Hamburg. Peter Tschentscher auf E-Bike, Katharina Fegebank mit Maske in Regenbogenfarben. “Diskriminierung hört mit Corona nicht auf.“
Rot-weißes Flatterband trennte am Sonnabend den Gehweg am Neuen Jungfernstieg von der Fahrbahn. Dort versammelten sich nach Angaben der Hamburger Polizei 2200 Personen zur CSD-Demonstration. Viel weniger als in den Vorjahren. Für gewöhnlich strömen am Christopher Street Day (CSD) mehr Menschen auf Hamburgs Straßen, stoßen an, tanzen, singen und umarmen sich. Anders in diesem Jahr: Anstatt wummernden Boxen in Autos zu Fuß zu folgen, fand die Demonstration auf dem Fahrrad statt.
Angesichts des Infektionsschutzes vor dem Coronavirus lobte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) den Einfall: „Das ist eine Fahrraddemonstration. Das heißt, es ist von vornherein mehr Abstand zwischen den Teilnehmern.“ Er radelte gemeinsam mit Veranstalter Stefan Mielchen an der Spitze. „Es ist nicht die gewohnte fröhliche Feierei, die wir damit verbinden, sondern eben eine Demonstration unter Corona-Bedingungen“, sagte Mielchen, erster Vorsitzender des Hamburg Pride e.V.
CSD-Fahrraddemonstration: Zeichen gegen Diskriminierung
Die CSD-Veranstaltung gilt als größte Hamburger Demonstration seit Ausbruch der Corona-Pandemie, auf die sich Veranstalter und Polizei zuvor geeinigt hatten. Allerdings musste Mielchen zuvor einige Tage mit der Polizei und der Versammlungsbehörde um die Teilnehmerobergrenze von 3000 Personen ringen und ein Hygienekonzept ausarbeiten. Nicht umsonst wählte der Veranstalter als diesjähriges CSD-Motto die Worte „Keep on Fighting. Together.“ (Lasst uns weiterhin zusammen kämpfen.)
Auch die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) radelte mit. Sie sagte: „Es ist ein wichtiges Zeichen, dass wir uns auch heute für Vielfalt und Akzeptanz unterschiedlichster Lebensformen einsetzen und wir als buntes Meer an Regenbogenflaggen durch die Stadt ziehen.“
Mielchen wies während der Kundgebung auf einen lesbenfeindlichen Vorfall der vergangenen Woche hin: Fenster des JungLesben*Zentrums Hamburg seien während einer Tagung mit Eiern beworfen worden. Umso wichtiger findet er es, die CSD-Demonstration auch unter Corona-Bedingungen stattfinden zu lassen. „Nutzen wir die Chance, denn die Diskriminierung hört ja mit Corona nicht einfach auf.“
Wegen Corona: AHA-Regeln auf dem Fahrrad
Der Veranstalter hatte bereits auf der Webseite hamburg-pride.de auf die Corona-Regeln hingewiesen. Nach eigenen Angaben sollen auch Plakate an der Route aufgehängt worden sein, die während der Demonstration auf die AHA-Regeln hinwiesen. „AHA“ steht für „Abstand, Hygiene, Alltagsmaske“.
Teilnehmer hielten während der Aufstellung an der Binnenalster und während der Fahrt fast immer einen Mindestabstand von 1,50 Metern ein, wie die Polizei mitteilte. Teilnehmer waren aufgefordert, sich an die Hygieneregeln zu halten und unnötige Körperkontakte zu vermeiden. Wer an einer Atemwegserkrankung oder Symptomen litt, durfte nicht teilnehmen. Die meisten trugen einen Mund-Nasen-Schutz in Regenbogenfarben.
Neben Flatterband und AHA-Regeln wurden weitere Maßnahmen umgesetzt: Um große Menschenmassen zu vermeiden, wurde die Kundgebung im Vorhinein nicht angekündigt. Auch die Route soll vor der Fahrt nicht im Detail veröffentlicht worden sein. Ordner in gelben Warnwesten und die Polizei überwachten die Einhaltung des Hygienekonzepts und regelten den Ablauf.
CSD: Teilnehmer formieren sich in Blöcken
Mit ihrer Hilfe erfolgte die Aufstellung der Demonstranten in Blöcken à 100 Fahrrädern. Der nächste Block folgte etwa sieben Meter dahinter. Immer fünf Blöcke fuhren gemeinsam los. Die nächsten fünf Blöcke mussten einige Minuten warten, bis sie die Fahrt antreten durften.
Die Ordner sorgten dafür, dass die Blöcke nicht durchmischt wurden, kaum jemand überholte oder zurückfiel. Fünf Blöcke ergaben ein Feld. Insgesamt waren es fünf Felder, die sich am Jungfernstieg sammelten. Das letzte Feld, bestehend aus 200 Personen, löste sich noch am Jungfernstieg auf.
Die anderen Felder fuhren zeitlich getrennt voneinander los, damit die Demonstration und das Infektionsrisiko überschaubar blieben. In ihrer Formation radelten sie vorbei an Planten un Blomen, über die Reeperbahn bis nach Altona und zurück über den Schanzenpark bis zum Dammtorbahnhof, von wo sich die Teilnehmer nach Angaben der Polizei in alle Richtungen verstreuten.
Polizei spricht von vorbildlichem Verhalten der Teilnehmenden
„Durch die Corona-Maßnahmen haben wir große Gruppen von Leuten vermieden“, sagt Mielchen. Es gab keine Regelverstöße, wie die Polizei kurz nach der Demonstration mitteilte. Die Teilnehmer hätten sich „vorbildlich“ verhalten. Das Hygienekonzept mit Flatterband, AHA-Regeln und Blockformation sei aufgegangen.
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Nach der Demonstration sagte Veranstalter Mielchen: „Ich bin froh, dass wir unter diesen Bedingungen für gleiche Rechte auf die Straße gehen oder besser fahren konnten.“ Die Demonstration sei kein Selbstzweck, keine Feierei gewesen, sondern ein Mittel, um auf die gleichen Rechte aller Menschen zu pochen – unabhängig von ihrer sexuellen Identität oder Orientierung.