Hamburg. Siebtklässler fühlen Hamburgs Schulsenator auf den Zahn. Was Rabe zu Maskenpflicht, Impfungen und möglichen Lockerungen sagt.
Wie sehr die Corona-Pandemie das Leben der Hamburger Schülerinnen und Schüler prägt, zeigt sich in der Frage einer Siebtklässlerin. „Glauben Sie, wir werden es in unserer Schulzeit noch erleben, dass in der Schule keine Maskenpflicht und keine Abstandsregeln mehr gelten?“, möchte sie von Schulsenator Ties Rabe (SPD) wissen.
Ein Schulleben ohne Corona-Einschränkungen, das ist für viele der Zwölfjährigen offenbar kaum noch denkbar, so tief waren in den vergangenen knapp zwei Jahren die Einschnitte.
Siebtklässler hatte Idee, bei Rabe anzufragen
Die Klasse 7d des Wilhelm Gymnasiums in Harvestehude lernt seit rund zwei Monaten im Unterricht von Klassenlehrer Julian Nagode, wie eine Klassenzeitung gemacht wird, wie Reportagen zu schreiben und Interviews zu führen sind. Und da hatte der zwölfjährige Stefan Haberland die Idee, den Schulsenator selbst zum Interview einzuladen, um ihm mal persönlich die Fragen zu stellen, die ihnen unter den Nägeln brennen.
Diese drehen sich vor allem um Corona. Zusammen mit Lilli Vogt und Ida Tscharntke (beide 12) hat Stefan ganz professionell viele Karten mit Fragen vorbereitet. Ein Posten ist am Fenster positioniert. „Er kommt“, ruft er, als sich Rabe nähert.
Rabe will Schulen nach Möglichkeit offen halten
Und dann geht es los. Ob es sein könne, dass die Schulen wegen steigender Coronazahlen wieder schließen und die Schüler im Distanzunterricht zu Hause lernen müssten, möchten die Kinder wissen. Man dürfe als Politiker niemals nie sagen – gerade in dieser Pandemie, sagt Rabe.
„Ich kann es Euch also nicht 100-prozentig versprechen, habe aber in den vergangenen eineinhalb Jahren immer sehr dafür geworben, dass die Schulen – wenn es irgendwie möglich ist – offen bleiben. Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass ich jemand bin, der sehr energisch für offene Schulen kämpft.“
Hamburg sei mit Luftfiltern und Maskenpflicht dafür besser aufgestellt als viele andere Bundesländer. Und: Es sei eben doch richtig gewesen, noch nicht die Maskenpflicht abzuschaffen, andere Länder müssten jetzt wieder zurückrudern.
Auch Geimpfte sollen sich regelmäßig testen lassen
„Wenn die Hälfte der Schüler geimpft ist, müssten die sich dann auch noch testen lassen oder nur die Ungeimpften?“, will Juniorreporterin Ida wissen. Das Gesetz sage zwar, wer geimpft ist, müsse sich nicht testen lassen, so Rabe. „Als Schulbehörde bitten wir aber auch die Geimpften sehr, trotzdem an den Tests teilzunehmen, auch die Lehrkräfte.“
Zwar seien 90 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer geimpft – mehr als in jeder anderen Berufsgruppe. Doch auch Geimpfte, die weniger schlimm erkranken, könnten die Infektion ja weitergeben.
Rabe: Wer sich nicht impfen lässt, ist dumm
Die Kinder sind überrascht, als ihr Gast berichtet, die Inzidenz unter den Geimpften liege in Hamburg nur bei 19, die in der Gruppe der Ungeimpften hingegen bei 455.
Rabe sagt ganz deutlich: „Wer sich nicht impfen lässt, obwohl er oder sie es könnte, den halte ich für dumm.“ Viele Millionen Menschen seien in Deutschland geimpft, ohne dass sich gesundheitliche Schädigungen gezeigt hätten.
Rabe: „Ich weiß, dass das Euch strapaziert hat“
„Wenn Sie vorher gewusst hätten, dass Corona kommt, hätten Sie sich dann einen anderen Beruf ausgesucht?“, wollen die Siebtklässler wissen. „Tja“, sagt Rabe. „Es war eine sehr belastende Zeit, Spaß gemacht hat das nicht.“
Er sei als Politiker gut beraten, immer genau zu prüfen, ob seine Pläne in der Praxis wirklich taugen, weil sie von allen mitgetragen werde müssten. Deshalb suche er viel das Gespräch mit Schulleitern, Lehrern und Schülern. „Das war in der Pandemie sehr viel weniger möglich.“ Trotzdem habe er teilweise im Wochentakt neue Verfügungen erlassen müssen, die den Alltag an den Schulen sehr geprägt haben.
„Ich weiß, dass das Euch und Eure Eltern sehr strapaziert hat – und mich auch“, sagt Rabe. Praktisch jede Entscheidung habe Kritik von der einen oder der anderen Seite hervorgerufen.
Schüler fragen nach Aufholen der Lernrückstände
Wie er dafür sorgen will, dass sie als Schülerinnen und Schüler die Lernrückstände aufholen können, wollen die Siebtklässler wissen. Rabe spricht über die zusätzlichen Kursangebote, die die Schulen nachmittags und in den Ferien machen.
Der 60-Jährige fühlt sich offenkundig wohl im Klassenraum. Er sei ja selbst Lehrer gewesen – für Deutsch, Geschichte und Religion – „und das sehr gern“, wie er sagt.
Schulsenator Ties Rabe räumt auch Fehler ein
Ob er als Schulsenator im Umgang mit Corona etwas falsch gemacht habe? „Wir hätten viel früher die Maskenpflicht einführen sollen“, sagt Rabe.
Und anfangs habe man tonnenweise Desinfektionsmittel bestellt, weil Wissenschaftlicher gesagt hätten, die Übertragung des Virus über Hände und Oberflächen sei eine große Gefahr. „Was man besser hätte wissen können: Dass Schulschließungen für Kinder und Jugendliche nicht gut sind“, sagt Rabe.
Schüler raunen über Rabes Arbeitspensum
Die Siebtklässler am Wilhelm Gymnasium sind aber auch neugierig auf den Menschen. Warum er Senator geworden sei? „Als Politiker möchte man gern gestalten und Dinge ändern, das kann man als Senator am besten.“
Wie viel er arbeiten müsse? Rund 70 Stunden in der Woche, denn auch am Wochenende habe er oftmals Termine, sagt Rabe. Oha, raunen die Schüler. Ob es denn zum Ausgleich mal Tage gebe, an denen er sich sage: Heute mache ich mal gar nichts? Rabe lacht. Eher nicht.
Bei Inzidenz von 100 könnte Maskenpflicht fallen
Bevor der 60-Jährige am Ende noch Autogramme geben muss, bohren die Schülerinnen und Schüler nach: Wann denn Schule wieder ohne Masken und Abstand möglich sei? Er hoffe sehr, dass spätestens im März oder April nächsten Jahres Lockerungen möglich seien. „Wenn die Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 sinkt, kann man darüber nachdenken, die Maskenpflicht aufzuheben.“
Die stellvertretende Schulleiterin Christiane Canstein freut sich, dass die Siebtklässler den Mut hatten, Rabe direkt um ein Interview zu bitten – auch auf die Gefahr hin, eine Absage zu kassieren. Sie hätten deshalb heute noch etwas anderes gelernt: „Nachfragen lohnt sich immer.“