Hamburg. Erstmals schlüsselt der Senat Trauerfälle nach den einstigen Wohnorten der Verstorbenen auf. Das offenbart unerwartete Ergebnisse.

Mehr als 2200 Hamburgerinnen und Hamburger sind seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion gestorben. Jetzt hat der Senat die Todeszahlen erstmals jedenfalls teilweise nach den Stadtteilen aufgeschlüsselt, in denen die Gestorbenen lebten – mit teilweise überraschenden Ergebnissen.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Linken-Gesundheitspolitikers Deniz Celik werden 1200 zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 3. Februar 2022 Verstorbene mit ihrem jeweiligen Wohn-Stadtteil aufgeführt. Für das Jahr 2020 sei eine solche Zuordnung nicht möglich, da die Daten dafür nicht vorlägen, so der Senat.

Corona Hamburg: Todeszahlen nach Stadtteilen

Die meisten Corona-Toten hat es nach diesen von der Linksfraktion aufbereiteten Senatsdaten in Billstedt gegeben – mit 80 Fällen. Es folgen Wilhelmsburg mit 72 und Rahlstedt mit 56 Verstorbenen. Horn landete mit 45 Corona-Toten auf Platz 4 dieser traurigen Statistik, gefolgt von Wandsbek (36), Lohbrügge (36), Bramfeld (36), Farmsen-Berne (35) und Jenfeld mit 34 Corona-Toten.

Dabei muss man wissen, dass der Senat bei Fallzahlen unter vier keine exakten Angaben machte, da die Anonymität der Betroffenen bei kleinen Zahlen nicht gewährleistet sei. Für die Berechnung nutzten Linkenpolitiker Celik und seine Mitarbeiterin hier stets den Wert zwei.

Aussagekräftiger als die absolute Todeszahl je Stadtteil ist der Anteil der Gestorbenen an deren Bevölkerungszahl – denn natürlich sterben in einem Stadtteil mit mehr Einwohnern auch mehr Menschen. Die Linke hat nach eigenen Angaben auch die Bevölkerungszahlen der Stadtteile und die Zahl der Corona-Toten in Bezug gesetzt.

Hamburg: Viele Corona-Tote in der Sternschanze

Die höchste Quote ermittelte sie dabei für Allermöhe – mit 0,29 Prozent. Das heißt 0,29 Prozent der Einwohner starben an Corona. Auf Platz 2 folgt Francop mit 0,28 Prozent. In beiden Stadtteilen sind die absoluten Sterbe- und Bevölkerungszahlen jedoch gering, die Aussagekraft daher begrenzt. Auf Platz drei liegt die deutlich stärker bewohnte Sternschanze mit einem Anteil von 0,26 Prozent Corona-Toter an der Bevölkerung.

Danach folgen Wellingsbüttel (0,19), Altona-Altstadt (0,16), Wilstorf (0,15), das unter diesen Stadtteilen einwohnerreichste Wilhelmsburg (0,13), Jenfeld (0,13), Nien­stedten (0,13), Horn, (0,12), Othmarschen (0,11) und Billstedt mit 0,11 Prozent. Zum Vergleich: Der hamburgweite Durchschnitt lag bei der von der Stadt zugrunde gelegten Einwohnerzahl in der hier betrachteten Zeit mit 0,06 Prozent deutlich niedriger. Die Linke versucht nun der Frage auf den Grund zu gehen, warum in den oben genannten Stadtteilen durchschnittlich so viel mehr Menschen gestorben sind – und sie glaubt eine mögliche Antwort gefunden zu haben.

Corona: Beeinflusst die soziale Lage das Sterberisko?

„Neben dem hohen Lebensalter als Haupt-Risikofaktor gibt es auch Hinweise darauf, dass die soziale Lage einen Einfluss auf das Sterberisiko hat“, sagte Linken-Gesundheitspolitiker Celik. „So starben in den Jahren 2021/22 etwa in Wilhelmsburg und Jenfeld mehr als doppelt so viele Menschen wie im Hamburger Durchschnitt.“ Dies seien aber „nur erste Hinweise“.

Man brauche „dringend eine breitere Datengrundlage, um zu verstehen wie sich verschiedene sozio­demografische Faktoren auf das Risiko, an Covid zu erkranken und zu sterben, auswirken“, so Celik. Nur so könne die Politik, „alle vulnerablen Gruppen in den Blick nehmen und eine bessere und wirksamere Prävention betreiben“. Tatsächlich hat die Stadt eine solche Untersuchung bereits in Auftrag gegeben, wie Sozialbehördensprecher Martin Helfrich dem Abendblatt sagte. Die Ergebnisse würden im Laufe des Jahres erwartet. Zugleich warnte er vor einem „eindimensionalen Erklärungsansatz“.

Die Menschen, die „ihre berufliche Tätigkeit in Präsenz ausüben müssen, waren Infektionen während dieser Zeiten mutmaßlich stärker ausgesetzt“, so ­Helfrich. „Insbesondere die Art der Berufstätigkeit dürfte einen Einfluss auf die Beteiligung am Infektionsgeschehen gehabt haben – und häufig werden Berufe, in denen eine Tätigkeit vor Ort erforderlich ist, geringer vergütet.“