Hamburg. Eggenschwiler steuert den ältesten Flughafen Deutschlands „auf Sicht“ durch die Pandemie. Seine Visionen für den Hamburg Airport.

Michael Eggenschwiler ist seit fast zwei Jahrzehnten Geschäftsführer des Hamburger Flughafens. Eigentlich wollte der Schweizer wie sein Großvater Pilot werden. Nun steuert er den ältesten Flughafen Deutschlands „auf Sicht“ durch die Pandemie und beschreibt im Podcast „Check In“ spannende Visionen für den Helmut-Schmidt-Airport.

Michael Eggenschwiler über...


… seine Liebe zur Luftfahrt
:

Die Luftfahrt hat mich schon als Kind interessiert. Mein Großvater, der in England lebte, war im Ersten Weltkrieg Pilot. Das hat mich als kleiner Junge fasziniert. Ich habe noch seinen Pilotenschein. Wir sind oft in den Sommerferien zu den Großeltern geflogen, und so ich bin ich als kleiner Junge recht viel im Flugzeug gewesen.

Mein Großvater ist als 18-Jähriger in die englische Luftwaffe eingetreten. Und davon hat er viel erzählt – auch davon, wie schwierig das damals war. Das war eine ganz andere Luftfahrt: Doppeldecker, Propellerantrieb, Maschinen aus Holz ...

… den Berufswunsch als Jugendlicher:

Ich wollte Pilot werden, wie mein Großvater. Aber ich habe mir dann gesagt: Studier erst einmal, dann hast du was – und dann kannst du immer noch Pilot werden. Pilot bin ich dann doch nicht geworden, aber ich bin in der Branche gelandet. Ich war fast 20 Jahre bei Airlines in der Schweiz.

Ich habe die Branche von zwei Seiten gesehen, aus der Sicht der Fluggesellschaften und vom Flughafen. Und dass ich dann in Hamburg gelandet bin, war ein Zufall, den ich mir auch nie hätte träumen können. Ich habe das nie geplant aber bin ich froh, dass ich den Schritt gemacht habe.

… die Mentalität seiner Schweizer Heimat und der Hamburger:

Die Mentalität der Menschen in Basel, wo ich aufgewachsen bin, ist ähnlich zurückhaltend, wie die der Hamburger. Basel ist auch eine Traditionsstadt, auch eine Handelsstadt und liegt auch an einem großen Fluss.

… seinen Lieblingsort am Flughafen:

Das ist die Ponderosa – quasi im Fadenkreuz der beiden Landebahnen –, ein Rückzugsort mit großer Grillstelle umringt von Bäumen. Hier treffen wir uns auch mal mit Führungskräften zum Seminar. Mitten auf dem Flughafen und dennoch Natur pur.

… Kurzstreckenverbote:

Ich bin kein Freund von Verboten. Mobilität ist etwas, was wir ja alle wollen. Und die Kunst ist ja, die Mobilität so zu organisieren, dass sie optimal ist für den Nutzer selbst, aber auch für unsere Umwelt. Und ich glaube, da ist es viel besser, wenn wir die Kombination der Verkehrsträger optimieren.

Jeder Verkehrsträger soll seine Stärken entfalten können. Und so sehe ich es auch beim Thema Kurzstreckenflüge. Das beste Beispiel kennen die Hamburger. Das ist die Strecke Hamburg–Berlin. Da fliegt niemand, es gibt auch keine Flüge mehr. Da fahren wir mit dem Zug, weil das Angebot so gut und so schnell ist. Man kommt gar nicht auf die Idee zu fliegen. So funktioniert es, wenn das Angebot beim anderen Verkehrsträger gut ist. Und die Bahn wird sich weiterentwickeln. Es wird mehr Strecken geben, auf denen die Bahn schneller wird und das Flugzeug keine attraktive Alternative mehr ist.

… Hamburgs Chancen auf neue Langstreckenflüge:

Die nächste Flugzeug-Generation, die ja auch in Hamburg von Airbus gebaut wird, könnte vieles verändern: Mit der nächsten Generation der erfolgreichen Airbus-A320-Klasse werden Airlines in der Lage sein, auch mit kleineren Maschinen längere Strecken wirtschaftlich zu betreiben. Und das wird für einen Standort wie Hamburg wirklich gut sein.

Der Markt ist groß, aber um jeden Tag eine Maschine mit 400 Plätzen zu befüllen, ist er nicht groß genug. Aber eine Maschine mit 150 bis 200 Plätzen ist leistbar. Das haben wir auch bewiesen. Wir hatten ja hier Langstrecken, und man konnte sehen, dass die Nachfrage da ist. Und ich glaube, solche Flugzeuge werden technisch in der Lage sein, die Ostküste der USA zu erreichen, oder auch gewisse Ziele in Asien und Indien. Da sehe ich für den zweiten Teil dieses Jahrzehnts eine Chance für Hamburg.

