Hamburg. Genussexperte Gerd Rindchen kehrt in einem Traditionslokal ein und weiß Speisen wie Ambiente zu schätzen. Die Karte setzt aufs Teilen.
Als Michalis Josings Mutter 1972 das Dionysos als eines der ersten griechischen Lokale am Eppendorfer Weg eröffnete, konnte sie nicht ahnen, dass ihr Baby mal 50-jähriges Bestehen feiern würde. In der schnelllebigen Gastroszene ist das nämlich höchst selten.
Wer nun denkt, der Laden sei ein altgriechisches Schrabbellokal mit riesigen Fleischplatten, Bergen von Krautsalat und Zaziki mit Knoblauchpulver, der irrt: Eleni und Michalis, die das Lokal seit vielen Jahren in zweiter Generation betreiben, sind stets mit der Zeit gegangen, haben das Interieur erst vor Kurzem wieder stylish und geschmackssicher, aber dennoch behaglich neu gestaltet und praktizieren eine gehobene griechische Küche aus erstklassigen Zutaten.
Restaurant Hamburg: Reservieren ist im Dionysos ratsam
Das mögen sowohl die alteingesessenen Eimsbütteler als auch die zugewanderte Jeunesse dorée, die ja gerade den Stadtteil im Sauseschritt gentrifiziert. Reservieren ist hier also ratsam, insbesondere am Wochenende. Die aktuelle Speisekarte setzt mehr denn je aufs Teilen: Die Idee ist, dass sich kleine wie große Grüppchen die spannendsten Gerichte der Karte in die Tischmitte kommen lassen und dann gemeinsam zugreifen. Das funktioniert sowohl bei den Kleinigkeiten, den „griechischen Tapas“, als auch bei den recht großzügig dimensionierten Hauptgerichten.
Ein animierender Einstieg in den Abend ist der Spanakopita, ein frischkräuteriger Salat vom Babyspinat mit zartknusprigen Filoteigbröseln und Feta (8 Euro). Ebenfalls sehr geglückt sind die saftigen Fischbällchen mit milder Tintenfisch-Mayo (8,90 Euro). Elegantes Highlight unter den Tapas: die mit gehackter Garnele gefüllten Mangoldblätter mit einem aromatischen Safran-Krustentierjus (14 Euro).
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Bei den Hauptgerichten aus dem Meer überzeugte, neben dem empfehlenswerten Pulpo mit Linsensalat (16,90 Euro) vor allem das Frito Misto von Meeresfrüchten (24 Euro): Zarte Calamari, Oktopus und argentinische Rotschalengarnelen sind nicht fetttriefend, sondern in aromatischer Marinade nur kurz ausgebacken, was nicht nur äußerst lecker schmeckt, sondern ob der gereichten Menge teilungsunwillige Esser, die das ganze Gericht für sich allein beanspruchen, schon mal an den Rand ihrer Aufnahmekapazitäten bringen kann.
Dann doch lieber das Ganze flugs in die Tischmitte stellen und sich aus der Fleischabteilung noch das zarte, geschmacksintensive Tagliata vom edlen Iberico-Kotelett mit Trüffelpommes (28 Euro) dazubestellen!
Restaurant Hamburg: Exzellenter griechischer Wein
Ebenfalls erfreulich: Michalis Josing ist einer der exzellentesten Kenner der sich mit Dynamik entwickelnden griechischen Weinszene und zaubert immer spannende Neuentdeckungen aus dem Hut. Derzeit besonders geglückt: der frische weiße 2020er Theopetra, eine Cuvée aus Malagousia und Assyrtiko (36 Euro), und der elegante rote 2019er Liatiko von Douloufakis (36 Euro), einem Weingut, das über bis zu 240 Jahre alte wurzelechte Rebstöcke von dieser Traubensorte verfügt.
Da man auch vom freundlichen, kommunikativen Serviceteam aufmerksam und kompetent umsorgt wird, ist die Einkehr hier immer wieder eine nette Sache – von daher kann man auch den nächsten 50 Jahren Dionysos voller Freude entgegenblicken.