Hamburg. Aussetzung der Präsenzpflicht treibt seltsame Blüten. Kritik an reduzierter Testkapazität. Wie der Neustart an Hamburgs Schulen lief.
An den Schulen ist ein großes Stück Normalität zurückgekehrt: Am gestrigen Montag trafen sich zum ersten Mal alle Schülerinnen und Schüler einer Klasse wieder zum gemeinsamen Unterricht in der Schule. Kurz vor den Weihnachtsferien Mitte Dezember hatte es wegen der stark angestiegenen Zahl von Corona-Neuinfektionen zum letzten Mal sogenannten vollen Präsenzunterricht nach Stundentafel gegeben.
Es war ein Neustart unter besonderen Bedingungen, denn das umfassende Hygienekonzept, die Abstands- und Lüftungsregeln gelten weiter. So müssen durchgängig Masken getragen und die Klassen- und Fachräume alle 20 Minuten kräftig durchgelüftet werden. Und: Regelmäßig werden die Kinder und Jugendlichen auf eine Corona-Infektion getestet. Auf ein positives Ergebnis folgt die Quarantäne und ein PCR-Test zur Absicherung des Befundes.
Hamburgs Schüler bei Corona-Regeln geübt
Einerseits sind die Schülerinnen und Schüler durch die Zeit des Wechselunterrichts geübt in der Einhaltung der Corona-Regeln. Andererseits wird es in den Schulen wieder enger, da sich jetzt erstmals wieder alle Kinder und Jugendlichen gleichzeitig in den Schulgebäuden aufhalten.
„Ich freue mich sehr, dass nach sechs Monaten erstmals wieder Unterricht in richtigen Schulklassen möglich ist. Es wurde wirklich Zeit“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) dem Abendblatt. „Die Rahmenbedingungen sind gut: Die Infektionsraten sind niedrig, die Lehrkräfte geimpft, es wird regelmäßig gelüftet, alle tragen Masken und werden mindestens zweimal in der Woche getestet. Wer Corona hat, wird gleich nach Hause geschickt. Das schafft Sicherheit“, betonte Rabe.
Präsenzpflicht in Hamburg aufgehoben
Auch wenn die Schulbehörde keine Statistik erhebt, zeigen erste Rückmeldungen, dass die meisten Schulen gestern tatsächlich mit dem kompletten Präsenzunterricht begonnen haben. Rabe hatte am Mittwoch der vergangenen Woche nach einer Phase des Wechselunterrichts die zeitgleiche Rückkehr aller Schüler in die Schulen angekündigt. Wegen der Kurzfristigkeit und der Vielzahl zu lösender organisatorischer Probleme können Schulen in begründeten Einzelfällen den kompletten Regelunterricht auch erst am morgigen Mittwoch aufnehmen. Offensichtlich haben davon wenige Standorte Gebrauch gemacht.
Die Schulleitungen haben in Schreiben an die Eltern Ende der vergangenen Woche erläutert, wie der Neustart unter den speziellen Standortbedingungen vorgehen soll. Grundsätzlich bleibt die Präsenzpflicht bis zum Ende des Schuljahres in drei Wochen aufgehoben. Damit soll gesundheitlichen Risiken in Familien etwa wegen einer Vorerkrankung Rechnung getragen werden. In der Regel dürfte das durch ein ärztliches Attest belegt werden müssen.
Einzelne Familien im Ausland statt in Hamburg
In zumindest einem Fall, der dem Abendblatt bekannt ist, hat eine Schule den Eltern mitgeteilt, dass Schülerinnen und Schüler, die kein Attest haben und auch nicht wegen einer Quarantänemaßnahme zu Hause bleiben müssen, nicht mit Aufgaben versorgt werden und keine Onlinebetreuung erhalten. Es finde normaler Unterricht statt, so die Schulleitung, und wer als Schüler daran nicht teilnehme, müsse sich bei den Mitschülern über Unterrichtsinhalte informieren.
„Hintergrund ist, dass sich einzelne Familien die Freiheit genommen haben, im Ausland zu weilen; hier besteht durch die Aussetzung der Präsenzpflicht eine Erwartungshaltung, die wir nicht bedienen“, schreibt die Schulleitung. „Für Schülerinnen und Schüler mit Attest oder in Quarantäne ist natürlich weiterhin eine Kontaktaufnahme durch die Klassenlehrkräfte notwendig und eine individuelle Versorgung mit Unterrichtsstoff zu vereinbaren“, heißt es in dem Schreiben weiter.
GEW fordert drei Schnelltests pro Schüler und Woche
Unterdessen gehen die Schulen dazu über, die verpflichtenden Corona-Selbsttests auf zwei Tests pro Woche zu beschränken. In der aktualisierten Muster-Corona-Hygieneverordnung hatte die Schulbehörde festgelegt, dass mindestens zwei Tests pro Woche verpflichtend sind. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert diese Vorgabe.
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„Das reicht aus Sicht der GEW für eine schnelle Erkennung von möglichen Covid-Ansteckungen nicht aus. Die Schulbehörde muss dafür Sorge tragen, den Schulen mindestens drei Tests pro Woche und Schüler zur Verfügung zu stellen, damit mindestens alle 48 Stunden getestet werden kann“, fordert der GEW-Landesvorsitzende Sven Quiring.
GEW unterstützte Rückkehr in Präsenzunterricht
Grundsätzlich hatte die GEW die Rückkehr in den vollen Präsenzunterricht unterstützt, allerdings gefordert, die Maßnahmen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz weiterhin sorgfältig zu beachten. Nach den Worten Quirings verlief der erste Tag mit komplettem Präsenzunterricht offensichtlich weitgehend problemlos. „Wir haben keine negativen Rückmeldungen bekommen“, sagte der GEW-Vorsitzende.
Auch die Elternkammer unterstützt die Rückkehr in den „Normalbetrieb“ an Schulen. „Wir haben heute viel Optimismus der Schulleitungen erlebt. Von Problemen beim Schulstart ist uns nichts bekannt“, sagte Thomas Kegat, der stellvertretende Vorsitzende der Elternkammer. Kritisch sieht die Vertretung der Väter und Mütter schulpflichtiger Kinder allerdings ebenfalls, dass die Zahl der Testungen auf zwei pro Woche beschränkt werde.
Hamburgs Schüler müssen viel nachholen
Schulsenator Rabe richtet den Blick auch nach vorne. „Aufgrund der monatelangen Schulschließungen gibt es viel nachzuholen. Mit einem Sonderprogramm von Bund und Ländern wollen wir sowohl das fachliche Lernen als auch das soziale Miteinander verbessern. Unter anderem planen wir Lernangebote in den Ferien, zusätzliche Nachmittagskurse und Schülerfreizeiten. Die Teilnahme steht allen offen und ist freiwillig“, sagte Rabe.
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„Wenn der Schulbetrieb in den nächsten drei Wochen gut läuft, dann bin ich zuversichtlich, dass es an den Schulen auch nach den Sommerferien wieder vollwertigen Unterricht gibt“, setzte der Sozialdemokrat hinzu.