97 Prozent sind vollständig geimpft. Komplett immunisiert sind – die genesenen Personen eingerechnet – 99 Prozent, wie Vorstand Michael Kröger auf Abendblatt-Anfrage mitteilte.
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„Wir haben uns deutlich für eine allgemeine Impfpflicht ausgesprochen“, sagte Kröger. Die Beschränkung der Pflicht auf den Pflege- und Gesundheitssektor werde von vielen als zusätzlicher Druck und als Stigmatisierung empfunden. „Sie trifft eine Branche, die in den vergangenen Jahren ohnehin schon sehr belastet wurde. Von daher bedauern wir sehr, dass eine allgemeine Impfpflicht offenbar von der Politik nicht umgesetzt wird.“
Corona Hamburg: KVHH macht keine Angaben
Die Kassenärztliche Vereinigung hat keine Angaben darüber, aus wie vielen Praxen Meldungen zu einem ungeklärten Impfstatus von Ärzten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kamen. Aus Datenschutzgründen könne man über die Beschäftigten im Notdienst keine Angaben machen.