Hamburg. Von diesem Mittwoch an wird auch in den Praxen gegen das Coronavirus geimpft. Alles Wichtige über Termine, Reihenfolgen, Impfstoffe.
Raus aus den Impfzentren, rein in die Praxen – das ist für die Hamburger Ärzte der historische Wendepunkt in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), Walter Plassmann, nennt es einen „Turnaround“, wenn an diesem Mittwoch das erste Mal ein Patient von einem Hausarzt in der Praxis oder bei einem Hausbesuch mit dem Serum von Biontech geimpft wird. „Impfzentren sind nicht die Normalität“, sagte Plassmann, dessen KV die Einrichtung in den Messehallen im Auftrag der Stadt betreibt.
„Die Hausärzte haben die Kenntnisse und die Erfahrungen beim Impfen. Das System der niedergelassenen Ärzte wird dafür sorgen, dass wir die Impfungen entscheidend voranbringen können.“ Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zum Impfstart in den Praxen.
Wie viele Dosen stehen in dieser Woche noch zur Verfügung?
Hamburg werden rund 20.000 Dosen von Biontech/Pfizer zur Verfügung gestellt. Das bemisst sich nach den verfügbaren 940.000 Dosen in Deutschland insgesamt, umgerechnet auf die Bevölkerungszahl.
Woher kommt der Impfstoff?
Die Ärzte müssen ihn aktiv bei Apothekern bestellen. Die bekommen ihn beim Großhandel, der wiederum aus den geheimen Lagern der Bundesregierung bedient wird.
Wie oft muss man geimpft werden?
Mit dem Biontech-Impfstoff wird man innerhalb von etwa sechs Wochen zweimal geimpft. Dann ist der Schutz komplett. Ob und wann wieder aufgefrischt werden muss, kann man noch nicht genau sagen.
Kostet die Impfung etwas?
Nein.
Bekommt man als Privatpatient schneller einen Termin?
Nein. Gesetzlich, privat und nicht Versicherte sollen von den Ärzten gleichbehandelt werden. Die Kosten für den Impfstoff trägt die Bundesregierung. An den Impfzentren sind die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen finanziell beteiligt.
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Wie viele Dosen kommen in den kommenden Wochen in die Hamburger Praxen?
In zwei Wochen sollen es bundesweit statt rund einer dann drei Millionen Dosen sein, die für alle Arztpraxen zur Verfügung stehen. Ob und wie dieser wöchentliche Vorrat ausgeweitet wird, ist noch nicht bekannt. Das hängt von der Produktion bei Biontech ab und von den neuen Lieferungen von Moderna und Astrazeneca. Im April sollen es laut Bundesgesundheitsministerium insgesamt 15 Millionen Dosen sein. Wenn der Impfstoff von Johnson & Johnson zugelassen ist, könnte er schnell in die Praxen kommen. Wie der Leiter des Impfzentrums, Dr. Dirk Henrich, sagte, eigne er sich besonders gut, weil man von ihm nur eine Dosis verimpfen müsse.
Wie bekomme ich einen Termin beim Hausarzt für die Corona-Impfung?
In den ersten beiden Wochen nach Start rufen die Hausärzte die Patienten an, die sie nach der Impfordnung einladen dürfen und diejenigen, die für sie besonders dringlich sind wegen ihrer Vorerkrankungen. Der Volksdorfer Hausarzt Dr. Björn Parey sagte: „Bitte nicht drängeln und betteln!“ Es habe keinen Sinn, in der Praxis anzurufen, das koste alle nur Zeit. Auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigung und auf denen der Praxen gebe es weitere Informationen. Parey: „Wir wollen impfen statt zu diskutieren.“ Für die kommenden Wochen denken die Kassenärztlichen Vereinigungen bei ausreichendem Impfstoff an ein eigenes Einladesystem.
Wird sich die Impfreihenfolge beschleunigen, sodass bald auch Jüngere auf Termine hoffen können?
