Hamburg. Das Impfzentrum setzt die neuen Vorgaben nur zum Teil um. Die KVH beobachtet eine zunehmende Zahl von Impfschummlern.
Am Ausgang des Hamburger Corona-Impfzentrums sind normalerweise erleichterte und glückliche Gesichter zu sehen. Das von Jörg Lohmann gehörte am Sonnabend nicht dazu. "Man hat mich wieder nach Hause geschickt – mit der Begründung, meine Astrazeneca-Impfung sei erst acht Wochen her und ich dürfte hier erst nach zwölf Wochen geimpft werden", berichtet der Eidelstedter dem Abendblatt.
Für Lohmann steht die Absage im krassen Widerspruch zur neuen Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). Deren Beschlussentwurf muss zwar noch das Stellungnahmeverfahren durchlaufen, wurde aber bereits bundesweit in die Praxis umgesetzt.
Dieser sieht vor, nach einer Impfung mit dem Vektorimpfstoff von Astrazeneca im zweiten Durchgang ein mRNA-Vakzin wie Biontech-Pfizer oder Moderna zu verimpfen – weil die Immunantwort auf die Deltavariante des Coronavirus bei einer solchen Kreuzimpfung deutlich besser sei als bei einer Zweifachimpfung mit Astrazeneca. Empfohlener Mindestabstand zwischen beiden Terminen: vier Wochen.
Trotz neuer Impfstrategie: Hamburg hält an Intervallen fest
Hamburg hatte daraufhin am Donnerstag auf ein solches heterologes Impfschema umgestellt. Wer einfach mit dem Astrazeneca-Impfstoff geschützt ist, erhält beim zweiten Termin nun automatisch Biontech-Pfizer oder Moderna.
Doch beim Abstand zwischen Erst- und Zweitimpfung hält das Impfzentrum weiter an der bisherigen Frist zwischen zwei Astrazeneca-Vergaben fest – die Stiko empfiehlt hier neun bis zwölf Wochen. Ein Vorziehen der Termine der Zweitimpfung sei trotz der neuen Strategie nicht möglich, stellte der ärztliche Leiter Dirk Heinrich am Abend via Twitter klar.
Lohmann hat dafür kein Verständnis. Er habe den Termin am vergangenen Montag über den Arztruf 116117 vereinbart und eine Zweitimpfung mit Biontech-Pfizer angeboten bekommen – die Erstimpfung hatte ein niedergelassener Mediziner vorgenommen. Jetzt habe er eine ganze Woche verloren, in der er sich um eine Zweitimpfung in einer Arztpraxis hätte kümmern können.
"Für mich ist das eine Katastrophe", sagt Lohmann. Als Endfünfziger, der beruflich viel reist und mit Menschen aus Osteuropa in Kontakt ist, sei er auf einen vollständigen Impfschutz besonders angewiesen.
In Niedersachsen und Bremen können Zweitimpftermine vorverlegt werden
Andere Bundesländer setzen die Stiko-Empfehlung offenbar konsequenter um. So haben Niedersachsen und Bremen das Impfintervall auch in den Impfzentren nach einer Erstvergabe von Astrazeneca auf mindestens sechs Wochen verkürzt. Terminänderungen sollen online im Impfportal und an der Telefon-Hotline bald ermöglicht werden, so hat es die niedersächsische Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) angekündigt.
In Schleswig-Holsteins Impfzentren ist die Wartezeit sogar teilweise noch kürzer. Wer die offenen Astrazeneca-Angebote in Kiel, Neumünster und Lübeck nutzt, bekommt bereits fünf Wochen später eine Zweitimpfung mit einem mRNA-Vakzin.
Für Lohmann ein Grund, mit Neid auf die Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu schauen. Sie gehören zur Gemeinde Halstenbek im Kreis Pinneberg.
Zahl der Impfschummler in Hamburg sprunghaft angestiegen
Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg stellte am Sonntag noch einmal klar, dass nach einer Erstimpfung beim Haus- oder Facharzt dort auch die Zweitimpfung erfolgen müssse. Man beobachte seit einigen Wochen, dass bereits einmal mit Astrazeneca Geimpfte sich in betrügerischer Absicht einen Ersttermin im Impfzentrum besorgen, um dann früher geimpft zu werden, teilte die KVH dem Abendblatt mit. Sie würden aber abgewiesen, weil die Stiko bisher neun bis zwölf Wochen nach einer Astra-Erstimpfung empfiehlt.
Außerdem fehle nach wie vor ausreichend Impfstoff. „Wenn jemand unter Vorspiegelung falscher Tatsachen beispielsweise eine Astrazeneca-Impfung begehrte, hatten wir hierfür keinen Impfstoff, denn wir haben im Impfzentrum immer nur so viel Impfstoff, wie wir ihn für den Tag benötigen.“
Am Sonnabend habe die Zahl dieser Impfkandidaten mit vorgetäuschten Erstterminen „sprunghaft“ zugenommen. Das könne aber nicht an der neuen Stiko-Empfehlung vom Donnerstag liegen. Denn danach habe man alle neuen Termine gesperrt. Grund sei vermutlich die Urlaubsplanung.
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