Hamburg. Bei einer Feierstunde wird der Jahrestag der Verfassung gewürdigt. Abendblatt-Film zum 70. Geburtstag findet großen Anklang.
Ein Schwenk über Hamburg. Damals, als die Stadt in Trümmern lag – und heute in ganzer Schönheit; Kinder, die zwischen Ruinen spielen – und die Jugend von heute auf einem Basketballplatz. Es ist eine Zeitreise, auf die der Abendblatt-Film anlässlich des 70. Jahrestages des Grundgesetzes seine Zuschauer mitnimmt. Und es ist ein Flug durch die Stadt, zu vielen unterschiedlichen Plätzen, an denen Prominente einzelne Artikel vortragen, jeder in seinem ganz eigenen Stil und in einem besonderen Umfeld.
70 Jahre Grundgesetz, 70 Jahre Leben in Freiheit und in einer Demokratie: Dass dieser stolze Geburtstag ein besonderer Grund zum Feiern ist, betonte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) im Hanseatischen Oberlandesgericht bei der Eröffnungsfeier zur „Langen Nacht des Grundgesetzes“.
Demokratische Freiheiten als große Errungenschaft
Tschentscher erinnerte in seiner Rede an das Angebot der Westmächte nach dem Zweiten Weltkrieg, dass die Ministerpräsidenten ein Grundgesetz entwerfen durften. „Verbunden mit dem Grundgesetz waren demokratische Freiheiten“, so Tschentscher. „Sie sind eine ganz große Errungenschaft, deshalb feiern wir zu Recht.“ Das Grundgesetz sei etwas, „das wir mit Stolz empfinden und auch als Verpflichtung und Verantwortungsgefühl für die Zukunft“.
Auch Oberlandesgerichtspräsidentin Erika Andreß würdigte in ihrer Rede das Grundgesetz als Grund zum Feiern. „Die Geburt des Grundgesetzes war nicht einfach“, sagte Andreß. „Die Wehen setzten bereits ein Jahr früher ein mit der Vorstellung der westlichen Besatzungsmächte, es sei an der Zeit, zumindest einen Teil Deutschlands, die Westzonen, in staatliche Eigenständigkeit zu überführen.“
Erster Entwurf des Gesetzes von Herrenchiemsee
Andreß erinnerte an den ersten Entwurf dieses Gesetzes auf der bayerischen Insel-Idylle von Herrenchiemsee und die Verabschiedung des Grundgesetzes durch den „Parlamentarische Rat“, dessen Mitglieder von den Länderparlamenten gewählt worden waren. „Am 23. Mai 1949 – heute vor 70 Jahren – trat das Gesetz in Kraft. Wenig später erfolgte die erste Bundestagswahl.“ Entstanden sei „eine in den Wechselfällen der Zeiten verlässliche Demokratie; Menschenwürde, Menschenrechte, freiheitliche Grundrechte, Sozialstaatlichkeit.“
Justizsenator Till Steffen (Grüne) sagte: „Das Grundgesetz ist etwas, das uns alle angeht. Behalten Sie unser Grundgesetz im Herzen!“ Im Gespräch mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider und Christine Neuhaus von der Zeit-Stiftung fragte Steffen, wie die Idee zu dem Grundgesetz-Film entstanden sei.
Haider schilderte, wie er vor Monaten mit Oliver Wurm, der das Grundgesetz als Magazin herausgegeben hat, zusammen gesessen hatte und dieser ihn fragte, was das Abendblatt zum Jahrestag mache? Da habe er, so Haider, überlegt: „Wir machen einen Film!“
Der Grundgesetz-Film wurde mehr als zwei Millionen Mal gesehen
Für diese Idee die Zeit-Stiftung zu gewinnen, habe nicht viel Überzeugungsarbeit gebraucht, verriet Christine Neuhaus, die über den Film sagte, er gehe „aufs Gefühl. Und er zeigt auch viele Sympathieträger unserer Stadt.“ Die meisten Protagonisten hätten sofort zugesagt, bei dem Projekt dabeizusein, erzählte Haider. Bei einem Dreh sei er selber dabei gewesen, nämlich dem mit Udo Lindenberg im Hotel Atlantic. Dort habe sich Lindenberg nach den Aufnahmen zu dem Regisseur des Films, Axel Leonhard vom Abendblatt, auf den Teppich gelegt, um den Beitrag zu begutachten. Der Grundgesetz-Film sei bisher mehr als zwei Millionen Mal gesehen worden, freute sich Haider.