Darauf setzen die Ärztevertreter. Die Impfverordnung solle schon jetzt „großzügig“ ausgelegt werden, so KV-Chef Plassmann. Bereits heute erlaube sie, eine nächstfolgende Impfgruppe dranzunehmen, wenn „technisch“ die eigentlich vorgesehenen Patienten nicht bedient werden können. Wenn also etwa ein angebrochenes Fläschchen von sechs oder sieben Dosen nicht komplett verimpft werden könnte. Plassmann sagte: „Es wird nichts weggeworfen!“ Die meisten über 80-Jährigen in Hamburg sind durchgeimpft, ebenso die meisten Ärzte und ein Großteil des medizinischen Personals. Im Impfzentrum werden außerdem bereits Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer und Kita-Mitarbeiter versorgt.
Warum kann man den sensiblen Impfstoff von Biontech jetzt überhaupt auch ohne Mega-Tiefkühlung in einer Praxis in die Spritze bringen?
Die Erfahrung der vergangenen Monate hat den Impfzentrums-Betreibern gezeigt, dass Biontech nach dem langsamen Auftauen aus minus 75 Grad Celsius bei Kühlschranktemperaturen rund 120 Stunden nutzbar ist. Ist ein Fläschchen angebrochen, muss der Impfstoff innerhalb von ein bis zwei Stunden im Arm des Impfkandidaten sein. Die anderen Impfstoffe sind nicht ganz so „leicht verderblich“. Wegen dieser kurzen Zeitspanne werden die meisten Praxen auch enge Zeitfenster und Impfsprechzeiten anbieten, erwartet die KV.
Wird Biontech als Reserve zurückgelegt, damit man sicher genügend Serum für die Zweitimpfung hat?
Das sei nicht nötig, sagte KV-Chef Plassmann. Die Industrie habe ausreichend Lieferungen angekündigt.
Kann jeder Hausarzt Biontech spritzen?
Grundsätzlich ja. Aber: Wie Impfzentrums-Leiter Heinrich sagte, müsse der Impfstoff aufwendig aufbereitet und unter besonders vorsichtiger Behandlung in die Spritze gebracht werden. Um das zu lernen, erhalten die Ärzte „Unterrichtsmaterial“ und Videos. Außerdem veranstalten die Experten ein Webinar im Internet für die künftigen Impfärzte. Vorteil: Viele niedergelassene Ärzte haben bereits im Impfzentrum mitgearbeitet und die Aufbereitungsschritte vom Fläschchen bis zum Piks eingeübt.
Wie viele der Hamburger Hausärzte machen mit?
Das kann auch die KV nicht sagen, denn die Ärzte entscheiden selbst, ob sie Impfstoff bestellen. Allerdings werde es auch einen „sanften Druck“ geben, den eigenen Patienten diesen Service anzubieten, heißt es. Die KV rechnet mit insgesamt 2000 bis 2500 Haus- und Fachärzten, die in Hamburg eine Corona-Impfung anbieten werden.
Was bekommen die Ärzte für die Impfung?
Rund 20 Euro pro Patient. Dafür müssen sie die Patienten einladen, das Vorgespräch führen, die Impfung dokumentieren und die Impflinge nach dem Piks noch rund 15 Minuten beaufsichtigen, um Impfreaktionen abzuwarten.
Welche Nebenwirkungen haben die Impfungen?
Leichte allergische Reaktionen zum Beispiel auf einen bestimmten Bestandteil im Serum (Polyethylenglykol) sind normal. Im Impfzentrum wurden im Anschluss an eine Impfung beobachtet: Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfschmerzen, leichtes Fieber oder Schüttelfrost. Die bei dem Mittel von Astrazeneca in äußerst seltener Form aufgetretenen Hirnvenenthrombosen (weniger als 20 in Deutschland bei gut 1,8 Millionen Impfdosen Astrazeneca) hat es in Hamburg laut Impf-Experte Heinrich bislang nicht gegeben.
Kommt Astrazeneca auch in die Arztpraxen?
Vermutlich ja. Derzeit ist dieser Vektorimpfstoff für Menschen ab 60 empfohlen. KV-Vorstand Plassmann sagte: Egal, welche Debatten gerade liefen – Ärzte sollten sich keinem Druck beugen und Patienten zu einem Impfstoff überreden, der für sie derzeit nicht empfohlen werde. Aber: Patienten können sich nicht den Impfstoff aussuchen.