Hamburg/Kabul. Kritik an Instagram-Beiträgen des Hamburger SPD-Politikers Niels Annen, der im Auswärtigen Amt für Afghanistan zuständig ist.
Besonders geschickt war es nicht, wie sich Niels Annen am Wochenende auf Instagram präsentierte. Etwa zeitgleich zur Einnahme der afghanischen Hauptstadt Kabul durch die Taliban postete der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete und Eimsbüttler Direktkandidat Fotos, die ihn fröhlich lachend bei einer Wahlkampf-Fahrradtour durch Hamburg-Niendorf und am Büfett der Freiwilligen Feuerwehr Hamburg-Pöseldorf zeigten.
Solche Wahlkampftermine sind dieser Tage zwar grundsätzlich nichts Besonderes. Aber Annen ist Staatsminister im Auswärtigen Amt, gehört also zur Leitung des Ministeriums, das in diesen Tagen und Stunden dafür verantwortlich ist, Unterstützer der Bundeswehr und von Hilfsorganisationen vor den Taliban in Sicherheit zu bringen und auszufliegen.
Instagram: Kritik an Niels Annens Foto-Posts
„Während die Taliban Afghanistan überrennen, besucht Staatsminister Niels Annen – zuständig im Auswärtigen Amt u.a. für Afghanistan – übrigens die Freiwillige Feuerwehr in Pöseldorf und nimmt sich Zeit für fröhliche Insta-Posts“, twitterte die Journalistin Antje Schippmann, teilte die Fotos und löste ein großes, zumeist kritisches, oft hämisches Echo aus. Dabei wurde häufig der Bezug zu dem im Angesicht der Flutopfer im Hintergrund grinsenden CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet gezogen, aber auch das extrem lange Studium Annens wurde erneut thematisiert.
Es gab aber auch Stimmen, die Annen verteidigten. „Mir geht diese Stimmungsmache gehörig auf den Senkel. Es ist ein Spagat zwischen Weltpolitik und Wahlkampf und ich bin mir sicher, dass Niels Annen den Rest der Zeit im Austausch mit Stäben und AmtskollegInnen ist. Die Leute vor Ort wollen ihn auch sehen, sie haben ihn gewählt“, schrieb etwa der Hamburger Digital-Experte, Investor und Sozialdemokrat Nico Lumma.
Andere lästerten etwa bei Facebook ironisch, Annen sei offenbar ein „echter Instinktpolitiker“, oder merkten hämisch an, vielleicht sei es für die Sache besser, dass Annen Rad fahre statt sich einzumischen. Eine Facebook-Kommentatorin schrieb: „Als einer der ranghöchsten MA des AA sollte momentan die Energie dorthin gehen, wo Menschen Gefahr ausgesetzt sind, die für und mit der BW vor Ort gearbeitet haben. Wie man in diesem Moment an Wahlkampf denken kann, ist mir unbegreiflich.“ Ein anderer schrieb: „Manchem gelingt die Abwägung eben und manchem bei besonderen Ereignissen eben nicht … in diesem Fall ja nicht das erste Mal …“
Annen löscht Instagram-Fotos
Annen selbst sah offenbar schnell ein, dass die zeitliche Parallelität von Talibansieg und Wahlkampflachen unglücklich wirken konnte – und löschte seine Fotos noch am Sonntag. Auf Abendblatt-Nachfrage räumte er Fehler ein.
„Am Samstag habe ich als Teil meiner Wahlkreisarbeit Termine wahrgenommen und darüber in Sozialen Medien berichtet. Durch die Fotos scheint leider der Eindruck entstanden zu sein, dass mich die dramatische Lage in Afghanistan nicht beschäftigen würde“, sagte Annen. „Das Gegenteil ist der Fall, und deshalb habe ich die entsprechenden Beiträge gelöscht. Wer mich kennt und meine Arbeit verfolgt, weiß, wie sehr ich mich Afghanistan und seiner Bevölkerung verbunden fühle.“
Hamburger Bürgerschaftsabgeordneter mit Live-Schalte nach Kabul:
Niels Annen bedauert Wirkung seiner Fotos
Durch seine zahlreichen Reisen nach Afghanistan in den letzten vierzehn Jahren habe er „viele beeindruckende Afghaninnen und Afghanen kennenlernen dürfen“, so Annen. „Ihnen und ihren Familien gilt meine große Sorge. Gemeinsam mit dem Krisenstab im Auswärtigen Amt leiste ich deshalb seit Tagen rund um die Uhr – auch vor, während und nach Terminen im Wahlkreis – meinen Beitrag dazu, Mitarbeiter deutscher Hilfsorganisationen und afghanische Ortskräfte in Sicherheit zu bringen. Ich bin in ständigem Kontakt mit NGOs, Stiftungen und Organisationen wie der GIZ. Umso mehr bedauere ich den Eindruck, den die Fotos vermittelt haben.“
Zuletzt hatte es massive Kritik auch an Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gegeben. Dieser habe Warnungen vor einer schnellen Einnahme Kabuls durch die Taliban nicht ernst genommen und zu lange mit der Organisation der Evakuierung von Botschaftsmitarbeitern und afghanischen Unterstützern gewartet, hieß es.
Grünen-Politiker Jürgen Trittin warf Maas „beispielloses Versagen“ vor und gab ihm die Verantwortung für mögliche Tote unter den Menschen, die Deutschland unterstützt hatten. Im Juni hatten SPD und CDU/CSU im Bundestag einen Antrag der Grünen abgelehnt, afghanische Ortskräfte rechtzeitig Schutz in Deutschland zu gewähren.