Hamburg. Discounter-Pläne im Ortskern der noblen Wohngegend sorgen für Ärger. Anwohner-Schreiben endet mit Ankündigung.

Ein neues Bauvorhaben im Ortskern von Blankenese sorgt für Aufregung. Nach Informationen des Abendblatts möchte der Unternehmer Oliver Quint auf einem ihm gehörenden großen Grundstück zwischen Blankeneser Bahnhofstraße und Auguste-Baur-Straße ein Gebäude errichten lassen, in dem sich unter anderem eine Aldi-Supermarkt befinden soll. Zahlreiche Anwohner aus der Auguste-Baur-Straße laufen nun Sturm gegen das Projekt. Sie befürchten ein massives Verkehrsaufkommen, verursacht vor allem von Kundinnen und Kunden sowie Lieferanten.

In einem Schreiben der Anwohner an Bezirkspolitiker ist von einem „völlig überdimensionierten Bauvorhaben“ die Rede – dem Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit drei Vollgeschossen, Dachgeschoss, Souterrain und einer Tiefgarage mit 38 Stellplätzen. Unten ist der Aldi-Markt mit einer Gesamtfläche von rund 1000 Quadratmetern geplant, oben sollen Seniorenwohnungen entstehen.

Blankenese fürchten durch Aldi mehr Autos

Quints Bau-Voranfrage wurde von den Anwohnern bereits eingesehen, einen Bauantrag gibt es noch nicht. Laut Quint soll die Tiefgarage ausschließlich für Nutzer aus dem Haus vorgesehen sein, Kundenparkplätze werde es vor Ort nicht geben. Doch die Anwohner wollen nicht recht daran glauben, und selbst wenn es so sein sollte, mache das aus ihrer Sicht letztlich keinen Unterschied. „Ein Aldi-Markt bedeutet einen enormen zusätzlichen Autoverkehr an Werktagen“, heißt es in dem Schreiben. „Wenn es keine Parkgarage für Aldi geben sollte, würde die Parkplatzsituation im Ort zusammenbrechen.“

Anwohner Ekhard Popp und seine Ehefrau Isabelle Cramer haben mit viel Aufwand diverse Daten von Aldi-Märkten ausgewertet und daraus Berechnungen für die möglichen Kundenströme vor Ort entwickelt. Daraus ergebe sich, so jedenfalls die Erkenntnisse der beiden, dass der Markt dem Ortskern mehr als 2000 Kundenautos täglich bescheren könnte, die Rede ist sogar von bis zu einer Million zusätzlicher Autos pro Jahr.

Anwohner in Blankenese empört

Noch entscheidender für das Projekt könnte sein, dass aus Sicht der Anwohner der Bebauungsplan Blankenese 6 eine solche Bebauung explizit ausschließe. Dort heißt es unter anderem: „Die Flächen sollen ausschließlich dem Wohnen dienen und nicht durch Fremdnutzungen in ihrer Wohnqualität gemindert werden.“ Von Bezirkspolitikern wird das indes bezweifelt.

Sie machen geltend, dass die Grundstücke auf der entscheidenden Seite der Auguste-Baur-Straße ganz klar als so genanntes Mischkerngebiet ausgewiesen seien, das auch gewerblich genutzt werden darf. Im Übrigen sei auch in einem allgemeinen Wohngebiet gewerbliche Nutzung mit einem Einzelhandelsgeschäft zulässig.

Die betroffenen Anwohner sind empört – und entschlossen. Fakt ist: Auf der Bahnhofstraße und der parallel verlaufenden Auguste-Baur-Straße, die beide Einbahnstraßen sind, herrscht schon jetzt relativ starker „Parkplatz-Suchverkehr“ – insbesondere an Markttagen. Selbst jetzt, also während der Sommerferien, ist das zu bemerken.

Mehr Wildparker wegen Aldi-Markt?