Die Passagiere sparen sich den Zubringerflug nach Frankfurt oder München – oder die Bahnfahrt dorthin. Sie steigen in Hamburg ein und fliegen nonstop nach New York, Boston oder Chicago. Das wird für den Standort Hamburg eine Aufwertung.

… Erholung von der Krise:

Ich bin schon davon überzeugt, dass die Mobilität und das Reisen wiederkommen werden. Es wird Wachstum geben. Die Frage nur: Wie schnell kommt es? Das ist schwierig zu beantworten. Wir planen im Moment, dass wir erst nach 2025 wieder das alte Niveau erreichen werden. In den nächsten zwei Jahren wird man sehen, wie sich das entwickelt.

… die Frage der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wann wieder alles „normal“ sein wird:

Ich kann die Frage auch nicht beantworten, aber ich muss als Chef für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter präsent sein. Wir versuchen wirklich sehr viel zu kommunizieren und allen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Gefühl zu geben, dass wir uns kümmern, dass wir dran sind, dass sie eben nicht vergessen sind und dass wir auch ihre Perspektiven sehen.

Das alles hat in den vergangenen Monaten viel meiner Zeit beansprucht und berührt mich. Weil ich eben oft die Fragen nicht so präzise beantworten kann, wie ich das gerne täte. Ich bin in dieser Zeit oft durchs Terminal gegangen, und da waren die Kolleginnen und Kollegen Mitarbeiter und ich quasi die Einzigen. Und da gibt es schon Gespräche, die belasten. Ich würde viel lieber herumgehen und sagen: Ihr macht einen tollen Job!

… ein Flugziel, das Hamburg fehlt:

New York! Das ist der Inbegriff der Langstrecke. Die Verbindung hatten wir auch schon mal. Das ist eine der Strecken, die ich mir wünschen würde. Genauso wie ich mir eine Direktverbindung nach China wünsche. Hamburg und Shanghai sind ja auch Partnerstädte. Das wäre richtig schön, wenn wir das wieder wieder in einer stabilen Verbindung hätten.

… eigene Traumziele:

Da gibt es viele! Ich hatte eigentlich eine Reise nach Spitzbergen geplant. Und ich wollte immer schon nach Australien. Das habe ich bislang nie geschafft.

… unvergessliche Erlebnisse:

Was mich persönlich immer wieder freut, sind die Rückmeldungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gerade auch jetzt in der Krisenzeit. Das zeigt, wie das Unternehmen mit den Menschen verbunden ist. Ich denke aber auch gern an die Airport Days zurück, als wir mehr als 100.000 Besucher auf dem Gelände hatten. Die erste Landung des A380 war etwas ganz Besonderes.

Aber natürlich gibt es auch Dinge, die man nicht wieder braucht: Wenn ich an die Streiktage denke, als wir die Polizei brauchten, um das Terminal dichtzumachen, damit nicht noch mehr Leute reinkommen. Das brauche ich nicht wieder.

… die Flughafen-Familie:

Die Atmosphäre im Unternehmen ist schon etwas Außergewöhnliches. Wir haben keinen Neujahrsempfang wie andere Flughäfen. Wir haben eine Airport Family Party! Wir versuchen dieses Gefühl bewusst zu pflegen, nicht nur als Geschäftsführung, sondern auch die Führungskräfte und im Umgang mit den vielen Partnern am Flughafen. Und das ist in meinen Augen eine Stärke, die wir in Hamburg haben. Man kennt sich, man unterstützt sich.

… Zukunftspläne für den Airport:

Was ich wirklich schön fände: wenn die S-Bahn in Richtung Norden aus dem Flughafen heraus verlängert würde. Leider konnte man sich beim Bau damals nicht dazu durchringen, den Flughafen an das Fernbahnnetz anzuschließen. Aber die S-Bahn Richtung Norderstedt, Kaltenkirchen und Kiel, wäre etwas, was für den Hamburger Flughafen eine gute Entwicklung wäre.

Und ich wünsche mir, dass das schnell kommt. Das wäre nicht nur für den Flughafen gut, sondern auch für den ganzen Norden. Das ist kein triviales Projekt. Rückblickend wäre es sicher gut gewesen, wenn man die offene Baustelle, die man damals hatte, dazu genutzt hätte, den Tunnel noch etwas weiter in Richtung Norden zu verlängern. Aber wie gesagt, wir sind froh, dass wir die S-Bahn haben.

… seine Freizeit:

Ich bin Familienmensch, und ich bin viel in der Natur. Das ist für mich der Ausgleich, dass ich rausgehe mit unserem Hund und meiner Frau. Ich bin auch gern in den Bergen, auch wenn ich nicht mehr Ski laufe. Im Herbst in den Bergen zu wandern, das finde ich faszinierend. Genauso wie ich auch immer gerne an der Elbe spazieren gehe. Die Luft in freier Natur lässt mich abschalten. Ich brauche nur noch die Ruhe.

… seine Lieblingsplätze in Hamburg:

Ich bin gern an der Elbe. Das ist perfekt zum Spazierengehen. Freunde in der Schweiz können immer gar nicht glauben, dass Hamburg einen Strand hat.