Hamburg. Der Genussexperte des Abendblatts hat das Restaurant in Winterhude getestet. Dabei stellte er Licht und Schatten fest.
Als das sternenbekränzte „Trüffelschwein“ am Mühlenkamp seine Pforten schloss, floss so manch bittere Zähre bei unmittelbaren Anrainern. Aber gemach, liebe Winter- und Harvestehuder, ich sage euch: „Barmet und zaget nicht, denn an gleicher Stelle ist mit dem "Stammtisch" eine höchst erfreuliche Stätte der kulinarischen Einkehr entstanden!“
Betreiber des Etablissements sind zwei gleichermaßen sympathische wie kompetente junge Herren, die sich an ihrer früheren Wirkungsstätte kennengelernt und beschlossen haben, gemeinsam den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen: Leon Blume, Ex-Serviceleiter, und Clemens Maiwald, Ex-Küchenchef von Steffen Hensslers „Ono“ in Eppendorf. Die Karte im Stammtisch ist klein und wechselt häufig, aber fast alles ist, was Zutaten und Zubereitung angeht, von exzellenter Güte. Gern wird hier angeboten, dass man sich viele Gerichte kommen lässt und gemeinsam teilt.
Fast alles wird als kleine und große Portion offeriert, wobei man von den kleinen die Finger lassen sollte, denn sie sind nur unwesentlich günstiger und von der Menge her mehr so für den hohlen Zahn. Bei den „großen“ (eher mittleren) Portionen ist hingegen das Preis-Genuss-Verhältnis ausgesprochen stimmig. Klasse sind schon die nussig-eleganten Wilden Austern, die eine ganz andere, edlere Konsistenz als Zuchtaustern haben (Stück naturelle 4,50 Euro, mit Chorizo, Limette und Sauerklee 6,50 Euro).
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Geschmacklich ein absoluter Knaller, der hoffentlich für immerdar auf der Karte verweilt, ist die aromensatte „Blumenkohl Cabonara“ mit Sellerie, Speck, Eigelb, Soja und Bröseln (groß 18 Euro) – eine beglückende Kreation, die das stilsichere Händchen des Küchenchefs unter Beweis stellt. Kleiner Tipp: Auf der nächsten Karte könnte man „Carbonara“ durch den diskreten Umzug eines „r“ richtig schreiben. Klasse auch der Geräucherte Saibling mit Lauch, Apfel, Dashi und Kaviar (groß 22 Euro). Lediglich der Gegrillte Pulpo mit Ackerbohne, Tamarinde und Chorizo blieb mit extrem introvertierter Würzung geschmacklich recht matt (groß 24,50 Euro).
Ein steter Quell der Freude hingegen sind die beiden Gerichte vom Heiderind: Sowohl das großartige Tatar mit Zwiebel, Eigelb, Pfeffer und, als besonderem Pfiff, einem hoch aromatischen Blutwurst-Crunch (groß 25,50 Euro) als auch das perfekt medium rare gebratene 280 g Dry aged Rumpsteak (groß 39 Euro) überzeugten auf ganzer Linie. Beim Rumpsteak bekommt man von den in homöopathischer Dosis gereichten, oberleckeren hausgemachten Chips mit Aromaöl – wenn man lieb bittet – vom ausnehmend freundlichen Service sogar noch was nachgereicht.
Weinkarte kann sich im Stammtisch sehen lassen
Beim Wein empfiehlt es sich, gern eine Etage höher einzusteigen: Von St. Antony kostet beispielsweise der einfache Rotschiefer Riesling stolze 34 Euro, das noble Große Gewächs aus dem Orbel hingegen ist für moderate 49 Euro zu haben. Und wer bereit ist, 72 Euro in die Hand zu nehmen, bekommt einen meiner Lieblingsrieslinge, den brillanten Altenbamberger Rotenberg Großes Gewächs vom Gut Hermannsberg. Da kann man sich die – eher sportlich kalkulierten – 210 Euro für den Halenberg von Emrich-Schönleber getrost sparen.
Mühlenkamp 54, Tel. 30 95 30 30, Di–Sa 12– 14.30 und 18–22 Uhr, stammtisch-restaurant.de