Zum Auftakt des Films ist Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi zu sehen, der in seiner Bibliothek Artikel 1 des Grundgesetzes vorträgt. Dann folgen unter anderem Bischöfin Kirsten Fehrs im Michel mit Artikel 4 zur Glaubensfreiheit, Schauspielerin Hannelore Hoger in einem Park an der Elbe, „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo in seinem Büro, der den Artikel zur Pressefreiheit vorträgt, Udo Lindenberg, der erklärt, dass jeder ist vor dem Gesetz gleich ist.
Dragqueen Olivia Jones ist auf dem Kiez mit dem Artikel zur Freizügigkeit zu sehen, HSV-Legende Uwe Seeler im Volksparkstadion, Nachrichtensprecherin Linda Zervakis auf dem NDR-Gelände, die Miniatur-Wunderland-Gründer Frederik und Gerrit Braun auf „ihrem“ Flughafen – und Moderator Reinhold Beckmann vor der Kulisse der Elbphilharmonie. Und zwischendurch immer wieder eindrucksvolle Bilder der Stadt Hamburg, damals und heute. „Super“, attestierte Senator Steffen dem Abendblatt-Film. „Die Bildbotschaft ist sehr stark, dass der Wiederaufbau und das Aufblühen Deutschlands mit dem Grundgesetz und unserer Verfassungsordnung zu tun haben. Und durch die vielen unterschiedlichen Akteure zeigt sich auch die Vielfalt des Grundgesetzes.“
OLG-Präsidentin Andreß nannte den Film „eine gute und unterhaltsame Art, den Menschen das Grundgesetz näher zu bringen“. Und Bürgermeister Tschentscher fand, in dem Film sei „die Zuordnung der Prominenten mit den jeweiligen Artikeln des Grundgesetzes sehr gut gelungen, sodass die Grundrechte in ihrer Bedeutung besonders gut zur Geltung kommen“.
Videos aus Jugendwettbewerben zum Thema Grundgesetz
Später liefen in der Kuppelhalle des Oberlandesgerichts Videos aus Jugendwettbewerben zum Thema Grundgesetz, parallel sammelten sich Dutzende Interessierte zu einer Führung durch das Hanseatische Oberlandesgericht. Anschließend gab es Fragestunden zu Themen der Justiz im Zwölf-Minuten-Takt.
Aber auch andere Veranstaltungen gab es in der Langen Nacht des Grundgesetzes, an 13 Orten in der Stadt. Eine davon war die Installation eines Schwamms von Künstler Michel Abdollahi auf der Reesendammbrücke. Das überdimensionale Schaumstoff-Monument des preisgekrönten Journalisten und Künstlers soll eine Aufgabe erfüllen: Hass und Rassismus symbolisch aufsaugen. Die Meinungen zu diesem Kunstwerk sind gespalten: Während die meisten Zuschauer den Schwamm bestaunten und die Wahl des Symbols passend fanden, da er wie unser Grundgesetz sehr zerbrechlich sei, klagten andere über die Sinnhaftigkeit und den Aufwand. In einem waren sich alle einig: Kunst ist subjektive Geschmackssache und die im Grundgesetz verankerte freie Meinungsäußerung ein grundlegendes Freiheitsrecht, auf das alle sehr stolz sind und das es zu wahren gilt.