Aus Sicht der Anwohner drohe künftig ein Mehr an Wildparkern, Staus Hupkonzerten und einer massive zusätzliche Belastung mit Autoabgasen. „Es ist in den vergangenen Jahren sowieso schon immer schlimmer geworden“, sagt Dirk Mötting, seit 1973 und damit am längsten hier ansässig. „Und nun auch das noch.“

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Und Isabelle Cramer sagt: „Der Investor und die Bezirkspolitiker tun so, als ob die Menschen so vernünftig seien, auch zum Einkauf bei Aldi ohne Auto aufzukreuzen. Das ist doch völlig unrealistisch.“ Auch gegen die Bezirkspolitiker wird gewettert. Diese hätten versucht, das Projekt schnell durchzudrücken, von „Geheimniskrämerei“ ist die Rede. „Da wird immer viel von Bürgerbeteiligung gesprochen“, schimpft Ulf Bohla, „aber davon kann hier keine Rede sein.“

Grünen-Fraktionschefin verspricht sich neue Impulse

CDU-Fraktionschef Sven Hielscher zweifelt daran, dass der Verkehr so stark zunehmen werde wie die Anwohner befürchten, und spricht davon, dass es maximal circa 50 zusätzliche Fahrzeugbewegungen pro Tag geben werde – vier bis fünf pro Stunde Die Politik werde dafür sorge tragen, dass die Tiefgarage nicht von Aldi-Kundinnen und -Kunden genutzt werden könne, entsprechend werde sich dorthin auch niemand mit dem Auto auf den Weg machen. Hielscher verweist in diesem Zusammenhang auf einen Aldi-City Markt in Winterhude, der völlig ohne Kundenparkplätze auskommt. Hielscher macht aber auch klar, dass es in der Bezirksversammlung breite Unterstützung für das Projekt gebe.

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Auch Grünen-Fraktionschefin Gesche Boehlich verspricht davon neue Impulse für den Einzelhandel vor Ort. „Wir müssen alles dafür tun, die Geschäftsleute zu unterstützen – und das eben in Kombination mit Wohnungsbau“, sagt sie. In der Tat wird das Vorhaben in Blankenese auch nicht von allen Bewohnerinnen und Bewohnern sowie den Gewerbetreibenden abgelehnt. Im Stadtteil ist zu hören, dass es auch positive Meinungen zu dem Projekt gibt.

Wie Oliver Quint dem Abendblatt sagt, gehe es bisher lediglich um eine Anfrage. „Wir haben Gespräche geführt, um die Möglichkeiten vor Ort auszuloten“, sagt er. Wie Quint ankündigt, solle die Zufahrt zu dem Grundstück über die Blankeneser Bahnhofstraße erfolgen, während lediglich die Ausfahrt an der Auguste-Baur-Straße liegen könnte. Ob das die Anwohner beruhig ist indes fraglich. Auch ihm gehe es um eine Belebung des Einzelhandels vor Ort , sagt Quint. „Würde ich dort einfach nur Eigentumswohnungen bauen, wäre das alles deutlich leichter für mich.“

Blankeneser schalten Anwalt ein

Darauf, dass die Bezirkspolitiker die Wogen glätten werden, will man hier nicht alleine vertrauen. Eine Anwohner-Gruppe lässt sich mittlerweile von der auf Baurecht spezialisierten Anwaltskanzlei Oberthür & Partner vertreten, Anwohner aus dem letzten (westlichsten) Abschnitt der Elbchaussee haben sich angeschlossen.

In einem Schreiben an das Bezirksamt Altona, das dem Abendblatt vorliegt, listen die Anwälte zahlreiche Punkte auf, die aus ihrer Sicht gegen das Bauprojekt sprechen. Neben dem Verweis auf den Bebauungsplan 6 geht es dabei unter anderem um Denkmalschutz und Nachbarrechtsverletzung.

Das Schreiben endet mit einer unmissverständlichen Ankündigung: „Gegen andersartige Entscheidungen der zuständigen Genehmigungsbehörde werden unsere Auftraggeber alles rechtlich Mögliche unternehmen, um eine solche Genehmigung anzufechten oder durch zuständige Gerichte aufheben zu lassen.“

Am 13. Juli beschäftigt sich der bezirkliche Bauausschuss mit dem Projekt.